Der Steinwandler pyramiden2
erregte noch etwas anderes in der Spalte meine Aufmerksamkeit.
»Seht nur!« rief ich.
Reines, kristallklares Wasser quoll hervor. Es füllte die Spalte, bis sie überfloß. Es sammelte sich, bis wir gezwungen waren zurückzutreten, dann fand es einen weiteren kleinen Bodenriß und floß hinein.
Fetizza quakte wieder, völlig mit sich zufrieden.
Das Wasser plätscherte über den Felsen, bis es weitere Spalten fand, sie füllte und dann weiterfloß, als habe es ein bestimmtes Ziel vor Augen.
Wir alle traten zurück und sahen zu.
Jetzt formte das Wasser einen kleinen Strom, der sich durch die Steinlandschaft wand.
»Es fließt auf die Pyramide dort zu!« sagte Isphet.
Jeder stand von dem Anblick gefesselt reglos da.
Die Pyramide sah es ebenfalls. Ihre Augen starrten darauf, bis sie beinahe schielten.
Ich grinste. Ich konnte nichts dagegen machen. Ich hatte das Gefühl, daß Nzame weit weg von hier hilflos gegen den schmalen Wasserstrom wütete, der seinem Abbild entgegenrann.
Die Hündin bellte aufgeregt, und Fetizza quakte.
Das Wasser traf die Pyramide. Einen Augenblick lang schäumte es gegen die steinerne Fläche, dann zerbarst diese Seite der Pyramide mit einem lauten Krachen, und das ganze Gebilde brach zusammen und verschwand unter dem immer breiter werdenden Strom.
Das Wasser drang durch Spalten und Risse in den Felsen.
Wir standen eine Stunde oder länger da und sahen zu. Der Strom, nun etwa zwanzig Schritt breit, verlor sich in der Ferne, dort, wo wir hergekommen waren. Eine flache, schimmernde Wasserfläche.
Wir fühlten uns zuversichtlicher als seit Tagen. Selbst die Befreiten, wie Isphet die Leute bezeichnete, die wir aus ihren Steingefängnissen befreit hatten, lächelten manchmal und sprachen unterwegs miteinander.
Ich glaube, es war der Anblick der schielenden Pyramide gewesen, die im sanften Wasserstrom zusammengebrochen war, die ein solches Wunder vollbracht hatte.
Boaz wickelte Fetizza in ein feuchtes Tuch und trug sie so lange, bis wir ein Lager aufschlugen.
Dann setzte er sie ab, und sie zwängte sich sofort in einen weiteren Spalt im Steinboden.
Fast augenblicklich sickerte Wasser um sie herum hervor und floß davon, bis es irgendwann auf den Strom stoßen würde, den sie am Morgen erschaffen hatte. Ich hatte nicht den geringsten Zweifel, daß er unterwegs auf die vierundzwanzig kleinen Pyramiden stoßen würde, an denen wir seit Fetizzas Auftauchen vorbeigekommen waren.
Wir alle badeten in dem Wasser, bevor wir aßen, und es erfrischte und belebte uns. Ich sah, daß die Befreiten lächelten und sogar lachten, und ich sah auch, daß ein paar ihre Nachbarn voll Übermut bespritzten.
Ich wechselte einen erleichterten Blick mit Isphet. Fetizzas Wasser würde tun, was kein Wort von uns je geschafft hätte.
In dieser Nacht gab es keine Träume, und erst die aufgeregten Rufe eines Wachtposten weckten uns.
Hinter unserem Lager erstreckte sich eine gewaltige Wasserfläche – Fetizza war fleißig gewesen. Aber es war weniger das Wasser, das die Aufmerksamkeit des Wächters erregt hatte, als vielmehr die dünnen, scharfkantigen Felsplatten, die es durchbohrten.
Der Stein unter dem Wasser war zerborsten und gesplittert.
Unter dem seichten Wasser und zwischen den Felsplatten konnten wir frische Erde sehen.
»Die Tränen der Soulenai«, sagte Boaz leise, »erneuern das Land.«
17
Es gab keine weiteren Angriffe von Steinmännern; Nzame mußte eingesehen haben, daß es nutzlos war, kleine Gruppen gegen uns auszuschicken. Wir marschierten weitere fünf Tage durch die steinerne Landschaft, angespannt, aber nicht so mutlos wie zuvor. Hinter uns erstreckten sich Wasserflächen, die in der erneut zum Leben erweckten Erde versickerten. Die mit Wasser bedeckten Streifen waren noch nicht gewaltig, aber sie vermittelten uns ein Gefühl von Hoffnung, und an jedem Abend sahen wir zu, wie es sich Fetizza in der nächsten Spalte gemütlich machte, und wir lächelten, wenn das Wasser um sie herum hervorquoll.
Fetizza schien von der Aufmerksamkeit, die ihr jeder entgegenbrachte, völlig unberührt zu sein und zischte und duckte sich nur zusammen, wenn die Hündin sich ihr näherte.
Nicht, daß die Hündin das besonders oft machte; sie hatte bereits herausgefunden, daß der Frosch sehr fest zukneifen konnte, wenn er geärgert wurde, und einmal hatte er sie beinahe in einer knöcheltiefen Pfütze ertränkt.
Die Befreiten erholten sich immer mehr. Wir alle badeten jeden Abend, und jedesmal, wenn
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