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Der stille Herr Genardy

Der stille Herr Genardy

Titel: Der stille Herr Genardy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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aufgesetzt, mit der man ungehorsamen Kindern klarmacht, daß man nicht einverstanden ist mit ihrem Tun. Natürlich entging ihm nicht, daß ich auf der letzten Stufe und damit direkt in der offenen Tür stand. Und er sah auch meinen Blick in Richtung Küche. Er dachte wohl, daß ich mehr gesehen hätte als den Fußboden. Diesmal lächelte er nicht. Er streckte mir mit einer Hand das Geld entgegen, deutete mit der anderen zur Küche hin.
    »Sechs Wochen Lieferzeit, das ist eine Zumutung, oder sind Sie anderer Meinung? Die Diele kann ich erst renovieren lassen, wenn die Küche aufgestellt ist. Sonst werden mir am Ende die Wände gleich wieder zerschlagen.« Irgendwie bewunderte ich ihn. Du hast auch auf alles eine Antwort. Mal sehen, was dir einfällt, wenn ich das nächste Mal komme, um mit dir zu reden.
    »Soll ich Ihnen eine Quittung geben?« fragte ich. Er winkte ab und fand sein Lächeln dabei wieder. Aber ich meinte, es wäre ein wenig spöttisch gewesen. Wenn er jetzt nur nicht auf die Haken schaute.
    »Ich denke, das können wir uns ersparen. Und ich hoffe nur, daß Sie morgen auf der Bank eine Gutschrift vorfinden. Wenn nicht, dann sagen Sie mir doch bitte sofort Bescheid.«
    »Das mache ich bestimmt«, sagte ich. Dann ging ich wieder hinunter, in einer Hand die Geldscheine. Zwei Fünfziger, der Rest in Zehnern und Zwanzigern. Ich hatte nicht einmal nachgezählt. Was verdient ein Hilfsarbeiter in einem Lager? In der anderen Faust den Schlüssel.
    Nachdem Nicole mittwochs zur Schule gegangen war, saß ich noch eine Viertelstunde lang in der Küche. Er war nicht da. Er war ganz bestimmt nicht da. Ich hatte gehört, wie er das Haus verließ, wie er die Garage öffnete, den Motor anließ, kurz nach fünf. Ich war auch nicht mehr eingeschlafen danach. Trotzdem ging ich über die Terrasse zur Garage, spähte durch das kleine, vom Schmutz fast blinde Fenster hinein. Dann erst ging ich hinauf. Und wenn er nun zurückkommt, Sigrid? Wenn er dich dabei erwischt, wie du in seinen Sachen schnüffelst? Er kommt nicht zurück. Er ist noch nie am Vormittag zurückgekommen. Woher willst du das so genau wissen? Du bist nur an einem Vormittag in der Woche daheim. Ich hatte Herzklopfen, als ich den Schlüssel einsteckte, umdrehte, als die Tür vor mir nach einem leichten Stoß aufschwang, so starkes Herzklopfen, daß mir die Fingerkuppen taub wurden davon. Und meine Zunge hob sich bei jedem Schlag ein wenig an, krampfte sich anschließend zusammen. Die Tür ließ ich weit offen, den Schlüssel ließ ich von außen stecken. – So ist es richtig, du Idiot, wenn er kommt, muß er dich nur einschließen, dann sitzt du fest. – Alles nur für den Notfall, ich würde den Wagen hören, wenn er tatsächlich kommen sollte. Er würde nicht kommen, er würde nicht. Und dann vergaß ich es. Daß in der Diele noch nichts getan worden, daß die Küche noch nicht eingerichtet war, wußte ich. Es war dennoch ein kleiner Schock, zu sehen, daß an den Küchenwänden noch der Platz jedes einzelnen Schrankes von Frau Humperts zu erkennen war. Ein paar winzige Fettspritzer dort, wo ihr Herd gestanden hatte. Und rund um den Lichtschalter herum ein dunkler Kranz von Fingerspuren. Der alte Stuhl mit dem geklebten Riß in der Sitzfläche stand unter einer Steckdose, auf dem Stuhl eine einsame Kochplatte. Und unter dem Wasserhahn ein Eimer. Der hat sich doch nicht wirklich eine neue Küche bestellt. Eine Einbauküche kostet ein paar Tausend, das kann er sich gar nicht leisten. 
    Er lügt, wie es ihm gerade in den Kram paßt. Er ist Hilfsarbeiter in einem Lager. Warum hat er seine Küche denn nicht mitgebracht? Neben dem Eimer stand ein wenig benutztes Geschirr auf dem Fußboden, eine Kaffeetasse, ein Teller, auf dem ein paar Besteckteile lagen. Daneben stand ein Karton mit Lebensmitteln, daneben ein weiterer, der war leer bis auf ein paar Messer, Löffel und Gabeln, die am Boden lagen. Es waren Kartons von der gleichen Art wie der, mit dem er am Montag der Vorwoche das Haus verlassen hatte. Ich erkannte die Aufschrift wieder. Aber die beiden hier schienen mir doch etwas größer. Neben dem mit den Besteckteilen standen zwei kleinere Töpfe und eine Pfanne auf dem Fußboden. Ich wußte nicht genau, womit ich gerechnet hatte. Vermutlich genau mit dem, was ich fand. Im Badezimmer nur ein Handtuch und ein benutztes Stück Seife. Kein Rasierapparat, kein Kamm auf der Ablage unter dem Spiegel. Und ein Schränkchen gab es nirgendwo. – Er ist wieder weg,

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