Der Steinwandler pyramiden2
setzte sich unter einen abseits stehenden Baum.
An diesem Tag reisten wir nicht weiter.
Neufs Tod wirkte auf alle bedrückend. Sie war zwar nicht sonderlich beliebt gewesen, und mit Sicherheit hatte sie keiner gut gekannt, aber jeder Tod ist traurig, vor allem der einer Frau bei der Geburt ihres Kindes, und so trauerten viele Leute um sie.
Und sie hatte ein solch winziges, hilfloses Kind hinterlassen.
Niemand unter uns hatte Erfahrung mit einem Kleinkind.
Wenige Stunden nach Neufs Tod versuchte Isphet, etwas zusammenzubrauen, das eßbar und nahrhaft für das kleine Kind sein würde.
Es zu verlieren, nur weil keine Milch da war, wäre einfach zu schrecklich gewesen.
»Vielleicht sollte ich eine dicke Suppe kochen«, sagte Isphet und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Nein, nein, das wird nicht gehen. Vielleicht mit Honig gesüßtes Wasser.
Tirzah, hast du Honig in deinem Korb? Wenigstens wird er dann einen vollen Magen haben.«
Was nichts nutzen würde. Ich schüttelte den Kopf.
Zabrze ging hinter Isphet auf und ab und wiegte seinen Sohn in den Armen. Der Kleine wimmerte leise, doch niemand konnte ihm helfen.
»Isphet, kannst du denn gar nichts tun?« fragte Zabrze. So, wie er sie angefleht hatte, Neufs Leben zu retten, so flehte er jetzt für seinen Sohn.
»Ich kann nicht…«, setzte sie an und verstummte dann, als ein Schatten auf sie fiel.
»Herr und Herrinnen«, sagte ein runzeliger, aber makellos sauber gekleideter alter Mann. »Ich bitte um Entschuldigung.
Aber ich habe von euren Sorgen gehört und…«
»Ja, und?« fauchte Zabrze, der mit seinen Nerven am Ende war.
»Und…« Der Alte hielt einen Topf in den Händen, und jetzt nahm er den Deckel ab. Er war mit schaumiger, weißer Milch gefüllt.
Isphet stieß einen Laut der Überraschung aus und griff mit beiden Händen danach.
»Wo hast du die her?« fragte ich. Ich glaube, ich war die einzige, die einen Ton herausbrachte.
»Meine Zsasa hat letzte Nacht ein Junges geboren, Hohe Dame. Sie hat viel Milch. Aber…«
»Zsasa?« fragte Zabrze.
»Mein Kamel, Hoher Herr.«
»Dein Kamel lebt, und meine Frau ist gestorben?« sagte Zabrze ungläubig. »Wie kann ein Kamel…«
»Wir danken dir, guter Mann«, sagte ich schnell. »Diese Milch wird sicherlich das Leben des Kindes retten.« Und ich starrte Zabrze beschwörend an.
»Ja, ja«, sagte er. »Ich danke dir mit meiner Seele für dieses Geschenk. Entschuldige meine Worte, ich…«
»Ich verstehe, Hoher Herr«, sagte der Alte und sah dann Isphet an. »Die Milch ist sehr fett. Zu fett für ein kleines Kind.
Strecke sie mit Wasser, halb und halb, dann wird es gehen.«
Isphet griff bereits nach einer Schale, und in wenigen Minuten hatte sie die Milch zurechtgemischt.
Noch immer von seinen eigenen Worten peinlich berührt, bat Zabrze den Alten, uns Gesellschaft zu leisten, und wir saßen alle schweigend am Feuer, als Isphet Zabrze den kleinen Jungen abnahm und es mit einem in die Milch getauchten Tuch fütterte, an dem es saugen konnte. Der kleine Junge war hungrig und wollte leben, und er nahm alles, was ihm angeboten wurde.
»Wie willst du ihn nennen, Zabrze?« wollte Isphet schließlich wissen und wischte dem Jungen den Mund ab, der schlafend in ihrem Arm lag.
Zabrze dachte ein paar Minuten lang nach. »Ich werde ihn Zhabroah nennen«, sagte er dann. »Das bedeutet Überlebender.«
Diese Nacht war die erste, in der Isphet das Lager mit Zabrze teilte, und das war gut so, denn es war eine Nacht, in der er nicht hätte allein sein sollen.
Darüber hinaus glaube ich, daß die Liebe zwischen ihnen schon lange Zeit bestanden hatte, und zwar schon lange, bevor sie sich kennengelernt hatten.
7
Wir reisten weiter. Der Tag wurde zur Nacht und die Nacht wieder zum Tag, und Isphet führte uns von einer Wegmarkierung zur nächsten. Das Land wurde noch trockener, und noch immer gab es keine Anzeichen von den von Isphet angekündigten Bergen am Horizont, nichts.
»Wir werden sie erst sehen, wenn wir einen Tag davon entfernt sind«, sagte Isphet. »Sie sind sehr niedrig.«
Wir kamen mit durchaus beachtlicher Zügigkeit voran. Die Hitze war tagsüber nicht zu schlimm, und die Nächte waren angenehm kühl. Unsere Nahrungsvorräte reichten aus – selbst Zsasa fand genügend Gras, um ausreichend Milch sowohl für ihr Kalb als auch für Zhabroah zu liefern – und wir fanden jeden Abend Wasser.
Alle bewährten sich auf dem Marsch ganz gut. Gelegentlich gab es Blasen und gereizte Gemüter,
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