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Der Steinwandler pyramiden2

Der Steinwandler pyramiden2

Titel: Der Steinwandler pyramiden2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: douglass
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aber wir waren kräftig und an Entbehrungen gewöhnt. Zabrze marschierte an der Spitze der Kolonne, Seite an Seite mit Isphet, und sein Gewand bauschte sich im Wind. Er war still und trauerte auf seine stille Weise um Neuf, und er war sehr besorgt um seine anderen Kinder. Isphet gab ihm Verständnis und Trost, und der Bund, der zwischen ihnen entstanden war, wurde jeden Tag und jede Nacht stärker.
    Das Kind gedieh. Kiath und Isphet teilten sich die Pflege, aber auch Zabrze verbrachte jeden Abend viele Stunden mit ihm. Er saß am Feuer, seinen Sohn im Arm, und fütterte ihn mit Milch und Wasser.
    Arme Neuf, dachte ich, nicht einmal dein Sohn vermißt dich.
    Wie versprochen, brachte Boaz Isphet die Grundzüge des Lesens und Schreibens bei. Sie lernte schnell, erfaßte den Sinn des Gelernten leicht, hatte jedoch Schwierigkeiten mit dem Schreibwerkzeug und den Schriftzeichen. Boaz war geduldig mit ihr – viel geduldiger, als er bei mir gewesen war. Aber das hier war ein anderer Mann, und es hätte mich nicht stören dürfen.
    Yaqob sah zu. Er stellte Fragen, und ich glaube, er lernte genauso schnell lesen wie Isphet. Aber er sträubte sich, wenn es um die Rohrfeder ging. Yaqob wollte lesen, aber er weigerte sich zu schreiben. Ich fragte mich, ob er noch immer diese Kunst fürchtete oder Angst hatte, Boaz würde bei seinen ersten unbeholfenen Schreibversuchen zusehen und ihn auslachen.

    Wir waren seit fast drei Wochen unterwegs, und auch wenn Isphet nichts sagte, konnte ich ihre Besorgnis spüren.
    »Isphet«, sagte Boaz schließlich eines abends, als wir vor dem Essen beisammen saßen. »Wann sind wir endlich da?«
    Zabrze, der seinen schlafenden Sohn wiegte, schaute vom Feuer auf. »Wir haben nur noch für drei oder vier Tage zu essen. Wir…«
    »Ich weiß, wieviel Vorräte wir noch haben!« sagte sie.
    »Erstattet uns Azam nicht jeden Morgen und Abend genau Bericht?«
    »Isphet«, sagte Zabrze, »ich trage hier die Verantwortung für fünftausend Menschen, und letztlich die Verantwortung für noch sehr viele mehr. Noch eine Woche, und die ersten von uns werden langsam verhungern. Ich will wissen, was auf einmal los ist.«
    »Es ist alles in Ordnung…«
    »Nein, das ist es nicht! Ich habe dich die letzten beiden Tage beobachtet, wie du deine Wegmarkierungen stirnrunzelnd anstarrst…«
    »Die Wege sind immer noch da. Sie schlängeln sich noch immer…«
    »Oh, Isphet!« Das Kind regte sich, und Zabrze wiegte es einen Augenblick lang. »Isphet«, fuhr er dann leiser fort, »selbst die Maultiere unserer Kolonne wissen, daß wir mittlerweile direkt nach Süden reisen. Sind deine Berge nicht im Osten?«
    Sie kaute auf der Unterlippe und schlug den Blick nieder.
    »Im Süden befindet sich die Große Steinwüste«, sagte Boaz.
    »Isphet…«
    Sie bedeckte ihr Gesicht mit den Händen und rieb sich die Augen. »Ich bin besorgt«, gab sie schließlich zu. »Obwohl wir so viele sind, sind wir schnell vorangekommen. Meiner Meinung nach hätten wir die Berge bereits vor drei oder vier Tagen erreichen müssen.«
    Zabrze musterte sie genau. »Du hättest früher etwas sagen sollen. Wie lange führst du uns schon in die Irre?«
    »Ich bin nur den Wegmarkierungen gefolgt«, fauchte sie und hob den Blick. »Ich…«
    »Der Hase ist soweit«, sagte Holdat. Boaz war es gelungen, ihn am Nachmittag zu fangen.
    »Laßt uns essen«, sagte ich. »Am Morgen… Isphet, würde es helfen, wenn Yaqob oder ich oder auch Boaz hören, was die Metallkugel uns zu sagen hat? Vielleicht wenn einer von uns…«
    »Wenn ihr wollt«, erwiderte sie. »Aber sie tönen am besten bei jemandem, der bei uns in der Kluft geboren ist.« Und dann nahm sie den Teller, den ich ihr reichte, und aß mürrisch und freudlos.
    Isphet stand im kalten Licht der Morgendämmerung neben einem Haufen aus Markierungssteinen, die Metallkugel in der Hand.
    »Sie sagt mir, daß in den vergangenen zwei Monaten nur Schlangen und Käfer vorbeigekommen sind. Niemand aus meinem Volk. Keine Feinde. Der Weg ist frei.«
    Sie warf die Kugel in die Luft, ihre Form fing die ersten Sonnenstrahlen ein, und dort, wo sie landete, brachen Erde und Steine auf und schlängelten sich nach Süden. Genau nach Süden.
    Zabrze trat gereizt von einem Fuß auf den anderen.
    »Isphet…«
    »Gib Yaqob die Kugel«, sagte ich, und sie gab sie ihm.
    Er rollte sie zwischen den Handflächen, dann schloß er die Finger darum. »Schlangen, Käfer und keine Menschen«, sagte er schließlich, als er aufsah.

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