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Der stille Herr Genardy

Der stille Herr Genardy

Titel: Der stille Herr Genardy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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Türfüllung war aus Glas. Sie war zwar von außen vergittert, aber man konnte mit der Hand durchgreifen. Franz hatte gesagt:
    »Da muß nur einer das Glas zerbrechen, hineinfassen und den Schlüssel drehen, dann ist er auch schon im Haus. Aber wenn der Schlüssel nicht steckt, hat er sich umsonst bemüht.« Dann ging ich endlich in den Keller und füllte die Waschmaschine. Blieb gleich unten, wusch mich, putzte mir die Zähne. Es war immer noch ein beklemmendes Gefühl. Die Tür der Waschküche ließ sich nicht abschließen, es gab keinen Schlüssel mehr dazu. Den hatte Nicole vor drei Jahren aus dem Schloß gezogen und verschwinden lassen. Ich hatte danach gesucht und nichts gefunden, und es war damals nicht so wichtig gewesen. Frau Humperts war abends nie in den Keller gekommen. Die hatte tagsüber Zeit genug, sich um ihre Wäsche zu kümmern. Oft genug auch um meine. Und Herr Genardy, sagte ich mir dann, hatte im Keller gar nichts verloren. Er wußte das und würde nicht herunterkommen. Er war ein höflicher Mensch mit guten Manieren. Außerdem war er gar nicht im Haus. Ich hatte ihn doch mit eigenen Augen hinausgehen sehen. Aber er war dagewesen! Was hatte er denn gemacht die ganze Zeit, im Dunkeln und mit der offenen Tür? Ich hätte doch seine Schritte hören müssen, zumindest, als er zur Tür kam. Ich war doch nicht taub. Ich zerbrach mir den Kopf über das Geräusch, das ich gehört hatte. Als ob jemand von einem Stuhl aufsteht. Im Geist sah ich ihn neben dem Türspalt sitzen, Stunde um Stunde hinunterhorchen. Es war Blödsinn, das wußte ich, aber ich kam nicht dagegen an und versuchte, mich abzulenken. Ich blieb unten, bis die Waschmaschine fertig war. Verteilte die Sachen noch schnell auf dem kleinen Trockengestell. Ich vermißte das Handtuch, das Nicole sonntags mit ins Hallenbad genommen hatte. Sie hatte anscheinend vergessen, es aus der Badetasche zu nehmen. Ihr Bikini war auch nicht da. Manchmal war sie noch ein bißchen schlampig mit ihren Sachen. Ich hatte keine Lust, jetzt noch in ihrem Zimmer nach der Tasche zu suchen. Ich würde sie nur aufwecken. Er hatte keine Jacke getragen, als er aus dem Haus ging. Auch keine Tasche bei sich gehabt, nur den Schlüsselbund in der Hand. Günther trug immer eine kleine schwarze Tasche bei sich, in der er die Wagenpapiere, seine Geldbörse und verschiedenen Kleinkram aufbewahrte. Es war elf vorbei, als ich wieder hinaufging. Aus alter Gewohnheit drückte ich die Klinke an der Haustür. Abgeschlossen, natürlich abgeschlossen, hatte ich doch selbst getan. Dachte ich etwa, er wäre zurückgekommen, hätte sich heimlich wieder eingeschlichen? Natürlich nicht! Das alte Auto vor dem Haus war nicht mehr da. Natürlich nicht, ich hatte ihn doch wegfahren hören. Er war jetzt auf dem Weg zum Haus seines Sohnes, das einmal sein Haus gewesen war. Vielleicht war er schon angekommen. Als ich mich hinlegte, war ich hundemüde. Als ich mich zudeckte, war ich hellwach. Mit einemmal war es mir unangenehm, daß ich kein Nachthemd trug. Seit Franz tot war, trug ich keine mehr. Ich schlief oft so unruhig, dann schob sich der Stoff in Falten, und überall störte etwas. Mein Morgenrock hing wie immer griffbereit über dem Sessel neben der Couch. Ich konnte nicht einschlafen, kam einfach nicht zur Ruhe. In meinem Kopf ging alles durcheinander. Kultiviert, den Ausdruck hatte meine Mutter benutzt. Ein kultivierter Mensch setzt sich nicht im Dunkeln auf einen Stuhl neben die offene Tür und horcht, was im Haus vorgeht. Ich war noch immer nicht auf dem Friedhof gewesen. Ich hätte auch nicht hingehen können, nicht an so einem Tag. Nicht nach dem Gespräch mit Hedwig, wo ich plötzlich denken mußte, es sei vielleicht besser, daß er da lag. Besser für ihn, weil er doch nie bekommen hatte, was er sich wünschte, immer nur einen Ersatz, mich. Weil er sich vielleicht auf Dauer damit nicht hätte begnügen können. Und wo lag Hedwigs Tochter jetzt? Ein Donnerstag-Höschen. Ihr Anorak im Flur. Den hat sie nicht angezogen. Sie kann nicht vorgehabt haben, weit vom Haus wegzugehen… Vielleicht hatte Herr Genardy seine Jacke im Wagen gelassen, als sie von der Eisdiele zurückkamen. Oder mein plötzliches Erscheinen auf der Treppe hatte ihn daran gehindert, sie noch zu holen. Ich hätte ja bis ganz nach oben kommen, ich hätte ein paar dumme Fragen stellen können. Ich hatte nicht einmal das Bedürfnis, die Augen zu schließen, die wanderten immer wieder zur Uhr hinüber. Fast schon halb

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