Der Steinwandler pyramiden2
sehen, wer an Deck der Boote stand, und er blieb mit weit aufgerissenen Augen stehen.
»Wer kommt hier zu Besuch?«
»Ich und mein Reich«, rief Zabrze und sprang mit einem Satz von Deck auf die steinerne Anlegestelle. »Willst du mir keine Achtung erweisen, Memmon? Muß ich dir zehn Tage vorher Bescheid geben?«
»Memmon ist der Aufseher«, murmelte Boaz neben mir. »Er reist einmal im Jahr nach Setkoth, um die Bücher zur Inspektion vorzulegen, aber in Wirklichkeit will er sehen, was Zabrze und ich für Unsinn treiben. Er wäre genauso wütend, wenn wir ihm vor sechs Monaten Bescheid gegeben hätten, aber fünf Minuten zu spät kämen.«
Zabrze legte dem Mann beruhigend die Hand auf die Schulter und sagte ihm leise etwas ins Ohr. Schließlich zuckte Memmon mit den Schultern, nickte, dann ging er eilig den Pfad zurück.
»Er ruft die Diener und Feldarbeiter zusammen«, rief Zabrze.
»Kommt jetzt, die Rampen runter!«
Und die ersten drei Schiffe – mehr konnte die Anlegestelle nicht auf einmal bewältigen –, fingen an, genau das zu tun.
Ich liebte das Haus von dem Moment an, in dem ich es betrat.
Es war ein richtiges Heim, voller liebevoller Erinnerungen.
Selbst Neuf gewann etwas von ihrer Lebhaftigkeit zurück, als sie durch die Eingangstür trat – und etwas von ihrem Eigensinn.
»Es könnte eine zweite Etage gebrauchen«, murmelte sie und massierte sich mit beiden Händen das Kreuz, während sie sich umsah, »und diese Veranden müssen natürlich weg.«
Zabrze und Boaz protestierten sofort, und ich lächelte und ging allein auf Entdeckungsreise.
Ich spähte neugierig in die Küche, dann grinste ich, als ich Holdat bereits dort sah, mit dem Hauptkoch über einem dampfenden Topf in eine lebhafte Diskussion verstrickt. Der Raum hatte hohe Fenster, die auf die sich weit in die Ferne erstreckenden Felder hinauswiesen, und ich konnte die kleine Gestalt Memmons sehen, der die Menschen dirigierte, während sie das Schiff verließen. Feldarbeiter eilten mit Planen und Pfählen umher; nach Einbruch der Dunkelheit würden ein paar Zelte stehen, aber die Nacht war so mild, daß viele bestimmt nichts dagegen haben würden, unter freiem Himmel zu schlafen. Sie würden sich sowieso bald daran gewöhnen müssen.
Es gab Empfangsräume, Speisesäle und Schlafgemächer – und ein Schwimmbecken, das von einer Veranda umgeben war –, aber bevor ich alle Schätze erkunden konnte, fand mich Boaz, wie ich in einem der Hausgänge umherwanderte, und führte mich in das Hauptwohnhaus zurück.
»Zabrze braucht uns«, sagte er. »Es gibt Schwierigkeiten.«
Die Schwierigkeiten waren in Gestalt eines halb verhungerten und halb verrückten Sklaven von der Baustelle erschienen. Er war von einem der Schiffe gefallen, als unsere Flotte nach Süden geflohen war, und hatte sich dann bis zum Abend im Fluß verborgen, in der Nähe der versteinerten Schilfbänke. In der Nacht hatte er dann ein kleines Boot gefunden, das aus Schilf bestand – es war in der Hast des Aufbruchs fortgetrieben und nicht in Stein verwandelt worden –, und er war uns nachgefahren.
Als der Wind nachgelassen hatte, war er gerudert. Er erweckte nicht den Anschein, sich in den vergangenen Wochen häufig ausgeruht zu haben. Uns einen halben Tag nach unserem Anlegen einzuholen kündete von einer verzweifelten Eile.
»Ich bringe Neuigkeiten von der Pyramide«, hatte der Mann gesagt, der Quebez hieß. Und da brachte Azam ihn zum Haus.
Wir versammelten uns in einem der luftigen vorderen Räume.
Neuf war da, saß in Zabrzes Nähe, ich saß genauso nah bei Boaz. Isphet und Yaqob saßen an einem der Fenster, Azam stand neben dem Stuhl, auf dem Quebez saß. Zeldon, der auf einem der kleineren Schiffe gereist war, stand jetzt mit verschränkten Armen in der Tür zum Garten. Mit Ausnahme von Quebec waren wir wohl die Anführer der riesigen Menschenmenge, die sich draußen in Memmons eilig aufgeschlagenem Lager tummelte.
»Hoher Herr.« Quebez hatte ohne zu zögern Zabrze als den Anführer unserer Gruppe erkannt. »Ich habe… ich hörte…«
Azam legte Quebez die Hand auf die Schulter. »Wenn du dich gerne eine Stunde ausruhen möchtest…«
»Nein, Hoher Herr…«
»Sag Azam zu mir«, knurrte dieser, aber ich nahm an, daß er sich daran gewöhnen mußte, von den Leuten so angesprochen zu werden.
»Nein, ich muß jetzt sprechen. Ich muß berichten, was ich gesehen habe.«
Wir schwiegen, und Quebez holte tief Luft und berichtete von den Schrecknissen, die
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