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Der stille Herr Genardy

Der stille Herr Genardy

Titel: Der stille Herr Genardy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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nicht.«
    »Na schön«, murmelte Günther noch einmal, fragte etwas lauter:
    »Was willst du dann?«
    »Ihm kündigen.« Günther grinste flüchtig.
    »Mit welcher Begründung? Stell dir das nicht so einfach vor.«
    »Einen Grund finde ich. Hast du am Mittwoch Zeit?«
    »Warum?« Weil ich den Schrank auseinandernehmen mußte, völlig auseinandernehmen und von der Wand abrücken. Wenn ich die Schlüssel im Schrank nirgendwo fand, dann lagen sie vielleicht dahinter. An manchen Stellen hatte sich die Rückwand gelöst. Und wenn sie auch nicht dahinter lagen, dann hatte ich einen mehr als triftigen Grund. Günther sah das wohl ebenso. Er begann zu nicken. Sekundenlang nickte er vor sich hin, als könne er gar nicht damit aufhören.
    »Na schön«, meinte er schließlich zum drittenmal,»dann erzähle ich dir jetzt mal was. Ich wollte es eigentlich für mich behalten, bis ich mehr darüber weiß. Ich dachte mir, mit deinem sechsten Sinn bekommst du es am Ende nur in die falsche Kehle. Aber daß er nicht im Telefonbuch steht, hast du inzwischen ja schon selbst rausgefunden. Er ist auch nicht bei der Post beschäftigt, ganz bestimmt nicht als höherer Beamter. Obwohl die Möglichkeit besteht, daß er mal bei dem Verein tätig war. Ich habe mit einem Herrn Wellmann gesprochen. Und ich hatte das Gefühl, daß der Name Josef Genardy bei ihm gewisse Aversionen auslöste.« Fabrikarbeiter! Als ich zu lachen begann, stutzte Günther, starrte mich im ersten Augenblick wütend an, holte dann von irgendwoher ein müdes Grinsen auf sein Gesicht.
    »Der Punkt geht an dich. Willst du wissen, wie ich darüber denke?« Ich nickte, und er fuhr fort.
    »Er war mal bei der Post und ist aus irgendeinem Grund gegangen worden. Und jetzt gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder er war nur Angestellter. Es ist ja nicht gleich jeder kleine Zusteller ein Beamter. Dann konnten sie ihn ohne weiteres für eine kleine Verfehlung auf die Straße setzen. Oder er war Beamter, als solcher war er unkündbar. Es sei denn, er hat sich etwas Gravierendes zuschulden kommen lassen. Da müßte es dann aber irgendwo etwas Schriftliches geben. Die Frage ist nur, ob ich da rankomme. Und das glaube ich nicht. Das wäre was für die Polizei.«
    »Und das nur, weil er nicht im Telefonbuch steht«, sagte ich leise. Günther zuckte einmal kurz mit den Achseln.
    »Als ich dich gestern anrief, wußtest du da schon, daß er nicht mehr bei der Post beschäftigt ist?« Jetzt schüttelte er den Kopf, gleichzeitig erklärte er:
    »Langsam, Sigrid. Nicht mehr, das ist eine reine Spekulation. Vielleicht war er nie dort beschäftigt. Mir kam die Reaktion von diesem Herrn Wellmann ein bißchen merkwürdig vor. Aber das beweist noch nichts. Tatsache ist lediglich, daß Herr Genardy ein bißchen geflunkert hat, als er nach seinem Beruf gefragt wurde. Vielleicht ist er nichts weiter als ein kleiner Hochstapler, der gerne Eindruck schindet. Ich meine, wenn ich mir so vorstelle, wie er hier gesessen hat, deiner Mutter gegenüber. Da hätte ich auch nicht gesagt, ich arbeite bei der Müllabfuhr. Aber was er beruflich macht, das kriege ich raus, ist gar kein Problem. Ich sage Dettov Bescheid, und der hängt sich mal an ihn ran. Und das mit deinem Schrank, das vergessen wir erst mal, ja? Selbst wenn du den Schlüssel morgen zwischen der Wäsche findest, du wirst nicht raufgehen. Versprichst du mir das?«
    »Nein«, sagte ich. Und daran hielt ich mich auch.
    Ich ging gleich am Dienstag abend hinauf, nachdem Nicole zu Bett gegangen war, natürlich ohne Schlüssel. Ich hatte mir gar nicht erst die Mühe gemacht, zwischen der Wäsche danach zu suchen. Ich wußte auch nicht genau, wozu es gut sein sollte, hinaufzugehen. Aber gehen mußte ich. Weil Günther mich mittags angerufen hatte. Weil ich von Günther Dinge erfahren hatte, die ich gar nicht alle auf einmal begreifen konnte. Darüber nachdenken konnte ich immer noch nicht. Aber da war das Gefühl: Geh rauf zu ihm, Sigrid. Du mußt zu ihm gehen. Du mußt etwas tun. Jetzt mußt du. Den halben Nachmittag hatte ich mir überlegt, welch einen Grund ich nennen konnte, wenn ich plötzlich vor seiner Tür stand. Einfach die Wahrheit? Guten Abend, Herr Genardy, entschuldigen Sie die Störung. Ich will Sie nicht lange aufhalten. Ich bin nur gekommen, um Ihnen zu sagen, daß Sie ausziehen müssen, gleich morgen. Da habe ich meinen freien Tag und kann Ihren Auszug überwachen. Vor allem kann ich sicherstellen, daß Sie nicht noch Duplikate von den

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