Der Streik
kämpfte gegen den Wunsch zu schlafen an, bis es ihn körperlich schmerzte.
Seine Augen fielen eben zu, als er zwei weiche, feuchte Finger auf seiner Hand spürte. Paul Larkin hatte seinen Stuhl herangerückt und beugte sich vor, um sich ungestört mit ihm zu unterhalten.
„Mir ist es einerlei, was die Industrie darüber sagt, Hank, dein Rearden-Metall ist ein großartiges Produkt, ein ganz großartiges Produkt. Es wird dir ein Vermögen einbringen, wie alles, was du in die Hand nimmst.“
„Ja“, antwortete Rearden, „das wird es.“
„Ich hoffe nur … Ich hoffe nur, dass du nicht in Schwierigkeiten gerätst.“
„Was für Schwierigkeiten?“
„Keine Ahnung … Heutzutage weiß man nie … Es gibt Leute, die … Aber wer weiß das schon? … Man muss mit allem rechnen …“
„Was für Schwierigkeiten?“
Larkin saß zusammengekauert auf seinem Stuhl und schaute mit seinen sanften, demutsvollen Augen zu Rearden auf. Seine kleine, gedrungene Gestalt wirkte immer schutzlos und unvollständig, als bräuchte er einen Panzer, in den er sich bei der kleinsten Berührung zurückziehen konnte. Doch sein wehmütiger Blick und sein verlorenes, unbeholfenes und beschwörendes Lächeln erfüllten denselben Zweck. Sein Lächeln war entwaffnend wie das eines kleinen Jungen, der sich auf Gedeih und Verderb einer unbegreiflichen Welt ausliefert. Er war dreiundfünfzig.
„Deine Beziehungen zur Öffentlichkeit sind nicht besonders gut, Hank“, sagte er. „Du hattest schon immer eine schlechte Presse.“
„Na und?“
„Du bist unbeliebt, Hank.“
„Von meinen Kunden habe ich keine Beschwerden bekommen.“
„Das meine ich nicht. Du solltest einen guten Presseagenten einstellen, der dich besser verkauft.“
„Wozu? Ich verkaufe nicht mich, sondern Stahl.“
„Aber es ist nicht gut, die Öffentlichkeit gegen sich zu haben. Die öffentliche Meinung … kann sehr wichtig sein.“
„Ich glaube nicht, dass die Öffentlichkeit gegen mich ist. Aber wie dem auch sei, mir ist die öffentliche Meinung völlig gleichgültig.“
„Die Zeitungen sind gegen dich.“
„Sie können es sich leisten, ihre Zeit zu verschwenden. Ich nicht.“
„Mir gefällt das nicht, Hank. Es ist ungut.“
„Was?“
„Was sie über dich schreiben.“
„Was schreiben sie denn über mich?“
„Immer dasselbe, du weißt schon. Dass du eigensinnig bist, dass du skrupellos bist. Dass du dir bei der Leitung des Stahlwerks von niemandem dreinreden lässt. Dass es dir nur darum geht, Stahl herzustellen und Geld zu verdienen.“
„Aber das ist das Einzige, um das es mir geht.“
„Aber das solltest du nicht so laut sagen.“
„Warum nicht? Was soll ich sonst sagen?“
„Keine Ahnung … Aber dein Stahlwerk …“
„Es ist mein Stahlwerk, oder etwa nicht?“
„Selbstverständlich, aber – das solltest du den Leuten nicht unter die Nase binden … Du weißt doch, wie das heutzutage aufgenommen wird. … Man hält dich für unsozial.“
„Mir ist es egal, was sie denken.“
Paul Larkin seufzte.
„Was ist los, Paul? Worauf willst du hinaus?“
„Auf gar nichts … nichts Spezielles. Aber in Zeiten wie diesen kann alles passieren. … Man muss vorsichtig sein …“
Rearden lachte leise. „Du machst dir doch nicht etwa Sorgen um mich, oder?“
„Nun ja, ich bin dein Freund, Hank. Ich bin dein Freund. Du weißt, wie sehr ich dich bewundere.“
Paul Larkin war seit jeher vom Pech verfolgt. Was er auch anpackte, nichts wollte ihm gut gelingen, nichts scheiterte oder glückte jemals vollends. Er war Unternehmer, konnte sich aber nie über längere Zeit in einem Geschäftszweig behaupten. Im Augenblick versuchte er eher schlecht als recht, eine kleine Fabrik zur Herstellung technischer Geräte für den Bergbau über Wasser zu halten.
Er klammerte sich seit Jahren in ehrfürchtiger Bewunderung an Rearden. Er bat ihn um Rat, von Zeit zu Zeit fragte er nach einem Darlehen, aber nicht oft. Die Darlehen waren bescheiden, und er zahlte sie stets zurück, wenn auch nicht immer pünktlich. Er brauchte Rearden, als litte er an Blutarmut und bezöge aus dem bloßen Anblick eines robusten Menschen mit gesunden Lebenskräften neue Vitalität.
Rearden verfolgte Larkins Anstrengungen mit demselben Gefühl, mit dem er einer Ameise beim Schleppen eines Zündholzes zusah. Ihm fällt alles so schwer, dachte er, und mir so leicht. Also schenkte er ihm, sooft es ihm möglich war, Rat, Aufmerksamkeit und taktvolles, geduldiges
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