Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der stille Sammler

Der stille Sammler

Titel: Der stille Sammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Becky Masterman
Vom Netzwerk:
unternahm zwar Annäherungsversuche, doch er stieß weder Drohungen aus, noch wurde er in irgendeiner Weise grob.
    »Zu offensichtlich«, sagte ich. »Lass ihn ziehen.«
    Jessica bat den Mann, sie am Straßenrand abzusetzen. Er wurde nicht langsamer. Ich spürte, wie der Nerv an meinem Hals zuckte. Uns allen im Van stockte der Atem. Dann bot der Kerl ihr ein Bier an.
    »Das darf ich nicht«, hörten wir sie sagen. »Ich bin erst vierzehn!«
    Wir hörten, wie der Wagen hielt, eine Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde und der Wagen dann seine Fahrt fortsetzte. Jessica gähnte laut.
    »Langweilen wir dich?«, fragte ich.
    »Nein. Ich werde gerade erst warm. Es ist eine warme Nacht, oder?«
    Keiner von uns antwortete, während wir uns fragten, ob es draußen wärmer war oder drinnen. Jessica hatte sich nicht so angehört, als erwarte sie eine Antwort, eher so, als redete sie zu sich selbst. »Es ist echt beruhigend, wenn man weiß, dass ihr da draußen seid, auch wenn ich alles unter Kontrolle habe. Fast so wie ein Stunt Double mit einem Sicherheitsgeschirr.« Sie ging eine Zeit lang weiter. »Ich glaube nicht, dass er sich hier draußen herumtreibt«, sagte sie schließlich.
    »Oh doch, er ist irgendwo«, entgegnete ich. »Hast du › Der weiße Hai ‹ gesehen?«
    Über die Funkverbindung hörten wir sie summen: »Na, na, na, na. Na-na-na-na-na …«
    Tony und Yves lachten erneut. »Was glaubst du eigentlich, wie jung ich bin, Coach?«, fragte Jessica.
    »Zumindest noch nicht trocken hinter den Ohren, Mädchen«, entgegnete ich, während ich mich streckte und überlegte, ob ich zurück ins Hotel fahren und einen kalten Scotch auf den schmerzenden Knubbel in meinem Rücken pressen sollte. »Wir sollten Schluss machen für heute Abend. Wenn es noch später wird, wird jeder misstrauisch wegen eines so jungen Mädchens, das sich mitten in der Nacht hier draußen im Nirgendwo herumtreibt.«
    »Kommt ihr mich einsammeln? Nein, warte – vielleicht kann ich noch einen Wagen anhalten und bis zum nächsten Truck Stop mitfahren, dann braucht ihr nicht den ganzen Weg herzukommen.«
    »Wir sammeln dich ein, kein Problem«, entschied ich und gab Tony einen Rippenstoß, um seine Aufmerksamkeit zu wecken. Er sah mich an, und ich bedeutete ihm, die Überwachungsausrüstung herunterzufahren.
    Bevor Tony den Knopf drücken konnte, der die Verbindung unterbrach, sagte Jessica über Funk: »Ein Wagen kommt. Eine Frau. Sie wird langsamer. Jede Wette, jetzt kriege ich die nächste Dosis Religion.«
    »Lass sie weiterfahren. Wir kommen dich holen.«
    Wir hörten, wie sich eine Wagentür öffnete, und Jessica flüsterte: »Sie hat Klima.«
    Wir waren müde, wir stocherten im Dunkeln, wir waren zerschlagen und ließen in unserer Wachsamkeit nach. Aber vielleicht reichen zehn Entschuldigungen nicht aus, um zu erklären, was als Nächstes geschah.
    Ich hob die Hand und winkte Tony zu, den Funk nicht abzuschalten. Dann sagte ich zu Jessica: »Du bist ganz schön starrköpfig. Also gut. Wenn du zurück beim Truck Stop bist, steigst du aus. Aber gehe ein bisschen weiter in Richtung Osten, aus dem Licht der Laternen, damit wir dich ungesehen einladen können.«
    »Zehn-vier, Coach«, im gleichen Flüsterton wie zuvor.
    »Over und aus.«
    Wir kicherten beide wegen des Cop-Slangs, und ich nahm meinen Kopfhörer herunter. Yves ließ den Motor an, und wir rumpelten von unserem Standplatz über den harten, unebenen Boden auf den Highway. Yves ließ sich Zeit beim Fahren – Jessica war mindestens zwanzig Meilen westlich von uns und würde eine Weile brauchen.
    Zehn Minuten später hatten wir den Truck Stop erreicht. Evan und Tony gingen in den Laden, um für den Rückweg zum Hotel noch mehr Junkfood zu kaufen. Sie kamen mit einer großen Plastiktüte heraus und fragten, ob ich ein paar Twizzler mit Himbeergeschmack wolle. Ich lehnte ab, nahm aber eine Coke. Yves tankte den Van voll. Man konnte ihm ansehen, dass er sich auf den Tag freute, an dem das Volltanken von Vans nicht mehr Teil seines Jobs sein würde.
    Wir fuhren über den Parkplatz und an einem Dutzend Sattelschleppern vorbei, die in einer Reihe standen, alle dunkel. Die Fahrer schliefen entweder in ihren Kabinen oder waren zum Duschen, Essen oder E-Mail-Lesen im Truck Stop. In diesen Raststätten gab es Computer, die kostenlos benutzt werden konnten.
    Wir fanden eine freie Stelle auf dem Seitenstreifen unmittelbar vor der Zu- und Abfahrtsrampe. Yves schaltete eine kleine Taschenlampe ein

Weitere Kostenlose Bücher