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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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schon.“
    „Ich meine, Dr. Ferris hat mir nichts gesagt … Madam.“
    „ Ich sage es Ihnen.“
    „Aber ich soll von niemandem außer von Dr. Ferris Befehle entgegennehmen.“
    „Sie wollen sich also Mr. Thompson widersetzen?“
    „Oh nein, Madam! Aber … aber wenn Dr. Ferris angeordnet hat, niemanden hineinzulassen, dann heißt das niemanden …“ Er fügte unsicher und flehentlich hinzu: „Nicht wahr?“
    „Ist Ihnen klar, dass ich Dagny Taggart bin und dass Sie Bilder von mir in den Zeitungen gesehen haben, zusammen mit Mr. Thompson und sämtlichen führenden Köpfen des Landes?“
    „Ja, Madam.“
    „Dann entscheiden Sie, ob Sie sich ihren Befehlen widersetzen wollen.“
    „Oh nein, Madam! Das will ich nicht!“
    „Dann lassen Sie mich hinein.“
    „Ich kann mich aber auch Dr. Ferris nicht widersetzen!“
    „Dann treffen Sie Ihre Wahl.“
    „Aber das kann ich nicht, Madam! Wer bin ich, dass mir eine Wahl zustünde?“
    „Sie werden wählen müssen.“
    „Warten Sie“, sagte er hastig, zog dabei einen Schlüssel aus seiner Tasche und wandte sich zur Tür. „Ich werde den Chef fragen. Er …“
    „Nein“, sagte sie.
    In ihrer Stimme lag etwas, das ihn veranlasste, sich rasch wieder nach ihr umzudrehen: Sie hielt eine Pistole direkt auf sein Herz gerichtet.
    „Hören Sie mir gut zu“, sagte sie. „Entweder Sie lassen mich hinein, oder ich erschieße Sie. Sie können versuchen, mich zuerst zu erschießen. Das ist die Wahl, die Ihnen bleibt – sonst keine. Entscheiden Sie.“
    Er sperrte den Mund auf und ließ den Schlüssel fallen.
    „Gehen Sie mir aus dem Weg“, sagte sie.
    Er schüttelte nervös den Kopf und drückte sich mit dem Rücken an die Tür. „Gütiger Himmel, Madam!“, würgte er verzweifelt winselnd heraus. „Ich kann Sie nicht erschießen, da Mr. Thompson Sie schickt! Ich kann Sie aber auch nicht entgegen dem Befehl von Dr. Ferris hineinlassen! Was soll ich tun? Ich bin nur ein kleiner Angestellter! Ich tue nur, was man mir sagt! Ich habe nichts zu melden!“
    „Es ist Ihr Leben, das auf dem Spiel steht“, sagte sie.
    „Wenn Sie mich den Chef fragen lassen, wird er …“
    „Ich lasse Sie niemanden fragen.“
    „Aber woher soll ich wissen, dass Sie wirklich auf Befehl von Mr. Thompson gekommen sind?“
    „Sie wissen es nicht. Vielleicht habe ich keinen Befehl von ihm. Vielleicht handle ich eigenmächtig – dann würde man Sie dafür bestrafen, dass Sie mir gehorchen. Vielleicht habe ich einen Befehl – dann würden Sie wegen Befehlsverweigerung ins Gefängnis geworfen. Vielleicht sind Dr. Ferris und Mr. Thompson sich in dieser Sache einig. Vielleicht sind Sie es nicht – dann werden Sie sich einem der beiden widersetzen müssen. Das sind die Dinge, die Sie abwägen müssen. Es gibt niemanden, den Sie fragen oder anrufen können, niemanden, der Ihnen sagt, was Sie zu tun haben. Sie müssen selbst eine Entscheidung treffen.“
    „Aber ich kann keine Entscheidung treffen! Warum ich?“
    „Weil Sie es sind, der mir im Weg steht.“
    „Aber ich kann keine Entscheidung treffen! Ich soll nicht entscheiden!“
    „Ich zähle bis drei“, sagte sie. „Dann schieße ich.“
    „Warten Sie! Warten Sie! Ich habe weder ja noch nein gesagt!“, rief er und drückte sich noch näher an die Tür, als wäre geistige und körperliche Unbeweglichkeit sein bester Schutz.
    „Eins …“, zählte sie. Sie sah, wie seine Augen sie angsterfüllt anstarrten. „Zwei …“ Sie sah, dass die Waffe ihm weniger Angst einflößte als die Wahlmöglichkeit, die sie ihm angeboten hatte. „Drei.“
    Ruhig und unpersönlich drückte sie, die Hemmungen gehabt hätte, ein Tier zu erschießen, ab und schoss mitten in das Herz eines Mannes, der ohne die Verantwortung seines Bewusstseins hatte leben wollen.
    Ihre Pistole war mit einem Schalldämpfer versehen, sodass es – abgesehen vom dumpfen Aufschlag eines Körpers, der vor ihren Füßen zu Boden fiel – kein Geräusch gab, das die Aufmerksamkeit von irgendjemandem hätte erregen können.
    Sie hob den Schlüssel vom Boden auf – dann wartete sie wie vereinbart einige Augenblicke lang ab.
    Francisco trat hinter der Ecke des Gebäudes hervor und schloss sich ihr als Erster an, dann folgte Hank Rearden und schließlich Ragnar Danneskjöld. Vier Wachleute waren in einigem Abstand voneinander zwischen den Bäumen, die das Gebäude umgaben, aufgestellt gewesen. Sie waren inzwischen aus dem Weg geräumt worden: Einer war tot, die drei anderen

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