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Der Sternenkavalier

Titel: Der Sternenkavalier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Branstner
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nicht die geringste Erinnerung daran übrigließ, daß an diesem Ort gute drei Dutzend Menschen gegessen hatten.
    Indessen war die Abenddämmerung hereingebrochen. Die Rosigen vergnügten sich noch kurze Zeit in einer Art Reigentanz, wonach sie sich einzeln, pärchenweise oder in kleinen Gruppen in den Wald zerstreuten, um sich dort zum Schlafe niederzulegen. Allerdings schienen sie es nicht sonderlich eilig damit zu haben, denn jetzt klang wieder der wundersame Gesang auf und war, sich in verschiedene Richtungen entfernend, noch lange zu hören.
    „Mir fallen die Augen zu“, bekannte As, „ich könnte auf der Stelle einschlafen.“
    Da weder Eto noch der Rosige etwas dagegen einzuwenden hatten, legte As sich tatsächlich auf der Stelle nieder. Und von dem noch immer aus dem Walde klingenden Schlaflied umschmeichelt, sank er in einen wohligen Schlummer.

Das historische Dilemma
      Eto und der Rosige hatten sich, dem guten Beispiele folgend, ebenfalls zum Schlafe niedergelegt, doch schienen sie dessen nicht in so reichlichem Maße bedürftig zu sein wie As, denn als er am Morgen aufwachte, saßen die beiden bereits beim Frühstück.
    As erhob sich und rief: „Das Leben lob’ ich mir! Allein die hier übliche Art zu schlafen beweist die Idealität des Lebens auf diesem Stern! Man legt sich, wo man geht oder steht, immer aber unter freiem Himmel, einfach nieder und gleitet, von einem lieblichen Gesang wie von dem zärtlichen Arm der Menschheit umschlungen, ins Reich der Träume hinüber. Und wacht man auf, lacht einem die Sonne ins Gesicht, und die Vögel zwitschern ihren lustigen Morgengruß. Man erhebt sich, atmet den würzigen Duft von Wald und Wiese, setzt sich an den leise plätschernden Bach und nimmt das erste Mahl des Tages ein. Wie unmenschlich erscheint dagegen der Schlaf innerhalb der toten Mauern eines Hauses, in der dunklen Einsamkeit des Schlafzimmers, in dem wie ein Sarg zugemessenen Geviert des Bettes. Und steht man auf, bleibt ein trauriger Haufen zerwühlter Laken und verknautschter Kissen und Decken zurück; wir atmen die verbrauchte Luft, werden, sobald wir uns von diesem Orte abwenden, von der Rechtwinkligkeit unserer Behausung zu unnatürlichen Gängen gezwungen, schlingen ein unter Inanspruchnahme einer hochtechnisierten Küche bereitetes Frühstück achtlos in uns hinein und stürzen aus dem Hause, um in der Rechtwinkligkeit eines anderen Hauses unser Tagwerk zu verrichten. Und wozu dieses Tagwerk? Um die Mittel zu einem noch zivilisierteren und also noch unnatürlicheren Leben zu produzieren.“
    Nach diesen historischen Worten und nachdem er sich am Bache gewaschen hatte, setzte As sich zu den beiden anderen und hieb die Zähne in eine der saftigen und wohlschmeckenden Früchte, die der Rosige ihm reichte. Währenddem stützte Eto, der bereits gesättigt war, das Kinn in die Hand und dachte über die Worte seines Assistenten nach; und endlich nahm er das Kinn aus der Hand und rief: „Ich habe ihn!“
    „Wen habt Ihr?“ fragte As.
    „Den Irrtum“, erklärte Eto. „Ich hatte von Anfang an das Gefühl, daß da etwas nicht stimmt. Das Leben auf diesem Stern beruht auf einem Irrtum, und endlich habe ich ihn erkannt.“
    „Das war ganz unnötig“, meinte As, „denn es ist ohne Belang. Lieber ein Leben, in dem der Mensch sich wohl befindet, selbst wenn es auf einem Irrtum beruht, als ein Leben, das stimmt, aber unangenehm ist.“
    „Das ist liederlich gedacht“, rügte Eto, „und leichtfertig dazu. Allein der Gedanke, daß da ein Irrtum waltet, stört mein Wohlbefinden und nimmt mir die innere Ruhe.“
    „Das ist die Tragik des akademischen Gemüts“, sagte As. „Mich stört der Gedanke von einem Irrtum nicht, solange mich der Irrtum selbst nicht stört; und bis jetzt hat er mich nicht gestört.“
    Indessen war der Rosige, ohne daß die beiden Geomanen es bemerkt hatten, immer unruhiger geworden.
    „Wenn unser Leben“, sagte er jetzt, „wirklich auf einem Irrtum beruht, so bitte ich euch, es uns zu sagen. Andernfalls wäre es auch um unsere Ruhe geschehen.“ „Selbstredend“, sagte Eto, „sollt ihr erfahren, welcher Irrtum eurer Art zu leben zugrunde liegt. Als mein Gefährte ein zerwühltes Bett hinter sich ließ, um in einem rechtwinkligen Haus die Mittel zu einem unnatürlichen Leben zu produzieren, stieß mir das Wort ,Mittel‘ auf. Und tatsächlich besteht der Irrtum in diesem Wort.“
    „Das ist ein guter Witz“, rief As, „oder vielmehr ein schlechter! Wie

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