Der Steinwandler pyramiden2
dafür sein, daß sie zu ihrem Kranken eilten, bevor der Froschhüter Zeit gehabt hatte, die genauen Mengenangaben mitzuteilen –, aber ich machte so lange weiter, bis das Gebräu einen leicht bitteren Geschmack hatte. Noch mehr, und er würde es wieder ausspucken.
Dann setzte ich mich, tropfte alle paar Minuten ein wenig von der Flüssigkeit zwischen seine Lippen und wartete.
Viel Zeit verging, aber ich weigerte mich, Boaz zu verlassen.
Es war schon spät in der Nacht, als ich eine Veränderung bei ihm feststellte. Sein Atem ging leichter, und er versank in einen tiefen Schlaf, der ruhig und nicht mehr schmerzerfüllt war. Isphet überredete mich schließlich, mich ein paar Stunden auszuruhen, übernahm selbst die Wache bei Boaz und tröpfelte ihm den Rest der Mixtur in den Mund.
Ich hatte erst gedacht, nicht schlafen zu können, aber ich tat es doch und erwachte erst, als Isphet zart meine Schulter berührte.
»Ist er…?«
»Er schläft noch. Aber es geht ihm besser. Ich will mich jetzt auch etwas ausruhen, aber weck mich zur Morgendämmerung, dann säubern wir seine Wunde und streuen vielleicht noch etwas von dem Pulver hinein.«
»Vielleicht hat es wirklich geholfen.«
»Vielleicht«, gestand sie ein. »Jetzt raus aus dem Bett und laß mich schlafen.«
Ich setzte mich an Boaz’ Seite und lächelte. Er atmete jetzt tief und mühelos, das Fieber war gebrochen.
Ich machte weiter mit meiner Aufgabe, ihm winzige Portionen der Flüssigkeit zwischen die leicht geöffneten Lippen zu träufeln, aber meine Erleichterung war mit einem Mal einer großen Müdigkeit gewichen, und nach einer Weile stellte ich den Kelch zur Seite und legte den Kopf auf die Arme. Nur ein paar Minuten, dachte ich. Ich mache bloß ein paar Minuten lang die Augen zu.
Der Druck seiner Hand auf meinem Kopf weckte mich.
»Boaz!«
Er lächelte. »Hör doch. Das ist der Morgengesang der Frösche.«
An diesem Tag gab ich Isphet das Buch der Soulenai, damit sie es sich ansehen konnte. Sie war leicht aufgeregt, bis sie sein leises Murmeln fühlte, und die Tatsache, daß ich daraus vorlesen konnte, wurde ohne weitere Bemerkung übergangen.
Das Buch lag auf ihrem Schoß, während ich mich über ihre Schulter beugte, die Seiten umschlug und versuchte, die Geschichte des sterbenden Königs wiederzufinden. Doch sie war aus dem Buch verschwunden. Es gab sie nicht mehr.
5
Drei Tage später näherten wir uns dem Juitsee. Ich stand mit Boaz und Zabrze am Bug des Schiffes, und Zabrze erklärte mir, daß der See nach den rosa- und scharlachroten Juitvögeln benannt war, die das Marschland und seine Umgebung durchstreiften.
»Der See ist riesig«, sagte er und beschattete die Augen, während er nach Süden blickte. »Niemand hat ihn jemals mit einem Schiff durchmessen.«
»Und das Marschland erstreckt sich meilenweit über die Ufer landeinwärts«, fügte Boaz hinzu. Das war der erste Tag, an dem er hatte aufstehen können; er war blaß und abgemagert, aber seine Augen waren klar, seine Haut hatte die Fieberflecken verloren und sein Bauch spannte sich wieder flach und kühl. Die Wunde war wieder verschorft, nur diesmal sah es gesund aus, und auch wenn Boaz sich schwer auf meine Schulter stützte, glaubte ich nicht, daß es daran lag, daß er meinen Halt so dringend brauchte.
»Das Marschland ist über und über mit Schilf bedeckt, das die heiße, feuchte Luft bewahrt. In der Dämmerung ist es oft von Nebel verhüllt«, fuhr Boaz fort. »Die Wassertiefe ist höchst unterschiedlich. Am sichersten bewegt man sich dort mit einem flachen Kahn und einer Stange zum Staken.«
»Nicht, daß das jemand tun würde«, bemerkte Zabrze. »In dem grenzenlosen Schilf kann man sich schnell verirren.
Manchmal kommen die Fischer hierher, um die hier lebenden Aale zu fangen. Viele sind nie mehr zurückgekehrt. Ich glaube, sie sind über den Rand der Welt gestürzt. Oder zusammen mit den Göttern in einem Ort himmlischer Freuden gefangen.«
»Es muß leicht sein, hier den Gesang der Frösche zu hören«, meinte ich und beugte mich noch näher zu Boaz hinüber. Er erholte sich mit jedem Atemzug, den er tat, aber meine eigenen Verletzungen durch seine nahe Begegnung mit dem Tod waren noch lange nicht verheilt.
»Ich glaube, wir können hier an jeder Stelle an Land gehen.«
Isphet gesellte sich zu uns, begleitet von Azam. Neuf blieb in einer der Kammern zurück und ruhte sich aus; sie war noch immer erschöpft von der Flucht durch Gesholme. Yaqob hatte sich vor
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