Der Steinwandler pyramiden2
konturlosen Felsbrocken beschreiben kann, etwa von der Größe eines Esels. Dieser Anführer war… Chad Nezzar.«
»Was?« riefen Boaz und ich zugleich aus.
»Ein Chad Nezzar, der nicht in Stein verwandelt worden war, aber von Nzame unwiderruflich verändert worden ist. Er war wahnsinnig, sagt mein Bote. Er kicherte und sang über die Macht und die Herrlichkeit von Nzame. Er streichelte sein Steinreittier, als wäre es lebendig, und nannte es seine Geliebte. Sein Körper war vernarbt, wo er sich den Schmuck aus dem Körper gerissen hat, und schrecklich von der Sonne verbrannt.«
Wir saßen ein paar Minuten stumm da und dachten nach.
»Das mußt du den Weisen erzählen«, sagte Boaz schließlich.
»Ja. Und ich werde mir überlegen müssen, wie ich eine Armee aus zehntausend Steinmännern bekämpfen kann, denn so viele sind es bestimmt, die für Nzame kämpfen.«
»Und Chad Nezzar?« fragte ich. »Könnte er ein Heer anführen?«
Zabrze schüttelte den Kopf und wollte antworten, aber eine Stimme in der Tür kam ihm zuvor.
Solvadale.
»Ich habe es gehört«, sagte er. »Und ich glaube nicht, daß Chad Nezzar bloß verrückt ist. Ich glaube, er ist jetzt zu einem Teil von Nzame selbst geworden.«
11
Wir verdoppelten unsere Anstrengungen. An mehreren Tagen in der Woche unterrichteten uns die Weisen jetzt auch am Vormittag.
»Lernt«, ermahnten sie uns. »Übt.«
Es dauerte noch ein paar Wochen, aber schließlich erlangten wir nicht nur die Fertigkeiten, die nötig waren, um die Lebenskraft in den Elementen zu fühlen, sondern auch sich ihrer zu bedienen und sie zu lenken.
»Rühre das Wasser mit der Glaskugel auf, Tirzah«, sagte Xhosm, und ich tat es.
»Erschaffe ein Rechteck aus rotem Leinen mit der Macht dieser Eisenkugel«, sagte Caerfom zu Yaqob, und er tat es.
Solvadale gab Boaz eine schmale Goldkette. »Bediene dich der Macht in dieser Kette und verwandele sie in Glockengeläut.«
Und im Wassersaal läuteten Glocken.
»Isphet«, befahl Gardar, »nimm, was dieser Silberkelch dir gibt, entgegen und erschaffe einen Korb für mich.«
Und sie tat es.
Von uns allen war Boaz der Mächtigste und löste seine Aufgaben mit der größten Leichtigkeit, aber auch jeder von uns anderen wurde täglich besser.
Gleichgültig, welche Objekte wir benutzten, ob nun Metall, Edelsteine oder Glas und gelegentlich auch Töpferwaren, wenngleich die Seele der Töpferwaren schwach war und uns nur wenig gab, mit dem wir arbeiten konnten, sie verloren nichts von ihrer Kraft durch unsere Benutzung.
»Wir verstehen das nicht ganz«, erklärte Solvadale eines Nachmittags. »Irgendwie ziehen die Elemente Energie in sich hinein von einer Urkraft, die wir noch entdecken müssen. Sie ersetzen einfach das, was sie durch euren Gebrauch abgeben.«
»Können wir alles benutzen?« fragte Yaqob und warf langsam eine Eisenkugel von einer Hand in die andere.
»Ja. Aber manche Dinge können für mehr benutzt werden.«
Solvadale wandte sich mir zu. »Dabei meine ich wieder einmal den Froschkelch. Tirzah hat das besondere Talent, Gegenstände zu erschaffen, die eine solche Magie in sich tragen, daß sie selbst wiederum für eine Magie benutzt werden können, die weit über die einer Eisenkugel hinausgeht. Nicht einmal Boaz hätte Fetizza aus dieser Eisenkugel herauszaubern können. Eine Lebensform, ganz zu schweigen von einer magischen Lebensform, ist… schwierig.«
Wir schwiegen und dachten an Fetizza. Jeden Morgen und Abend schlüpften weitere Bernsteinfrösche aus ihrem Mund.
Jetzt schwammen und hüpften Hunderte ihrer Kinder durch die Kluft, und ihr Chorgesang brach sich bei Sonnenuntergang und in der Morgendämmerung an den Felswänden.
»Was ist mit Stein?« fragte Isphet. »Stein enthält doch auch Elemente. Warum können wir den Stein nicht hören?«
Gardar zog einen kleinen Stein unter seiner Bank hervor. Die Weisen waren zwar keine Magier, aber ich mußte noch herausfinden, wie ihre blitzschnellen Tricks funktionierten.
»Nimm ihn in die Hand«, sagte Gardar zu Isphet und gab ihn ihr. »Dann reich ihn weiter.«
Isphet nahm den Stein, konzentrierte sich, dann seufzte sie und gab ihn mir. Ich rollte ihn zwischen den Händen hin und her und tastete und lauschte, aber ich wußte, daß ich nichts finden würde. Ich gab ihn an Boaz weiter.
»Stein ist tot«, sagte Solvadale. »Auch wenn er viele Elemente und Mineralien enthält und manchmal sogar Edelsteine, etwas tötet bei seiner Entstehung das Leben ab, das er enthält.
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