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Der stille Herr Genardy

Der stille Herr Genardy

Titel: Der stille Herr Genardy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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schönen Abend. Ein Schränkchen, ein Sessel und ein paar Kartons. Oben war es so still wie am Abend zuvor. Kein einziger Schritt, kein Ton von einem Fernseher, nicht einmal ging die Wasserspülung der Toilette. Aber Herr Genardy war da. Nicole hatte ihn in der Diele getroffen. Sie war angeblich nur ein paar Minuten vor mir heimgekommen.
    »Da kam er gerade die Treppe herunter. Wir haben uns ein bißchen unterhalten. Er hat mich gefragt, ob du immer so spät nach Hause kommst.« Sie saß vor dem Fernseher, als ich hereinkam. Auf dem Tisch lag eins von ihren Schulheften.
    »Unterschreibst du mir die Mathearbeit?« fragte sie, nachdem sie ihren kurzen Bericht beendet hatte, und starrte dabei wieder auf den Bildschirm. Sie war irgendwie komisch. Vielleicht eine schlechte Note, dachte ich. Aber das war es nicht. Unter der Rechenarbeit stand ein fettes rotes Sehr gut und daneben am Rand zum Ansporn:
    »weiter so, Nicole«. Ich setzte meinen Namen darunter, obwohl es eigentlich nicht nötig war. Aber Nicole bestand darauf; die Lehrerin hätte gesagt, die Eltern müßten immer unterschreiben, sonst wüßte man ja nicht, ob sie es gesehen hätten. Nachdem ich das Heft wieder zugeklappt hatte, lobte ich sie für die gute Note. Es perlte von ihr ab wie Regenwasser von einer Ölhaut. Immer noch so muffelig schaltete sie den Fernseher aus und ging mit mir in die Küche. •• Zweimal stellte ich fest:
    »Du hast doch irgendwas?« Aber erst kurz bevor sie ins Bett ging, rückte sie damit heraus. Sie war doch ein bißchen früher nach Hause gekommen als zuerst behauptet.
    »Aber nicht viel, Mama, ehrlich nicht, vielleicht eine Viertelstunde.« Und sie hatte Herrn Genardy noch ein zweites Mal in der Diele getroffen, als sie mit einem Paket Milch aus dem Keller zurückkam. Auch da war er gerade die Treppe heruntergekommen. Er hatte sie gefragt, welche Sendung sie sich da anschaue, und gesagt, das sei aber keine Sendung für Kinder. Und es sei gar nicht gut, wenn Kinder zu viel fernsehen. Und ob die Mama davon wüßte.
    »Bei Frau Humperts durfte ich die Aktuelle Stunde auch immer sehen. Frau Humperts hat gesagt, Kinder sollen ruhig mal einen Blick in die Nachrichten werfen, da wissen sie wenigstens, was in der Welt vorgeht. Er darf mir das doch nicht verbieten, Mama, oder? Ich meine, er hat mir doch gar nichts zu sagen, du bestimmst doch, was ich darf, oder?«
    »Richtig«, antwortete ich,»das bestimme ich. Und solange du dir merkst, daß ich es bestimme, ist alles in Ordnung.« Sie schaute mich an, als habe sie das nicht ganz verstanden. Aber ich sah an dem leichten Aufblitzen in ihren Augen, daß sie es sehr wohl verstanden hatte. Ich war in dem Moment sehr stolz auf sie, vielleicht auch ein bißchen amüsiert. Ja, lieber Herr Genardy, es ist nicht so einfach mit meiner Tochter. Sie weiß genau, was sie will. Sie läßt sich längst nicht von jedem Vorschriften machen. Ich fürchte fast, Sie haben bei ihr bereits ausgespielt. Zumindest haben Sie sich einmal im Ton vergriffen. Und das wird sie Ihnen nicht so rasch verzeihen, lieber Herr Genardy. Und er war nicht der einzige gewesen, der an diesem Tag versucht hatte, ihr Vorschriften zu machen und deshalb bereits ausgespielt hatte. Anke hatte verlangt, sie solle ein bißchen länger bleiben, um mit Mara zu spielen, weil Anke zusammen mit Mutter in die Stadt gehen wollte.
    »Ich bin aber da nicht das Kindermädchen«, maulte Nicole.
    »Das kannst du ihr ruhig sagen. Denise hat die ganze Zeit auf mich gewartet. Dabei hatte ich ihr versprochen, ihr bei dem Aufsatz zu helfen.« Nicoles schlechte Laune war damit erklärt, der Rest nicht. Immer wieder ertappte ich mich dabei, daß ich zur Decke hinaufschaute, und immer bekam ich eine Gänsehaut. Ich fand das nicht normal, mit einem Menschen unter einem Dach zu leben und keinen Muckser von ihm zu hören. Eigentlich hatte ich noch zu Anke gehen wollen, nachdem Nicole im Bett war. Noch einmal mit ihr über ihr Angebot reden, vor allem sicherstellen, daß Mutter nicht dazwischenfunkte. Und auch ein bißchen gutes Wetter für Nicole machen. Statt dessen saß ich den ganzen Abend nur da und horchte mit einem Ohr nach oben. Als ich mich kurz vor elf hinlegte, stand das Auto immer noch vor dem Haus.
    Dann kam der Mittwoch. Ich hatte meinen freien Tag, stand um halb sieben mit Nicole auf. Als ich den Rolladen hochzog, war das Auto weg. Ich hatte nichts von Herrn Genardy gesehen oder gehört. Er mußte sehr früh aus dem Haus gegangen und

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