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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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Freunde des globalen Fortschritts, der auf einem Lehnstuhl saß, kaute nervös auf einem Streichholz, sah zu ihm hoch und fragte: „Nicht gut gelaufen?“
    Holloway schüttelte den Kopf. „Er wird kommen, aber … nein, nicht so gut.“ Er fügte hinzu: „Ich glaube nicht, dass er darauf eingeht.“
    „Das hat mein kleiner Ganove mir auch gesagt.“
    „Ich weiß.“
    „Der kleine Ganove hat gesagt, wir sollten es lieber gar nicht versuchen.“
    „Zur Hölle mit Ihrem kleinen Ganoven! Wir müssen! Wir müssen es riskieren!“
    Der kleine Ganove war Philip Rearden. Einige Wochen zuvor hatte er Claude Slagenhop berichtet: „Nein, er lässt mich nicht rein, er gibt mir keine Arbeit. Ich habe es versucht, wie Sie wollten, ich habe mein Bestes getan, aber es hat keinen Zweck, er lässt mich keinen Fuß in sein Stahlwerk setzen. Und was seine Stimmung angeht – hören Sie, die ist schlecht. Sie ist schlechter, als ich befürchtet habe. Ich kenne ihn, und ich kann Ihnen sagen, dass Sie keine Chance haben. Er ist mit seiner Geduld so ziemlich am Ende. Noch mehr Druck, und ihm platzt der Kragen. Sie haben gesagt, die großen Jungs wollten das wissen. Sagen Sie ihnen, sie sollen das nicht tun. Sagen Sie ihnen … Claude, Gott helfe uns, wenn sie das tun, verlieren sie ihn!“ „Nun, Sie sind keine große Hilfe“, hatte Slagenhop kühl gesagt und sich abgewandt. Philip hatte ihn am Ärmel gepackt und ihn mit einer Stimme gefragt, die plötzlich ganz kleinlaut und offen nervös klang: „Sagen Sie, Claude … nach … nach Richtlinie 10-289 … wenn er geht, dann … dann gibt es keine Erben?“ „Das stimmt.“ „Sie würden das Stahlwerk beschlagnahmen und … und alles?“ „So lautet das Gesetz.“ „Aber … Claude, das würden sie mir doch nicht antun, oder?“ „Sie wollen nicht, dass er geht. Das wissen Sie. Halten Sie ihn, wenn Sie können.“ „Aber das kann ich nicht! Sie wissen, dass ich es nicht kann! Wegen meiner politischen Einstellung und … und allem, was ich für Sie getan habe, Sie wissen doch, was er von mir hält! Ich habe überhaupt keinen Einfluss auf ihn!“ „Tja, das ist Ihr Pech.“ „Claude!“, hatte Philip voller Panik gerufen, „Claude, die werden mich doch nicht im Stich lassen, oder? Ich gehöre dazu, oder nicht? Die haben immer gesagt, dass ich dazugehöre, sie haben immer gesagt, dass sie mich brauchen … sie haben gesagt, sie brauchen Männer wie mich, nicht wie ihn, Männer mit meinem … mit demselben Geist wie ich, wissen Sie noch? Und nach allem, was ich für sie getan habe, nach all meiner Treue und meinen Diensten und meiner Loyalität gegenüber der Sache …“ „Sie verdammter Narr“, hatte Slagenhop ihn angefahren, „was nutzen Sie uns ohne ihn ?“
    Am Morgen des 4. November wurde Hank Rearden vom Läuten des Telefons geweckt. Er öffnete die Augen und erblickte durchs Fenster seines Schlafzimmers einen klaren, blassen, zart aquamarinfarbenen Frühmorgenhimmel, und die ersten Strahlen der noch unsichtbaren Sonne tauchten die alten Dächer Philadelphias in ein zartes Rosa. Einen Augenblick lang, in dem sein Bewusstsein so ungetrübt war wie der Himmel, in dem er sich nur seiner selbst bewusst war und seine Seele noch nicht wieder unter das Joch fremder Erinnerungen gespannt hatte, lag er still da, gebannt von diesem Anblick und dem Zauber einer dazu passenden Welt – einer Welt, in der das Leben wie ein immerwährender Morgen wäre.
    Das Telefon schleuderte ihn zurück ins Exil: Es schrillte in regelmäßigen Intervallen wie ein nagender Dauerhilfeschrei – die Art Schrei, die nicht in seine Welt gehörte. Stirnrunzelnd nahm er den Hörer ab. „Hallo?“
    „Guten Morgen, Henry“, sagte eine zittrige Stimme; es war seine Mutter.
    „Mutter … um diese Uhrzeit?“, fragte er trocken.
    „Ach, du bist doch immer schon bei Tagesanbruch wach, und ich wollte dich erwischen, bevor du ins Büro gehst.“
    „Ja? Was gibt’s?“
    „Ich muss dich sehen, Henry. Ich muss mit dir sprechen. Heute. Irgendwann heute. Es ist wichtig.“
    „Ist etwas passiert?“
    „Nein … ja … das heißt … ich muss mit dir persönlich sprechen. Wirst du kommen?“
    „Tut mir leid, ich kann nicht. Ich habe heute Abend einen Termin in New York. Wenn du willst, kann ich morgen kommen …“
    „Nein! Nein, nicht morgen. Es muss heute sein. Unbedingt.“ In ihrer Stimme lag ein panischer Unterton, doch es war die schale Panik chronischer Hilflosigkeit, nicht der Klang eines

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