Der stille Ozean
»Das dürfte niemand von mir wissen«, dachte er sich. Gleich darauf war er eingeschlafen. Das Morgenlicht kam ihm wie ein Schutz vor. Der Hahn des Nachbarn krähte, und eine Maschine lief mit gleichmäßig dumpfem Geräusch, sonst war es still. Das Hemd, das über einer Sessellehne hing, war so kalt, daß es ihm beim Anziehen weh tat. Als er vor der Haustür stehen blieb und zwischen den Obstbäumen hinunter in den Graben blickte, schien es ihm, als habe er unendlich viel Zeit. Er ging die Straße hinauf und begegnete noch vor der großen Biegung dem Opel Zeiners, in den er einstieg.
Der braun und grau gefleckte Jagdhund kauerte zu seinen Füßen vor dem Autositz. Zeiner war müde, seine Augen waren entzündet, und auf der Bank im Fond lagen zwei Gewehre.
»Sind Sie schon wach?« hatte er gefragt, ohne eine Antwort zu erwarten. Er schaltete den Scheibenwischer ein, da die Fenster angelaufen waren. Sie fuhren in einen von Arbeitsgebäuden umgebenen Hof, in dem ein alter Mann auf sie wartete. Er trug einen grünen Jägeranzug, eine Schrotflinte, einen dicken Patronengurt um den Bauch und hatte einen Hut aufgesetzt. Seine Lippen waren blau und sein Atem ging asthmatisch. Ascher überließ ihm den Vordersitz und hockte sich in den Fond. Er spürte jetzt die Gewehre in seinem Rücken, und der Alte legte ihm die Schrotflinte und den Patronengurt auf den Schoß. Ascher hatte nichts dagegen, die Flinte zu halten. Sein eigenes Gewehr lag noch immer auf dem Dachboden. Er nahm sich vor, es wegzuräumen, auch die Hacke würde er verstecken. Wenn aber Golobitsch sie suchte? Was würde er ihm sagen? Nein, es war besser, die Hacke liegen zu lassen, wo sie war. Aber das Gewehr würde er in Reichweite seines Betteinsatzes verstecken. Während er bei seinem Gewehr immer daran dachte, wie er es wegräumen konnte, bemerkte er, daß er das Gewehr des Alten gerne hielt.
Das Auto polterte bergab, und der alte Mann sagte, daß der Kaufmann von Saggau ihn mit dem Lieferwagen zum Waldrand fahren würde, dort würde er auf die Treiber warten. Wenn die Treiber vorbeigezogen seien, würde ihn der Kaufmann zum nächsten Trieb bringen. Im Tal fuhren sie an den niederen Häusern und verstreuten Stadeln mit politischen Plakaten vorbei. Ascher fiel ein, daß am nächsten Sonntag Wahl sein würde. Er sagte nichts, auch die Männer schwiegen. Dann erreichten sie in der Mulde hinter einer bemalten Kapelle ein langgestrecktes Bauernhaus. Zeiner blieb stehen und begann – aus dem Wagen steigend – eine Unterhaltung mit den zwischen Kürbishaufen wartenden Jägern. Ascher reichte indessen von hinten die Waffen hinaus und quetschte sich aus dem Fond. Vor ihm war auf der Kapelle die Figur des Heiligen Florian gemalt, der aus einem hölzernen Kübel Wasser über ein brennendes Haus schüttete. Er ging hinter Zeiner und erhielt, kaum, daß sie sich zu den Jägern gesellt hatten, ein mit Schnaps gefülltes Glas in die Hand gedrückt, aus dem er einen Schluck trank, bevor er es weiterreichte. Die Vorsteherhunde der Jäger japsten, scharrten im Gras, zerrten an der Leine, wedelten mit den Schwanzstummeln. Wieder fielen ihm die dicken Patronengurte auf, die um die Bäuche der Jäger hingen. Dieses Mal waren es mehr als bei der letzten Jagd, vielleicht fünfzig oder sechzig. Die Gewehre trugen sie mit den Läufen nach oben um die linke Schulter, sie rauchten Zigaretten und unterhielten sich. Der Jagdleiter selbst ging von einer Gruppe zur anderen und begrüßte die Neuankommenden mit einem Händedruck, während der alte Bauer, ein großer, grauhaariger Mann in hölzernen Pantoffeln, vor der Haustür stand und mit unbeweglichem Gesicht in den Hof blickte. Manchmal grüßte ihn einer der Jäger, dann, bemerkte Ascher, trat er einen winzigen Schritt in den Hausflur zurück, wo zwei Kinder sich versteckten. Haustauben saßen auf den Dächern und gurrten. »Haben Sie kein Gewehr?« fragte ihn ein großer, dicklicher Mann mit einem Spaniel. »Ich will nur zusehen.« Plötzlich hatte Ascher den Eindruck, daß der Mann feindselig war. Sicher lag es daran, daß er weder wie ein Jäger gekleidet war noch ein Gewehr trug. Der Mann ging jetzt langsam zum Jagdleiter und sprach mit ihm. Der Jagdleiter schaute zu ihm herüber, während der Mann mit ihm sprach, sagte aber nichts.
Zeiner hatte sich zu den Treibern gesellt, die die Hunde an der Leine hielten, und während die übrigen Jäger auf den naheliegenden Wald zugingen, um ihn zu umstellen, blieb Ascher mit dem
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