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Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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festhalten ließ. Aus dem Gartenjungen war eine Blumenmalerin geworden.
    Auch Catharina Olearius hatte Sophie auf ihrem Weg bestärkt. Nach der Geburt ihres Sohnes war sie zunächst ganz selbstverständlich in deren Obhut verblieben. Gemeinsam hatten die beiden jungen Mütter sich den Mühen des Alltags gestellt, während Olearius sich nach Vollendung seines Orientalischen Reiseberichtes zur Konstruktion eines geheimnisvollen Projektes hinter seinen Büchern und Schriften verschanzt hatte. Und über die Wochen und Monate, in denen die beiden Frauen immer enger zusammenwuchsen, war ein Bündnis entstanden, dem der Hausherr nichts mehr entgegensetzen konnte und wollte. Gemeinsam mit der heranwachsenden Melissa regierten drei Frauen den Gelehrtenhaushalt, und Olearius genoss das harmonische Treiben unter seinem Dach, das ihm sein Abtauchen in immer fernere Sphären ermöglichte.
    Wieder blickte Sophie auf. In einiger Entfernung hörte sie Kinderlachen, hell und ungezwungen. Caspar, ihr Sohn, war inzwischen zu einem temperamentvollen, die Welt erkundenden Blondschopf herangewachsen. Während Catharinas nur um wenige Wochen älterer Sohn Adam ein stillerer, aber verlässlicher und wortgewandter Bursche war, der am liebsten zwischen den Büchern seines Vaters spielte, zog es Caspar bereits zu kleinen Streifzügen in die Gärten hinaus. Einmal war das Kind sogar bis an die Ufer der Schlei vorgestoßen. Melissa, die Adam und Caspar oft beaufsichtigte, hatte ihre liebe Mühe, seine waghalsige Abenteuerlust zu bändigen.
    Sophie schüttelte den Kopf. Caspars Temperament, so dachte sie, ließ das Erbe seines Vaters aufblitzen, den sie sich in dessen Kindheit oft als heißblütigen, aber gutherzigen Draufgänger vorstellte, bis ein schreckliches Erlebnis ihn in jenes dunkle Wesen verwandelt hatte, das am Herkulesbrunnen über sie hergefallen war. Wenn sie den Kleinen beobachtete, sah sie Verwandtes, Ähnliches – ein Zucken der Augenbrauen, ein Fuchteln mit den Armen, das klare Profil. Doch wenn sie in Caspars Augen blickte, spiegelte sich darin lediglich ihr Mutterglück.
    Weil sie Caspar liebte, bedingungslos und mit weitem Herzen, war ihre größte Sorge, dass Ritter Rantzau von dem Kind erfahren und den Sohn zu sich holen könnte. Seit der Geburt kannte sie nur einen Albtraum: Ein dunkel gekleideter Reiter erschien in einer Vollmondnacht am Bett des Kindes und riss es aus den Laken. Dann hörte sie Caspars Schreie, sein Rufen nach der Mutter, doch bevor sie ihm zur Hilfe eilen konnte, hatte der Ritter das Kind schon in seinen weiten Umhang gehüllt. Und während Rantzau mit einem höhnischen Lachen auf seinem Pferd davonstürmte, zerbrach ihr Lebensglück. Wieder.
    Die Träume wiederholten sich, mit kleinen Variationen. Meist wachte sie schreiend daraus auf und fand nicht mehr zurück in den Schlaf. Bis zum Morgen lag sie dann wach und grübelte über ihr Geheimnis.
    Nie hatte sie über Caspars Vater gesprochen. Und nie hatte sie jemand gedrängt, etwas über den Unbekannten preiszugeben. Olearius schwieg dazu, genauso wie seine Frau. Doch dass dieser blonde, helle und blauäugige Knabe nicht persischen Wurzeln entspringen konnte, war ihnen sofort klar gewesen. Und auch Farid hatte wohl nichts anderes gedacht, als er am Tag der Geburt verletzt davongestürmt war. Sophie hatte sich ihm nie erklären können. Wenige Tage später war er als Gärtnergeselle nach Husum aufgebrochen. Seitdem hatte sie nichts mehr von ihm gehört.
    Farid. Der Gedanken an den Freund ließ Sophie aufseufzen. Er fehlte ihr, sehr. Und bisweilen ertappte sie sich dabei, dass sie ihn in Gedanken an ihre Seite rief. Er war doch ihr Komplize, ihr Kamerad und Gefährte gewesen. Sie hatten so vieles geteilt, das Sophie nun allein bewältigen musste.
    Ja, sie war allein mit ihrem Wissen. Allein mit der Last der Erinnerungen und der Aufgabe, die Christian ihr hinterlassen hatte. Sophie hatte lange mit sich gerungen, ob sie den Mord an ihrem Vater und Bruder ungesühnt lassen könnte. Doch zuletzt hatte ihre Angst um Caspar über Christians Vermächtnis gesiegt. War es nicht besser, das Vergangene ruhen zu lassen und auf eine bessere Zukunft zu hoffen? Auf ein ruhigeres Leben in den Neuwerk-Gärten? Und so hatte sie den goldenen Sporn im Grab ihres Bruders auf dem Hügel über den Terrassen versteckt. Denn niemals wieder, so hatte sie sich geschworen, wollte sie um das Leben eines geliebten Menschen fürchten müssen.

ZWEI
    Die Zeit – wie ein alles

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