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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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einer geschäftlichen Besprechung.
    „Ich weiß nicht! Woher soll ich das wissen? Aber das ist es nicht, wovon ich im Augenblick rede. Nicht vom Tun , nur vom Fühlen . Es ist dein Mitgefühl, um das ich dich bitte, Henry, nur dein Mitgefühl, auch wenn wir es nicht verdienen. Du bist großzügig und stark. Wirst du die Vergangenheit ausstreichen, Henry? Wirst du uns vergeben?“
    Die Angst in ihren Augen war real. Ein Jahr zuvor hätte er sich gesagt, dass dies ihre Art war, etwas wiedergutzumachen; er hätte den Widerwillen, den ihre Worte in ihm auslösten, heruntergeschluckt – Worte, die ihm nichts vermittelten außer dem Nebel des Bedeutungslosen. Er hätte seinem Verstand Gewalt angetan, um ihnen eine Bedeutung zu verleihen, auch wenn er sie nicht verstanden hätte. Er hätte seiner Mutter Aufrichtigkeit zu ihren eigenen Bedingungen zugute gehalten, auch wenn sie nicht mit seinen Bedingungen übereinstimmten. Doch nun zollte er Respekt zu keinen anderen Bedingungen als seinen eigenen mehr.
    „Wirst du uns vergeben?“
    „Mutter, es wäre am besten, nicht davon zu sprechen. Dränge mich nicht, dir den Grund zu erklären. Ich glaube, du kennst ihn so gut wie ich. Wenn es irgendetwas gibt, das ich für dich tun soll, dann sag mir, was. Etwas anderes gibt es nicht zu besprechen.“
    „Aber ich verstehe dich nicht ! Ganz und gar nicht! Deswegen habe ich dich ja hergebeten – um dich um Vergebung zu bitten! Willst du mir darauf nicht antworten?“
    „Nun gut. Was würde sie bedeuten, meine Vergebung?“
    „Hä?“
    „Ich habe gefragt: Was würde sie bedeuten?“
    In einer Geste des Erstaunens breitete sie die Hände aus, als wäre das schließlich offensichtlich. „Nun, dann … dann würden wir uns besser fühlen.“
    „Würde es die Vergangenheit verändern?“
    „Wir würden uns besser fühlen, wenn wir wüssten, dass du sie uns verziehen hast.“
    „Ihr wollt, dass ich so tue, als hätte die Vergangenheit nicht existiert?“
    „Ach Gott, Henry, verstehst du denn nicht? Wir wollen doch nur wissen, dass du … dass du eine gewisse Anteilnahme für uns empfindest.“
    „Ich empfinde keine. Willst du, dass ich sie vortäusche?“
    „Aber das ist es ja, worum ich dich bitte – sie zu fühlen .“
    „Aus welchem Grund?“
    „Grund?“
    „Im Austausch wogegen?“
    „Henry, Henry, wir reden hier nicht übers Geschäft, nicht über Stahlproduktion und Kontostände, sondern über Gefühle – und du redest wie ein Händler!“
    „Ich bin einer.“
    Was er nun in ihren Augen las, war Entsetzen – nicht das hilflose Entsetzen eines Menschen, der versucht hat, etwas zu verstehen und dabei gescheitert ist, sondern Entsetzen darüber, in die Enge getrieben zu werden, sodass es nicht mehr möglich sein würde, dem Verstehen auszuweichen.
    „Schau mal, Henry“, sagte Philip hastig. „Mutter versteht nichts von diesen Dingen. Wir wissen nicht, wie wir dich ansprechen sollen. Wir beherrschen deine Sprache nicht.“
    „Ich spreche eure nicht.“
    „Was sie sagen will, ist, es tut uns leid. Es tut uns schrecklich leid, dass wir dich verletzt haben. Du denkst, wir bezahlen nicht dafür, aber das tun wir. Wir leiden unter unseren Gewissensbissen.“
    Der Schmerz, der in Philips Blick lag, war echt. Noch ein Jahr zuvor hätte Rearden Mitleid empfunden. Nun jedoch wusste er, dass sie ihn einzig durch sein Widerstreben, sie zu verletzen, festgehalten hatten, durch seine Angst vor ihrem Schmerz. Aber jetzt hatte er davor keine Angst mehr.
    „Es tut uns leid, Henry. Wir wissen, dass wir dir Schaden zugefügt haben. Wir würden es gerne wiedergutmachen. Aber was können wir tun? Die Vergangenheit ist vergangen. Wir können sie nicht ungeschehen machen.“
    „Ich ebenso wenig.“
    „Du kannst unsere Reue annehmen“, sagte Lillian so vorsichtig, dass sie leblos klang. „Ich habe nun nichts mehr von dir zu gewinnen. Ich möchte nur, dass du weißt: Was immer ich getan habe, habe ich getan, weil ich dich geliebt habe.“
    Wortlos wandte er sich ab.
    „Henry!“, rief seine Mutter. „Was ist mit dir geschehen? Was hat dich so verändert? Du wirkst überhaupt nicht mehr menschlich! Du forderst Antworten von uns, dabei haben wir keine Antworten. Du schlägst uns immer wieder mit deiner Logik – aber was will man mit Logik in einer Zeit wie dieser? Was will man mit Logik, wenn Menschen leiden?“
    „Wir können nichts dafür!“, rief Philip.
    „Wir sind dir ausgeliefert“, sagte Lillian.
    Sie schleuderten ihr

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