Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war
seine Leiche sehen zu dürfen. Und da habe ich herausgefunden, dass etwas nicht stimmte. Ich habe festgestellt, dass seine Lesetafel verschwunden war«, sagte Ursula und blickte Macy direkt in die Augen. »In diesem Moment wusste ich, dass jemand ihn umgebracht hatte. Sie haben ihn umgebracht und seine Lesetafel an sich genommen.«
Macy wartete vornübergebeugt in ihrem schweren Pelzmantel und spielte mit ihrem Kognakglas voll Brandy. Sie spürte die Kälte des Eistisches auf ihren Handrücken und die Hitze des Blutes, das ihr ins Gesicht gestiegen war. Sie hatte das Gefühl, als hätte sie irgendeine Grenze überschritten.
»Es gibt mindestens drei verschiedene Möglichkeiten, wie ihn jemand umgebracht haben kann«, sagte Ursula. »Jemand könnte seinen Kältesarg sabotiert, ihm bestimmte Drogen gespritzt oder ihn mit Absicht einer scheiternden neuronalen Therapie unterzogen haben, die ähnliche Schäden verursacht wie CNE … Nun, die Einzelheiten spielen im Augenblick keine Rolle. Es kommt nur darauf an, dass Manny ermordet und seine Lesetafel gestohlen wurde.«
»Wissen Mr. Ifrahim und Mr. Twain, dass das Gerät verschwunden ist?«
Ursula nickte. »Und wenn Sie ihnen sagen, dass ich Ihnen davon erzählt habe, werden sie wissen, dass Sie tatsächlich mit mir gesprochen haben. Dass Sie getan haben, worum sie Sie gebeten haben.«
»Ich sollte Sie wohl fragen, was Sie in der ganzen Angelegenheit unternehmen wollen.«
»Würden Sie Ihren beiden Freunden davon erzählen, wenn ich es täte?«
»Wenn Sie es mir sagen, sicher. Warum nicht? Sie erzählen mir schließlich nur Dinge, die die beiden hören sollen, oder nicht?«
Ursula betrachtete Macy einen Moment lang, und ein kleines Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, das sogleich wieder verschwand. »Ich glaube, die haben Sie unterschätzt.«
»Darauf baue ich.«
»Sie mögen mich für verrückt halten. Sie glauben vielleicht, dass ich mir eine paranoide Wahnvorstellung zurechtgebastelt habe, weil ich nicht akzeptieren kann, dass Mannys Tod ein tragischer Unfall gewesen ist. Ich würde es Ihnen nicht zum Vorwurf machen. Ich gebe zu, dass ich damals nicht sehr vernünftig gehandelt habe. Ich habe bestimmt keinen besonders guten Eindruck hinterlassen, als ich diese Besprechung gestört und meiner Verzweiflung Luft gemacht habe. Aber jetzt bin ich vernünftig und vollkommen ruhig. Und ich weiß, was ich weiß. Ein großer Teil meiner Arbeit besteht darin, Stellen ausfindig zu machen, an denen aus der Interaktion zwischen zwei oder mehr ökologischen Parametern bestimmte Phänomene entstehen können. Mit anderen Worten, es gehört zu meinen Spezialitäten, Muster zu entdecken, bevor sie sich gänzlich herausgebildet haben. Wenn Sie also denken, ich würde eine Verschwörung sehen, wo keine existiert, lassen Sie mich Ihnen versichern, dass sie so echt ist wie dieses Glas hier«, sagte Ursula, leerte ihren
Brandy in einem Zug und stellte das Glas wieder auf dem schwarzen Eisklotz ab. Dann lehnte sie sich zurück und musterte Macy mit leuchtenden Augen. »Maximilian Peixoto hat viel dazu beigetragen, dass dieses Projekt ein Erfolg wird, und er ist wenige Tage vor unserer Ankunft hier gestorben. Unser wichtigster Befürworter in der Europäischen Union, Val-Jean Couperin, ist ebenfalls tot. Und nun Manny … Sie hätten natürlich uns alle umbringen können. Indem sie zum Beispiel das Schiff in die Luft gesprengt hätten, das uns hierhergebracht hat, oder das Shuttle, mit dem wir zum Schiff geflogen sind. Aber das wäre zu offensichtlich gewesen. Massenmord. Das hätte umfangreiche Ermittlungen nach sich gezogen, und dabei wäre vielleicht die Identität derjenigen ans Tageslicht gekommen, die hinter dem Ganzen stecken. Und im Moment wollen die Feinde des Bündnisses zwischen Großbrasilien und den Kolonien der Außenweltler noch im Verborgenen bleiben. Sie sind noch nicht bereit, ihre Identität zu enthüllen, weil das einer Kriegserklärung gleichkommen würde. Und sie verfügen noch nicht über die Mittel, um einen Krieg zu führen.«
Eine tiefe, säuselnde Stimme sagte: »Es wird keinen Krieg geben.«
Macy zuckte zusammen. Es war die in Pelz gekleidete, fuchsgesichtige Gestalt, die gesprochen hatte. Ihr wurde klar, dass die Person mit der Maske durch einen Stimmverzerrer an ihrem Hals gesprochen haben musste, aber der Effekt war dennoch unheimlich.
»Es wird keinen Krieg geben, wenn wir es verhindern können«, sagte Ursula.
Es herrschte Stille, und als klar
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