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Der Strandlaeufer

Der Strandlaeufer

Titel: Der Strandlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Boëtius
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Zitronengelb verschwindet mehr und mehr. Es wird besiegt, überrollt, trotz tapferer Gegenwehr. Die weiße Farbe ist bald überall, auch in den Haaren des Sohnes. Einige Stunden verbringt er damit, die Spuren der Schlacht zu beseitigen. Dann ruft er den Vater. Er zeigt ihm stolz ihr gemeinsames Werk. Und da passiert es. Völlig überraschend für den Sohn. Der Vater ist wütend. Eine stumme verbissene Wut. Die Wut eines Baumes kurz vor dem Gefälltwerden, die sich im Aufstöhnen und Splittern des Holzes löst.
    Später, als er wieder reden kann, wirft er dem Sohn vor, etwas aus egoistischen Gründen verändert zu haben. Einen Schrank vertrieben zu haben aus einer für den Vater bequemen Position. In den Trockenraum verbannt, den der Vater braucht. Obwohl man dort mühelos zweihundert Unterhosen aufhängen könnte, störe der Schrank. »Du denkst immer nur an dich«, sagt der Vater. Es dauert eine Weile, bis der von dieser Attacke völlig überraschte Sohn begriffen hat. Er ist wieder einmal Störenfried. So ist er schon zur Welt gekommen. Dass der Vater beim Streichen und beim Transport des Schrankes geholfen hat, zählt längst nicht mehr. Der Sohn hat den Frieden des Hauses gestört. Der Schrank mit der schwarzen Persianerjacke der Toten hat alles aus dem Gleichgewicht gebracht. Wie ein Erdbeben. Seit er im Trockenraum steht, sind überall Risse. Die Standuhr steht. Türen klemmen. Der Vater beschwert sich. Da beginnt der Sohn, seinerseits wütend zu werden. Erst ist es eine kleine, unansehnliche Wut. Nicht größer als eine Maus. Dann wächst sie, wuchert, quillt, und der Sohn beginnt zu schreien. Der Vater steht verstört vor ihm. Plötzlich spürt der Sohn den ganzen Hass, den ganzen Vernichtungswillen, der ihm entgegenschlägt. Ich vergaß dich, denkt er. Ich vergaß, wie du warst, wie du bist und wie du immer sein wirst. Was hat dich so klein gemacht? Bist du von Schuldgefühlen so klein gemacht? Aus welchen Niederlagen schöpfst du dein Misstrauen? Deinen ziellosen Hass? Ich glaube, du bist ein Ertappter, der sich nichts Wirkliches vorzuwerfen hat. Du bist ein Mitläufer. Das ist schlimmer als alles.
    Sie schreien sich eine Weile an. Laut und unhörbar zugleich. Vorwürfe, die gleich zerplatzen, nachdem sie sich vom schwachen Strohhalm einer Unterstellung gelöst haben. Dann geht der Vater die Treppe hinunter, ohne Licht zu machen. Er geht hinab in den finsteren Keller seiner Seele. Später hört er den Vater die Füße in einen kleinen Whirlpool stecken. Ein Sprudelbad aus dem Kaufhaus, Sonderangebot. Als seine Frau noch lebte, haben sie es gekauft, für die Durchblutung. Der Sohn sitzt auf seinem Zimmer und betrinkt sich. Auch er hat kein Licht gemacht. Die Dunkelheit im Haus trägt einen Persianer.
    Am Morgen packt er seine Sachen. Der Vater ist draußen. Hinter den Scheiben sieht er ihn vorbeihuschen, hin und her. Der Vater mäht den Rasen, all die Gänseblümchen, die er für den Sohn extra hat stehen lassen, werden geköpft. Alle Halme von der rasenden Guillotine vernichtet. Ein grünes Blutbad. Der Sohn geht mit seinen beiden Taschen hinaus.
    Schreiend ruft er in das brummende Motorengeräusch ein €›Auf Wiedersehen€‹, das er nicht meint, denn er will diesen Mann nicht wiedersehen. Der Vater nickt, fahl, faltig, gelb, voller Mordlust gegen den Rasen.
    Der Sohn geht. Die Sonne steht am Himmel. ܜber den Bäumen, den großen Kastanien voller grüner Morgensterne. Das Wartehäuschen dünstet Karbolineumdämpfe aus. Auf den braunen Profilbrettern steht in gelber Kreide €›Hitlers Geist ist erwacht/BRD hab acht/wir wollen kein viertes Reich/schlagt die Nazis windelweich€‹. Daneben in weißer ֖lfarbe: €›zwei geile boys erwarten euren Anruf.€‹ Die Nummer ist ausgekratzt. Dann steht da noch: €›Monika, Erika, Waltraud, ruft mal an. Zwei geile boys. Wer der zweite ist, wird nicht verraten. Euer Freund.€‹ Dann wieder eine ausgekratzte Nummer und ein weißes Herz.
    Die Sonne brennt vom Himmel. Jenseits der leeren Straße liegt das Ehrenmal, von einer mächtigen Rotbuche beschattet. Auf einem bemoosten Findling steht: €›Den Toten im Osten in ehrendem Gedenken.€‹ Dann die Jahreszahlen 1939 und 1945. Dazwischen ein Bindestrich. Auf einem zweiten Findling steht: €›Unseren gefallenen Helden des Weltkrieges€‹. Dann folgen neun Namen. Aber nur drei Nachnamen. Der Sohn fragt sich, welcher Krieg gemeint ist. Der erste oder der zweite? Es könnte auch schon fast der dritte sein.
    In

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