Der Stolz der Flotte
ich meinen Bootsführer als Geisel an Land gelassen. Sie haben weit mehr als unser aller Leben aufs Spiel gesetzt, und es tut mir nur leid, daß Sie selbst nicht lange genug leben werden, um zu sehen, was Sie angerichtet haben.«
Die Tür wurde aufgerissen, und Gates trat in die Kajüte, die Hände an den Hüften. »Alles klar, Gentlemen?« Er lächelte höhnisch.
Bolitho sah ihn fest an, seine Kehle war staubtrocken; in der stickigen Kajüte war es auf einmal totenstill.
»Danke, ja.« Ohne Brice anzusehen, sprach er gleichmütig weiter.
»Ihr Kommandant ist damit einverstanden, sich als unter Arrest stehend zu betrachten und meine weiteren Befehle abzuwarten. Wenn Sie die Offiziere des Schiffes sofort freilassen…«
Gates starrte ihn an. »Was haben Sie da gesagt?«
Bolitho spannte sich in der Erwartung, daß Brice ihn lauthals beschimpfen und die sofortige Zurücknahme dieser Forderung verlangen würde. Aber es kam nichts, und als er den Kopf wandte, sah er, daß Brice auf die Planken starrte, reglos, wie betäubt.
Steuermannsmaat Taylor drängte sich durch die anderen und rief wild: »Hört ihr, Jungs? Was hab’ ich euch gesagt?« Erleichtert starrte er Bolitho an. »Mein Gott, Käpt’n, das sollen Sie nie bereuen!«
Heiser rief Gates dazwischen: »Ihr Narren, ihr blinden, unwissenden Idioten!« Dann wandte er sich an Bolitho: »Nun sagen Sie ihnen schon, wie es weitergeht!«
Bolitho hielt seinem starren Blick stand. »Wie es weitergeht? Hier hat es ungesetzliche Befehlsverweigerung gegeben. Unter diesen Umständen glaube ich, daß das Urteil einigermaßen milde ausfallen wird. Allerdings –«, er sah die durch die Tür spähenden Matrosen bedeutsam an –, »völlig übersehen kann man euer Vergehen nicht.«
»Der Galgen übersieht nie jemanden, nicht wahr?« sagte Gates. Taylor war der erste, der die darauf plötzlich eintretende Stille brach. »Was haben wir für Chancen, Käpt’n?« Er straffte die Schultern. »So blind, wie manche Leute denken, sind wir auch wieder nicht. Wir wissen, daß wir ‘s verpatzt haben, aber wenn’s irgendwelche Hoffnung für uns gibt, dann…« Wieder blieb alles still, als seine Stimme verklang.
Ruhig und fest erwiderte Bolitho: »Ich werde mit Sir Charles Thelwall sprechen. Er ist ein menschlicher, großzü giger Offizier, dafür kann ich mich verbürgen. Er wird zweifellos so denken wie ich: was passiert ist, war schlimm genug, aber was hätte passieren können, ist noch viel schlimmer.« Er hob die Schultern. »Mehr kann ich nicht sagen.«
Garrtes starrte um sich. »Na, Jungs – seid ihr noch auf meiner Seite?«
Taylor wandte sich den Männern zu. »Wir werden uns besprechen. Aber ich bin dafür, daß wir Käpt’n Bolithos Ehrenwort annehmen.« Er rieb sich das Kinn. »Ich hab mein Leben lang hart gearbeitet, um so weit zu kommen, wie ich gekommen bin, und zweifellos ist das jetzt alles beim Teufel. Höchstwahrscheinlich werde ich die Katze schme cken müssen, aber es wäre nicht das erstemal. Lieber das als dieses Hundeleben. Und ich habe keine Lust, den Rest meiner Tage in Frankreich zu verbringen oder mich hier jedesmal zu verstecken, wenn ich ‘ne englische Uniform sehe.« Er wandte sich zur Tür.
»Mannschaftsbesprechung, Jungs!«
Einzeln gingen sie hinaus. Gates blickte ihnen nach und sagte dann kalt: »Falls sie auf Ihre leeren Ve rsprechungen eingehen, Captain Bolitho, dann will ich erst
sei
n
Geständnis hier schriftlich haben.« Er nickte zum Kommandanten hin.
Bolitho schüttelte den Kopf. »Sie können Ihre Aussage vor dem Kriegsgericht machen.«
»Ich?« lachte Gates. »Ich werde nicht an Bord sein, wenn diese Narren geschnappt werden.« Er drehte sich halb um und horchte auf das Stimmengemurmel. »Bin gleich wieder hier.« Damit ging er.
Brice atmete langsam aus. »Das war ja furchtbar. Und vielleicht glauben sie Ihnen doch nicht.«
»Wir können nur hoffen.« Bolitho setzte sich. »Und ich hoffe, Sie glauben mir auch. Das war keine leere Drohung, um die Männer zu täuschen.«
Verstohlen, damit Brice nicht merkte, wie unsicher er war, blickte er zur Tür. »Dieser Gates scheint ja eine ganze Menge zu wissen.«
»Er war mein Schreiber.« Brice schien in Gedanken versunken. »Ich erwischte ihn beim Schnapsstehlen und ließ ihn peitschen. Bei Gott, wenn ich den jemals in die Finger kriege…« Er sprach nicht zu Ende.
Die Kajütenlaternen begannen im Gleichtakt zu schwanken und kamen in einem spitzeren Winkel zur Ruhe. Die Brise hatte
Weitere Kostenlose Bücher