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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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fragte er. Sie sah ihn erstaunt an. Er hatte ihr nie so offen Komplimente gemacht. Die Bewunderung in seiner Stimme war echt, aber die Spur von Spott verblieb in seinem Gesicht, und sie hatte das Gefühl, als verfolgte er mit seinen Worten einen Zweck, den sie nicht erkennen konnte. „Ich habe den ganzen Tag damit verbracht, Fragen über dich zu beantworten – und über die Strecke, das Metall und die Zukunft. Damit, und mit dem Zählen von Bestellungen für das Metall. Sie kommen in einer Geschwindigkeit von Tausenden Tonnen pro Stunde herein. Wann war das, vor neun Monaten? – Ich konnte damals nicht eine einzige Bestellung ergattern. Heute musste ich mein Telefon abstellen, um nicht alle Menschen anhören zu müssen, die mit mir persönlich ihren dringenden Bedarf an Rearden-Metall besprechen wollten. Was hast du heute getan?“
    „Ich weiß nicht. Ich habe versucht, Eddies Berichten zu folgen, den Leuten aus dem Weg zu gehen, rollendes Material für mehr Züge auf der John-Galt-Linie aufzutreiben, weil der Fahrplan, den ich erarbeitet hatte, für das Geschäft, das sich in nur drei Tagen angehäuft hat, nicht ausreicht.“
    „Heute wollten dich viele Leute sprechen, nicht wahr?“
    „Das stimmt.“
    „Sie hätten alles gegeben, um ein paar Worte mit dir zu wechseln, stimmt’s?“
    „Ich … ich denke schon.“
    „Die Journalisten haben mich gefragt, wie du denn so seist. Ein junger Mann von einem Lokalblatt sagte immer wieder, du seist eine großartige Frau. Er sagte, er hätte Angst davor, mit dir zu sprechen, wenn er je eine Gelegenheit dazu bekäme. Er hat recht. Die Zukunft, von der alle sprechen und vor der alle erzittern, sie wird so sein, wie du sie gemacht hast, weil du den Mut hattest, den sich keiner von ihnen vorstellen konnte. All die Wege zum Wohlstand, auf die sie nun zuströmen – es war deine Kraft, die sie eröffnet hat. Die Kraft, sich allen entgegenzustellen. Die Kraft, keinen Willen gelten zu lassen außer deinem eigenen.“
    Im Ausatmen hielt sie die Luft an: Sie wusste, worauf er hinauswollte. Sie stand aufrecht, die Arme an der Seite ihres Körpers, mit ernstem Gesicht, mit unerschütterlicher Geduld; sie ließ sein Lob über sich ergehen wie peitschende Beleidigungen.
    „Sie stellten dir auch immer wieder Fragen, nicht wahr?“ Er sagte es sehr eindringlich, etwas nach vorne gebeugt. „Und sie haben dich bewundernd angesehen. Sie sahen dich an, als stündest du auf dem Gipfel eines Berges und sie könnten nur aus einer großen Ferne vor dir ihre Hüte ziehen. Habe ich recht?“
    „Ja“, flüsterte sie.
    „Sie sahen dich an, als wüssten sie, dass man sich dir nicht nähern darf oder in deiner Gegenwart sprechen oder den Stoff deiner Kleider berühren. Sie wussten es, und es ist wahr. Sie haben dich voller Respekt angesehen, nicht wahr? Haben sie zu dir aufgesehen?“
    Er ergriff ihren Arm, zwang sie auf die Knie, drückte ihren Körper an seine Beine und beugte sich hinunter, um sie auf den Mund zu küssen. Sie lachte ein geräuschloses, spöttisches Lachen, aber ihre Augen waren halb geschlossen und verschleiert vor Lust.
    Stunden später, als sie gemeinsam im Bett lagen und seine Hand über ihren Körper strich, warf er sie plötzlich mit dem Rücken in seine Armbeuge, lehnte sich über sie und stellte ihr eine Frage – und sie erkannte an seinem intensiven Gesichtsausdruck, an dem Seufzen, das irgendwo in seiner Stimme mitklang, obwohl sie leise und gleichmäßig war, dass die Frage aus ihm herausbrach, als hätte sie ihn bereits über Stunden gequält: „Wer waren die anderen Männer, die mit dir geschlafen haben?“
    Er blickte sie an, als riefe die Frage in ihm ein Bild hervor, das er bis ins Detail sehen konnte, ein Bild, das er hasste, das er aber nicht loslassen konnte. Sie hörte die Verachtung in seiner Stimme, den Hass, das Leiden – und eine seltsame Ungeduld, die nichts mit Qual zu tun hatte. Während er die Frage gestellt hatte, drückte er ihren Körper fest an seinen.
    Sie antwortete gelassen, in ihren Augen sah er jedoch ein gefährliches Blitzen, wie eine Warnung, dass sie ihn nur zu gut verstanden hatte. „Es gab nur einen anderen, Hank.“
    „Wann?“
    „Als ich siebzehn war.“
    „Hat es gehalten?“
    „Für einige Jahre.“
    „Wer war er?“
    Sie lehnte sich nach hinten an seinen Arm; er beugte sich mit angespanntem Gesicht weiter über sie. Sie hielt seinem Blick stand. „Ich werde das nicht beantworten.“
    „Hast du ihn

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