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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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Kreis, auf der Suche nach einem rettenden Anker. Sie sah Francisco, wie er mit verschränkten Armen an einer Säule lehnte. Er blickte direkt zu ihr hin. Er lachte.
    Zittere nicht so, dachte sie. Geh hinaus. Sie spürte, wie ein Ärger in ihr aufstieg, den sie nicht würde unterdrücken können. Sie dachte: Sag nichts. Geh festen Schrittes hinaus.
    Sie hatte begonnen zu gehen, bedächtig und sehr langsam. Sie hörte die Worte, die Lillian sagte, und blieb stehen. Lillian hatte sie diesen Abend als Antwort auf die immer gleiche Frage oft wiederholt, aber Dagny hörte sie zum ersten Mal.
    „Das?“, sagte Lillian und streckte ihren Arm mit dem metallenen Armband aus, damit zwei elegant gekleidete Frauen es in Augenschein nehmen konnten. „Aber nein, es stammt nicht aus der Eisenwarenhandlung, es ist ein ganz spezielles Geschenk meines Mannes. Oh ja, natürlich ist es hässlich. Aber sehen Sie doch. Es ist angeblich unbezahlbar. Natürlich würde ich es jederzeit gegen ein gewöhnliches Diamantarmband eintauschen, aber irgendwie will mir niemand eines dafür anbieten, obwohl es doch so unbeschreiblich wertvoll ist. Warum? Meine Liebe, es ist der erste Gegenstand, der je aus Rearden-Metall hergestellt wurde.“
    Dagny sah nicht den Raum, sie hörte nicht die Musik. Sie spürte, wie eine Totenstille auf ihrem Trommelfell lastete. Sie wusste weder was vorangegangen war noch was folgen würde. Sie kannte weder die beteiligten Personen noch sich selbst, weder Lillian noch Rearden noch die Bedeutung ihres eigenen Handelns. Es war nur ein kurzer Augenblick, aus jedem Zusammenhang gerissen. Sie hatte es gehört. Sie blickte auf das Armband aus grünlich blauem Metall.
    Sie fühlte die Bewegung, mit der etwas von ihrem Handgelenk gerissen wurde, und sie hörte, wie ihre eigene Stimme sehr ruhig, kalt wie Eis und bar jeder Emotion in die große Stille hinein sagte: „Wenn Sie nicht der Feigling sind, für den ich Sie halte, werden Sie es tauschen.“
    Auf ihrer flachen Hand hielt sie Lillian ihr diamantenes Armband hin.
    „Das ist doch nicht Ihr Ernst, Miss Taggart?“, sagte eine Frauenstimme.
    Doch es war nicht Lillians Stimme. Lillian hatte ihre Augen geradewegs auf sie gerichtet. Lillian wusste, dass es ihr Ernst war.
    „Geben Sie mir dieses Armband“, sagte Dagny und hob ihre Handfläche, auf der das Diamantarmband funkelte, etwas höher.
    „Das ist fürchterlich!“, rief irgendeine Frau. Es war seltsam, dass dieser Ruf so deutlich hervortrat. Dann wurde Dagny klar, dass Leute um sie herumstanden und niemand etwas sagte. Sie hörte nun wieder etwas, sogar die Musik; es war Halleys verstümmeltes Konzert, irgendwo weit weg.
    Sie sah Reardens Gesichtsausdruck. Er sah aus, als würde in seinem Inneren etwas verstümmelt, wie die Musik; sie wusste nicht, wodurch. Er beobachtete sie und Lillian.
    Lillian zog die Mundwinkel zu einer Art Lächeln nach oben. Sie öffnete das Metallarmband, ließ es in Dagnys Hand fallen und nahm das Diamantarmband.
    „Ich danke Ihnen, Miss Taggart“, sagte sie.
    Dagnys Finger schlossen sich um das Metall. Sie spürte es, sie spürte nichts sonst.
    Lillian wandte sich um, weil Rearden auf sie zugetreten war. Er nahm ihr das Diamantarmband aus der Hand, verschloss es an ihrem Handgelenk, zog ihre Hand an seine Lippen und küsste sie.
    Er sah Dagny nicht an.
    Lillian lachte vergnügt, unbeschwert und einnehmend und stellte damit die vorherige Stimmung Raum wieder her.
    „Sie können es wiederhaben, Miss Taggart, wenn Sie Ihre Meinung ändern“, sagte sie.
    Dagny hatte sich abgewandt. Sie fühlte sich ruhig und frei. Der Druck war von ihr gewichen. Das Gefühl, flüchten zu müssen, war verschwunden.
    Sie legte das Metallband um ihr Handgelenk. Sie mochte das Gefühl seiner Schwere auf ihrer Haut. Unerklärlicherweise spürte sie einen Hauch weiblicher Eitelkeit, die sie in der Form noch nicht kannte, den Wunsch, mit diesem besonderen Schmuck gesehen zu werden.
    Von Weitem hörte sie Bruchstücke empörter Kommentare: „Die beleidigendste Geste, die ich jemals erlebt habe. … Es war gemein. … Ich bin froh, dass Lillian sie beim Wort genommen hat. … Geschieht ihr recht, wenn sie meint, ein paar tausend Dollar einfach so wegwerfen zu müssen. …“
    Den Rest des Abends blieb Rearden an der Seite seiner Frau. Er nahm an ihren Gesprächen teil, er lachte mit ihren Freunden, er war plötzlich der ergebene, aufmerksame, bewundernde Ehemann.
    Er durchquerte gerade mit einem Tablett von

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