Der Strandlaeufer
und ordentlich festgemacht werden. Wir gingen zunächst einmal an die Pfähle. Die Gangway heraus, und dann kamen unsere Lieben an Bord. Wiedersehensfreude kann man nicht beschreiben, mein Sohn. Das wirst du als Schriftsteller selber wissen.«
Er stand ächzend auf und trat ans Fenster. Der Wind hatte aufgefrischt. Einzelne Böen vom Kanal her griffen in die Baumkronen und schüttelten sie. Mir den Rücken kehrend, fuhr er fort:
»Allmählich kehrte wieder Ruhe im Schiff ein. Später gingen wir noch an Land zu Paul und Annchen, wo meine glückliche Heimkehr gebührend gefeiert wurde. Es war gut, neben meiner geliebten Frau zu sitzen, festen Grund unter den Füßen zu haben, keine Schlingerbewegungen zu spüren, keinen Walblutgestank zu riechen. Die nächsten zwei Tage in Hamburg wurden mit Abfertigungsarbeiten verbracht, mit Sachen packen, abmustern und Geld zählen auf dem Heuerbüro. Finanziell hatte sich die Reise gelohnt. Ich bekam eine schöne Summe ausbezahlt, die wir gut gebrauchen konnten. Dann ging es nach Buchschlag in unsere neue Wohnung, die Reh für uns gemietet hatte und die sie ganz allein vollständig eingerichtet hatte. Am 24. April kamen wir an. Welches Gefühl für mich! Ich hatte jetzt eine Adresse: Marga und Edmund Boysen, Buchschlag, Forsthausweg 13. Das war wunderbar. Die Wohnung war bildschön. Drei Wochen Urlaub lagen vor uns. Drei schöne Wochen, die wir bei uns verleben wollten. Es waren herrliche Tage, die durch Ausflugsfahrten mit den Eltern abwechslungsreich gestaltet wurden. Die Zeppeliner wurden besucht. Von ihnen erfuhr ich, dass die Wiederaufnahme der Luftschifffahrt noch immer nicht absehbar war. Daher ergriff ich gerne die Gelegenheit, als mir das HWK mitteilte, dass sich für Walfänger ausnahmsweise die Möglichkeit bot, in einen laufenden Kapitänslehrgang der Navigationsschule Altona einzusteigen, diesen in den Wintermonaten während der Fangsaison zu unterbrechen und nach Rückkehr im Frühjahr 1939 wieder aufzunehmen. Mein volles Gehalt würde für die Dauer der Schulzeit weiterbezahlt. Das war nun wirklich ein großzügiges Angebot, das ich sofort wahrnahm. Reh und ich wollten die Zeit bis zu meiner Ausfahrt zum Walfang zusammen in Hamburg verleben. Wir suchten und fanden ein Zimmer in der Schlüterstraße in der Nähe des Dammtorbahnhofs. Jacobsen hießen unsere Vermieter. Er war Jude und bekam keine Arbeit mehr. Jacobsen und seine Frau waren sehr nett, und wir haben uns dort im Tiefparterre sehr wohl gefühlt. Ich erinnere mich gern an diese Zeit. An die Einkäufe in den naheliegenden Läden, an die Schularbeiten, die ich nun im Beisein meiner Frau machen konnte, an die ungewöhnliche Einrichtung der Waschgelegenheit und der Toilette und selbst daran, dass uns ein Straßenpassant eines Tages eine Flasche Wein stahl, die wir zur Kühlung in die Fensternische gestellt hatten. Und dann natürlich unser unvergesslicher Ausflug nach Lüneburg über ein Wochenende. Wir wohnten dort in einem guten Hotel. Die alte Stadt faszinierte uns, die Bootsfahrt auf der lieblichen Ilmenau regte uns an. Wir gingen nicht zu spät in unser Hotelzimmer und hatten uns, kindlich oder nicht, vorgenommen, an solch einem herrlich verbrachten Sommertag an unsere Nachkommenschaft zu denken. Und nicht nur daran zu denken, sondern auch unsere bisher durch Vernunft geleitete Zurückhaltung abzulegen und bevölkerungsaktiv zu werden. Die Folgen waren dann auch bald zu spüren. Aber es schien nicht alles seinen normalen Gang zu gehen. Im September muss es gewesen sein, dass deine Mutter einen Arzt aufsuchte, dem sie ihre Beschwerden offenbarte. Nach seiner Feststellung war sie dabei, Zwillinge in ihrem Leib groß werden zu lassen. Das eine Kind schien sich aber in die Bauchhöhle verlagert zu haben und machte Ärger. Die Lage des anderen war normal. Dem Rat des Gynäkologieprofessors von der Wünschklinik in Hamburg folgend, wurde das Bauchhöhlenkind durch Bestrahlung abgetötet, damit das andere unbehindert aufwachsen konnte. Für deine Mutter war diese Zeit sehr hart und schmerzlich, zumal ich jetzt wieder auf meine zweite Walfangreise gehen sollte. Doch ein politisches Ereignis war eingetreten, das das Auslaufen der Flotte in Frage stellte. Hitler schickte sich an, das Sudetenland zu besetzen und es Deutschland einzuverleiben. Es gab schwere politische Verwicklungen. In München wurde dann diese Angelegenheit zu Hitlers Gunsten geregelt und eine entsprechende Abmachung zwischen Deutschland, England
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