Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
hinunter auf den Schlosshof zeigte. Burschen, Knechte und Mägde liefen eilig über das Pflaster, an den Platz, den Gott und ihr Herr ihnen zugewiesen hatten. Rantzaus Blick blieb an den Fassaden der umliegenden Gebäude hängen. Endlich waren die Gerüste abgenommen, der Wiederaufbau war nach so vielen Jahren vollendet. Der Glanz des Rantzauschen Anwesens – die Burg erstrahlte in alter Pracht.
Und Neues käme hinzu. Nachdem es zu keinen weiteren Morden in Vollmondnächten gekommen war und das Volk glaubte, die Täter seien tot oder vor der ritterlichen Macht aus den Herzogtümern geflohen, war Christian Rantzau bejubelt worden. Der Herzog und die Kaufleute feierten den Sonderermittler für seinen Erfolg. Der Ochsenweg galt wieder als sicher und der Viehhandel hatte zu alter Blüte zurückgefunden. Zum Dank für seinen Einsatz hatte Herzog Friedrich III . dem Ritter angeboten, das Amt Barmstedt zu erwerben. Kanzler Kielmann hatte ihm das ehrenvolle Anliegen auf der Breitenburg unterbreitet und aus dem listigen, rotwangigen Kanzlergesicht war Rantzau die Zufriedenheit des Ränkeschmiedes entgegengesprungen.
»Ihr wisst, was das bedeutet?«, hallte Kielmanns dröhnender Bass in seiner Erinnerung wider. Und noch bevor Rantzau hatte nicken können, hatte dieser schon nachgesetzt: »Durch den Kauf und die Übertragung des Amtes steigt Ihr in den Reichsgrafenstand auf, Ritter Rantzau. Euer neuer Besitz wäre eine unmittelbare und freie Reichsgrafenschaft, und Euer neuer Name lautete Reichsgraf zu Rantzau, Herr auf Breitenburg und über mannigfache Güter in Holstein.«
Natürlich wäre der Erwerb des Amtes nicht günstig. Rund zweihunderttausend Speziestaler verlangte der Herzog – und auch der Kanzler, der sich seine Maklerrolle bei diesem Geschäft versilbern lassen wollte, hatte noch sein Sümmchen aufgeschlagen.
Doch wie gut wäre dieses Geld angelegt, dachte Rantzau, nämlich in Land und Leute, und wie gut stünde ihm der Besitz zu Gesicht. Mit dem Reichsgrafentitel, der ihn über alle Ritter des Landes erhob, könnten weitere Würden und Belehnungen, etwa von dänischer Seite, einhergehen. Vielleicht sogar die Belehnung mit Holstein-Glückstadt? Und vielleicht würde man ihn dann sogar an den dänischen Hof berufen und ihn mit einem Regierungsamt auszeichnen? Dazu noch ein Schloss – Schloss Rantzau –, von ihm erdacht und auf dem neu erworbenen Land erbaut?
Das waren ferne Träumereien, gewiss, aber sie waren nicht unerreichbar. Rantzau leckte sich über die Lippen. Die Versprechungen der Zukunft setzten einen Kontrapunkt zu den düsteren Träumen der Nacht und sie halfen ihm, trotz der nächtlichen Attacken durch den Tag zu kommen. Vielleicht, so dachte Rantzau bisweilen, hatte Gott ihren alten Pakt doch nicht vergessen. Und vielleicht lag dem Allmächtigen etwas an seinem treuen Diener Ritter Christian Rantzau.
Halbwegs getröstet stieg Rantzau hinab in die Halle, um den Tag mit einem Becher Wein zu beginnen.
Die Nachrichten waren gut. Am Morgen hatte ihn sein Kanzler über den Friedensschluss unterrichtet. Endlich endete der Kaiserliche Krieg, nach dreißig Jahren. Im westfälischen Münster hatten die Gesandten der europäischen Mächte einen ersten lang ersehnten Friedensvertrag für das verwüstete und ausgeblutete Europa unterzeichnet. Mehr als fünf Jahre hatten die hohen Herren und Diplomaten der Kriegsparteien verhandelt, jetzt sollten die Waffen ruhen. Den Protestanten galt der Friede als Fundament ihrer Libertät im Reich und als Quelle der Religionsfreiheit der Reichsstände.
»Eine neue Zeit bricht an.« Kanzler Kielmann, der den Herzog auf seinem Spaziergang durch die Neuwerk-Gärten begleitete, war stehen geblieben und beugte sich über ein stattliches Liliengewächs. » Lilium martagon «, murmelte Friedrich III . beiläufig den botanischen Namen der Pflanze, deren Blüte an einen Turban erinnerte. »Eine Türkenbundlilie. Meister Friedrichs hat sie für unseren Garten entdeckt, sie soll sogar in der sibirischen Taiga wachsen. Leider mögen die Rehe ihre Knospen, es ist ein ewiger Kampf.«
Kielmann nickte verständig, er schien die wissenschaftlichen Spielereien seines Herrn inzwischen tolerieren zu können. Unbeirrt fuhr er fort: »Der Westfälische Friede wird endgültig zunichte machen, wofür Euer Onkel König Christian IV . von Dänemark sein Leben lang gekämpft hat. Dänemarks Zenit als europäische Macht ist überschritten.«
»Dahin, dahin …« Herzog Friedrich beugte sich
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