Der Steinwandler pyramiden2
so weit. Als die Sonne aufging und Fetizza schläfrig gähnte, sahen wir den niedrigen, wellenförmigen Horizont voraus.
Isphet umarmte Boaz. »Danke«, sagte sie, dann lächelte sie auch uns an. »Noch eine Nacht, denn die Berge sind noch weit, und übermorgen zur Morgendämmerung…«
Zabrze schenkte ihr ein zärtliches Lächeln, dann befahl er, das Lager aufzuschlagen.
Fetizza führte uns durch die Nacht. Isphet meinte, den Weg jetzt selbst finden zu können, aber Boaz bemerkte nur sanft, daß sie vor elf Jahren das letzte Mal hier gegangen war, und wer vermochte schon zu sagen, welche anderen Fallen und Irrwege ihre Leute aufgestellt hatten, um eventuelle Feinde zu verwirren, die den Weg zu ihnen suchten.
»Fetizza wird sich nicht in die Irre führen lassen«, sagte er,
»und sie wird den kürzesten Weg finden.«
Isphet gab nach, aber sie war die ganze Nacht an der Spitze der Kolonne.
Die Landschaft wurde noch karger, je weiter wir vorankamen. Den letzten Baum hatten wir zwei Nächte zuvor hinter uns gelassen, und selbst das Gras war dünner und spärlicher, als der Boden anstieg. Es ging nicht steil bergauf, aber die immer öfter auftauchenden mannshohen Felsblöcke machten den Weg sehr viel beschwerlicher.
Isphet hielt sich zurück und eilte nicht voraus, aber wenn wir am Morgen noch nicht da waren, würde sie bestimmt alle Geduld verlieren und Fetizza anbrüllen.
Es ließ mich an meine eigene Heimat denken. Mittlerweile war es mir wirklich egal, ob ich Viland jemals wiedersah. Mit dem schmalen, kalten Landstreifen im Norden waren keine guten Erinnerungen verbunden… und mein Vater war tot. Es gab keinen Grund, dorthin zurückzukehren. Hatte Isphet noch Eltern? Brüder oder Schwestern, die noch lebten? Was konnte sie sonst so ungeduldig in eine Landschaft ziehen, die selbst Viland einladend aussehen ließ?
»Was glaubst du, was wird uns erwarten?« fragte ich Boaz, als sich der Morgen näherte und wir die nächste Anhöhe mit Felsblöcken in Angriff nahmen.
»Ich weiß es nicht. Ich hoffe, ihr Volk kann mir beibringen, was ich wissen muß. Das Geheimnis, das das Lied der Frösche darstellt. Was die Pyramide heimgesucht hat. Wie man es zerstören kann, bevor es alles Leben in Stein verwandelt.«
»Ich schaudere bei dem Gedanken an die Rückkehr«, sagte ich leise.
»Oh, Tirzah, nein! Das wird meine…«
»Nein«, sagte ich. »Ich werde nicht zurückbleiben. Und mir Sorgen machen. Du wirst auch meine Zukunft festlegen, wenn du die Pyramide wieder betrittst.«
Wieder überfiel mich die überwältigende Vorahnung von Verlust, die ich einst vor dem Riesenmaul der Pyramide verspürt hatte. Oh ihr Götter, betete ich im Stillen. Nicht Boaz.
Nicht ihn!
Wir hörten einen Ruf, dann eine Auseinandersetzung. Fetizza war in einen schmalen Graben gesprungen, dicht gefolgt von Isphet.
Ein Mann trat hinter einem Felsen hervor und packte Isphet.
Er riß sie herum, zog sie mit einem Arm an sich und hielt ihr mit der anderen Hand eine funkelnde Klinge an die Kehle.
Fetizza saß hinter ihnen und gähnte über die Unterbrechung.
»Macht noch einen Schritt, und sie stirbt«, sagte der Mann.
»Ihr habt hier nichts zu suchen.«
Alle erstarrten, und Zabrze hob ganz ruhig die Hand. »Mein Freund, wir wollen dir nichts tun. Wir suchen Isphets Volk… Isphet ist die Frau, die du festhältst. Bitte, laß sie los.«
Der Mann starrte Zabrze an. Er war jung, vielleicht vier oder fünf Jahre älter als ich, mit dunklem Haar und hellen Augen.
Grauen Augen. Er trug eine kurze Tunika und Hosen, die mit Riemen eng um seine Beine geschnürt waren. Er trug Lederschuhe statt Sandalen. »Wer bist du?«
»Ich bin Zabrze, Prinz von Ashdod… jetzt wohl der Chad, vermute ich. Ich führe diese Leute« – er zeigte hinter sich – »und bringe sie in Sicherheit vor…«
Er kam nicht weiter. Der Mann sah von Zabrze zu der Menschenschlange, die sich über den Hügel und weit dahinter erstreckte.
»Man hat euch geschickt, um uns zu vernichten!« rief er, und seine Hand faßte das Messer auf alarmierende Weise fester.
»Ihr kommt von ihm! Wir haben von euch gewußt, wir wußten…«
»Wir sind gekommen um zu erfahren, wie man Nzame vernichten kann«, sagte Boaz ruhig und trat langsam an Zabrzes Seite. »Dein Volk hat die Fähigkeiten und die Lehrer, die wir brauchen.«
»Du kennst seinen Namen«, sagte der Mann. »Wie soll ich wissen, ob ihr nicht seine Diener seid?«
»Wir kommen von der Pyramide«, sagte Zabrze. »Wir
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