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Der stille Herr Genardy

Der stille Herr Genardy

Titel: Der stille Herr Genardy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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und stillen Mann, der nicht über meinem Kopf herumtrampelte, der spät abends keine laute Musik hörte. Der bereit war, hundertfünfzig Mark mehr zu zahlen als Frau Humperts. An dem mich im ersten Augenblick nur der braune Anzug und die Manschettenknöpfe gestört hatten, weil sie mich an Franz erinnerten. Und seitdem war ich Franz nicht mehr losgeworden. Ich hatte in den vergangenen sechs Jahren fast täglich an ihn gedacht. Ich hatte ihn oft um Hilfe oder einen guten Rat gebeten. Ich hatte ihn in den vergangenen sechs Jahren als das gesehen, was er sich so sehr bemüht hatte zu sein. Ein treusorgender Ehemann, fleißig und sparsam, praktisch und geduldig, und ein liebevoller, wenn auch manchmal etwas ungeschickter Vater. Natürlich hatte ich auch in den vergangenen Jahren gewußt, daß Franz ständig gegen seine unselige Veranlagung hatte ankämpfen müssen. Aber ich hatte auch gewußt, daß er seine Kämpfe mit sich allein austrug. Und daß er sie gewann. Ich hatte ganz sicher gewußt, daß seine Veranlagung keine Bedrohung für uns gewesen war. Erst jetzt kam es mir so vor, als hinge sie wie ein dicker Stein über unseren Köpfen. Und ich hatte das Gefühl, daß ich mich samstags morgens einfach wie einen Regenschirm im Zugabteil vergaß und ausstieg, lange bevor der Zug Köln erreichte. Dann bummelte ich herum. Hundertfünfzig Mark in der Tasche, um für Nicole ein Pferd zu kaufen. Damit sie mir gehorchte, damit es mir nicht eines Tages so erging wie Hedwig. Erwürgt und mißbraucht oder andersherum.
    »Sie will immer irgendwas«, hatte Hedwig gesagt.
    »Ist ja auch kein Wunder, sie sieht jeden Tag, was andere haben. Du mußt dich mal auf dem Schulhof umsehen, das ist die reinste Modenschau. Ich frage mich immer, ob die Leute allesamt verrückt sind oder warum sie es ihren Kindern sonst hinten und vorne beistecken. Da laufen Achtjährige mit einer neuen Armbanduhr herum, den Walkman am Gürtel. Ich kann das jedenfalls nicht.« Aber man mußte es, ob man konnte oder nicht. Man mußte den Kindern etwas bieten, dann wurden sie sanft und gefügig. Dann konnte man mit ihnen tun, was man mit ihnen tun wollte. Daran dachte ich, als ich herumbummelte, um ein Pferd zu kaufen. Nicole war auch freitags bereits daheim gewesen, als ich kam. Hatte auf ihrem Bett gesessen und wieder über die verschlossene Wohnzimmertür gemeckert. Und nicht nur darüber. Als sie aufzuzählen begann, schien ihr ganzer Tag ein Fiasko gewesen zu sein. Fürs Schwimmen am Vormittag hatte sie nur eine Vier bekommen. Es war natürlich meine Schuld, nur wegen mir war sie donnerstags so spät eingeschlafen. Die Lehrerin hatte gesagt:
    »Du schwimmst ja heute wie eine Bleiente. Ich glaube, du hast gestern abend zu lange vor dem Fernseher gesessen.« Mittags hatte Anke gesagt:
    »Du kannst Mama ausrichten, daß wir morgen nach Köln fahren, um Einkäufe zu machen. Du kommst natürlich mit. Frag Mama, ob du was brauchst. In Köln hat man mehr Auswahl.« Und nach den Schularbeiten hatte meine Mutter verlangt, daß Nicole ihren Ranzen heimbrachte und ihn nicht erst mit zu den Kollings schleppte. Mutter bestand darauf, sie zu begleiten, um sicherzustellen, daß sie auch gehorchte. Bei der Gelegenheit wollte Mutter dann gleich einmal nach dem Rechten sehen. Und dann stand Mutter vor der verschlossenen Wohnzimmertür.
    »Und dann hat sie die ganze Zeit mit mir geschimpft, weil du die Tür abgeschlossen hast. Sie wollte sich einen Kaffee machen und konnte nicht in die Küche. Und dann hat sie sich bei mir aufs Bett gesetzt. Und dann hat sie gesagt, mein Zimmer wäre ein Schweinestall, und ich müßte erst alles aufräumen, bevor ich zu Denise gehen kann. Hier war gar nichts durcheinander. Es lag nur ein Buch auf dem Boden. Da hat sie den Schrank aufgemacht. Und dann mußte ich den Schrank aufräumen. Das hat so lange gedauert. Wenn Herr Genardy nicht gekommen wäre, hätte sie mich bestimmt gar nicht mehr weggehen lassen. Herr Genardy hat gesagt, man darf nicht so streng sein mit Kindern. Und Oma hat gesagt, wenn sie hier nicht für Ordnung sorgt, dann gibt es hier keine. Dann hat sie wieder wegen der Tür geschimpft. Sie würde ihm gerne einen Kaffee anbieten, hat sie gesagt, aber du wärst so ein komischer Mensch. Und morgen fahre ich nicht mit nach Köln. Oma fährt nämlich auch mit.« Ein komischer Mensch! Ja, wahrscheinlich war ich das. Ich war ja auch immer ein unmögliches Kind gewesen. Ich hatte Nicole in aller Herrgottsfrühe zu den Kollings

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