Der stille Amerikaner
Fleck«, sagte Granger und sah sich mit einem Blick einfältigen Triumphs in der Runde seiner Kollegen um; gesenkten Hauptes machten die Franzosen ihre düsteren Notizen.
»Das ist mehr, als man über Korea sagen kann«, bemerkte ich, indem ich seine Worte mit Absicht mißverstand. Doch damit wies ich Granger nur eine neue Angriffsrichtung.
»Fragen Sie den Herrn Oberst«, sagte er, »was das französische Kommando als nächstes unternehmen wird. Er sagt, der Feind sei auf der Flucht über den Schwarzen Fluß …«
»Roten Fluß«, verbesserte ihn der Übersetzer.
»Ist mir gleichgültig, welche Farbe der Fluß hat. Was wir gerne hören möchten, ist, was die Franzosen jetzt zu tun gedenken.«
»Der Feind ist auf der Flucht.«
»Und was geschieht, wenn er auf das andere Ufer kommt? Was werden Sie dann tun? Werden Sie auf Ihrem Ufer sitzenbleiben und sagen: ›Das wäre erledigt‹« Die französischen Offiziere lauschten der tyrannischen Stimme in finsterer Geduld. Heutzutage verlangt man sogar Demut von einem Soldaten. »Werden Sie ihnen Weihnachtskarten abwerfen?«
Der Hauptmann übersetzte mit Sorgfalt, selbst bis hin zu dem Ausdruck »cartes de Noël « . Der Oberst schenkte uns ein frostiges Lächeln. »Weihnachtskarten nicht«, sagte er.
Ich glaube, daß die Jugend und die Schönheit des Obersten auf Granger besonders aufreizend wirkten. Der Oberst war – zumindest nach Grangers Auffassung – nicht der Männertyp, der sich in Männergesellschaft wohlfühlte. Granger sagte: »Sonst werfen Sie ja nicht viel ab.«
Plötzlich sprach der Oberst Englisch, gutes Englisch. Er erklärte: »Wenn das von den Amerikanern versprochene Kriegsmaterial eingetroffen wäre, könnten wir mehr abwerfen.« Trotz seiner Eleganz war er ein schlichter Mann. Er glaubte, daß einem Zeitungskorrespondenten die Ehre seines Vaterlands mehr bedeutete als eine interessante Nachricht. Scharf fragte Granger (er war tüchtig: er merkte sich Daten sehr gut): »Sie wollen also sagen, daß von dem für Anfang September in Aussicht gestellten Material noch nichts angekommen ist?«
»Nein, nichts ist angekommen.«
Jetzt hatte Granger seine Neuigkeit: Er begann zu schreiben.
»Entschuldigen Sie«, sagte der Oberst, »aber diese Äußerung ist nicht zur Veröffentlichung bestimmt, sondern bloß Hintergrundinformation.«
»Aber, Herr Oberst«, protestierte Granger. »Das ist doch etwas Neues. Da können wir Ihnen helfen.«
»Nein, das ist Sache der Diplomaten.«
»Was kann es schon schaden?«
Die französischen Berichterstatter waren in Verlegenheit: Sie sprachen sehr wenig Englisch. Der Oberst hatte die Regeln übertreten. Unter erregtem Gemurmel steckten sie die Köpfe zusammen.
»Das kann ich nicht beurteilen«, sagte der Oberst. »Vielleicht würden die amerikanischen Zeitungen sagen: ›Diese Franzosen beklagen sich in einem fort und betteln ständig.‹ Und in Paris würden die Kommunisten den Vorwurf erheben, daß die Franzosen ihr Blut für Amerika vergießen, und Amerika schickt ihnen nicht einmal einen gebrauchten Hubschrauber. Damit ist nichts getan. Am Ende würden wir noch immer keine Hubschrauber haben, und der Feind wäre noch immer da, fünfzig Meilen vor Hanoi.«
»Aber das eine kann ich wenigstens abdrucken – nicht wahr? –, daß Sie dringend Hubschrauber benötigen?«
»Sie können schreiben, daß wir vor sechs Monaten noch drei Hubschrauber hatten und jetzt einen«, sagte der Oberst. »Einen«, wiederholte er in einer Art staunender Verbitterung. »Sie können schreiben, daß ein Soldat, der in diesen Kämpfen verwundet wird, nicht schwer verwundet, sondern bloß verwundet, weiß, daß er wahrscheinlich ein toter Mann ist. Zwölf Stunden, vielleicht vierundzwanzig Stunden auf der Tragbahre bis zum Sanitätswagen, dann elende Karrenwege, eine Panne, möglicherweise ein Hinterhalt, Gangrân. Da ist es besser, man ist sofort tot.« Die französischen Berichterstatter beugten sich vor und versuchten, zu verstehen. »Das können Sie schreiben«, schloß der Oberst und sah dabei gerade wegen seiner körperlichen Schönheit nur noch bösartiger aus. »Interprétez«, befahl er, stapfte aus dem Zimmer und überließ dem Hauptmann die ungewohnte Aufgabe, aus dem Englischen ins Französische zu übersetzen.
»Den habe ich an seinem wunden Punkt getroffen«, sagte Granger voll Genugtuung und zog sich in einen Winkel an der Bar zurück, um dort sein Telegramm abzufassen. Das meine war bald geschrieben: Nichts, was ich
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