Der Streik
zogen sie einen Strich unter eine Rechnung, die nun beglichen war. Sie hatten einander verstanden.
„Sagen Sie Nealy, er soll am Granada-Pass anderthalb Meilen neue Schneezäune aufstellen“, sagte er. „Die alten sind verwittert. Sie werden keinen weiteren Sturm mehr überstehen. Schicken Sie ihm einen Schneepflug. Das Stück Schrott, das er hat, reicht kaum aus, um einen Hinterhof freizuräumen. Die großen Schneefälle können jetzt jeden Tag beginnen.“
Sie betrachtete ihn einen Augenblick. „Wie oft haben Sie das schon gemacht?“, fragte sie.
„Was?“
„Hierher zu kommen und die Arbeiten zu beobachten.“
„Ab und zu. Wenn ich Zeit habe. Warum?“
„Waren Sie in der Nacht hier, als der Felsrutsch passierte?“
„Ja.“
„Ich war damals, als ich die Berichte bekam, überrascht, wie schnell und effizient die Strecke geräumt worden war. Deshalb dachte ich, Nealy sei ein besserer Mann, als ich vermutet hatte.“
„Ist er nicht.“
„Haben Sie das System organisiert, mit dem der tägliche Nachschub die Strecke hinunter transportiert wird?“
„Allerdings. Seine Männer haben die Hälfte ihrer Zeit damit verbracht, Dinge zu suchen. Sagen Sie ihm, er soll seine Wassertanks im Auge behalten. In einer der kommenden Nächte werden sie ihm einfrieren. Versuchen Sie ihm einen neuen Grabenbagger zu besorgen. Der, den er jetzt hat, gefällt mir nicht. Und überprüfen Sie sein Verkabelungssystem.“
Sie sah ihn kurz an und sagte: „Danke, Ellis.“
Er lächelte und ging weiter. Sie blickte ihm nach, wie er über die Brücke ging und den langen Anstieg hinauf zu seinen Bohrtürmen begann.
„Der denkt wohl, dass ihm das alles gehört, nicht wahr?“
Sie wandte sich überrascht um. Ben Nealy war herangekommen; sein Daumen deutete auf Ellis Wyatt.
„Was alles?“
„Die Eisenbahn, Miss Taggart. Ihre Eisenbahn. Oder vielleicht die ganze Welt. Das denkt er zumindest.“
Ben Nealy war ein stämmiger Mann mit einem weichen, mürrischen Gesicht. Seine Augen waren stur und leer. Im bläulichen Licht des Schnees hatte seine Haut die Farbe von Butter.
„Welchen Grund hat er, sich immer hier herumzutreiben?“, sagte er. „Als ob niemand außer ihm etwas von seiner Arbeit verstünde. Dieser versnobte Angeber. Was denkt er, wer er ist?“
„Zum Teufel mit Ihnen“, sagte Dagny ruhig, ohne ihre Stimme zu heben.
Nealy konnte nicht wissen, warum sie das gesagt hatte. Aber ein Teil von ihm wusste irgendwie, dass das Erschreckende für sie war, dass er darüber gar nicht erschrocken war. Er sagte nichts.
„Lassen Sie uns zu Ihrem Stützpunkt gehen“, sagte sie müde, während sie auf einen alten Eisenbahnwaggon zeigte, der in der Ferne auf einem Nebengleis stand. „Holen Sie jemanden hin, der mitschreibt.“
„Nun, was diese Schwellen betrifft, Miss Taggart“, begann er hastig, als sie losgingen. „Mr. Coleman aus Ihrem Büro hat sie abgesegnet. Er hat kein Wort über zu viel Rinde verloren. Ich verstehe nicht, warum Sie denken, dass …“
„Ich sagte, tauschen Sie sie aus.“
Als sie aus dem Waggon trat, erschöpft von zwei Stunden mühevoller Anstrengung, geduldig zu sein, Anweisungen zu erteilen und Erklärungen zu geben, sah sie einen Wagen, der unten an der abgefahrenen Schotterstraße geparkt hatte, ein schwarzer Zweisitzer, auf Hochglanz poliert und brandneu. Ein neues Automobil war überall ein ungewöhnlicher Anblick, der sich nicht oft bot.
Sie sah sich um und erblickte eine große Gestalt, die am Fuße der Brücke stand. Es war Hank Rearden; sie hatte nicht damit gerechnet, ihn in Colorado anzutreffen. Mit Bleistift und Notizblock in der Hand schien er in Berechnungen vertieft zu sein. Wie sein Wagen erregte auch seine Kleidung Aufmerksamkeit, aus demselben Grund: Er trug einen schlichten Trenchcoat und einen Hut mit einer geneigten Krempe, aber von so guter Qualität, so offensichtlich teuer, dass sie unter der schäbigen Kleidung, die die Leute sonst überall trugen, regelrecht protzig erschienen, umso mehr, weil er sie mit solcher Natürlichkeit trug.
Sie bemerkte plötzlich, dass sie auf ihn zulief; jede Spur der Erschöpfung war verschwunden. Dann erinnerte sie sich, dass sie ihn seit der Gesellschaft nicht mehr gesehen hatte. Sie blieb stehen.
Er sah sie, winkte ihr erfreut und erstaunt grüßend zu und ging ihr entgegen. Er lächelte.
„Hallo“, sagte er. „Ihr erster Ausflug zur Baustelle?“
„Mein fünfter in drei Monaten.“
„Ich wusste nicht, dass Sie
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