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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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Kaiser
     von China«, sagte er.
    »Hör zu«,
     sagte ich, »meine Tochter ist verschwunden. Ich habe Angst, daß
     Seafield sie hat.«
    Er schwieg nur.
    »Verstehst du, was ich
     sage? Ich habe Angst, daß er sie vielleicht gekidnappt hat, weil er
     an mich herankommen will.«
    Gelassen, aber ohne Mitleid
     sagte Miller: »Wie lange ist sie schon verschwunden?«
    »Ich bin mir nicht ganz
     sicher. Aber wahrscheinlich seit zwei oder drei Stunden. Sie ist nicht in
     meinem Büro.«
    »Also weißt du
     nicht einmal, ob sie einkaufen gegangen ist oder so etwas. Hast du
     irgendeinen vernünftigen Grund zu glauben, daß dieser
     Seafield-Bursche sie hat?«
    »Nicht direkt. Aber ich
     habe ihm einige Schwierigkeiten gemacht, und er ist ziemlich impulsiv und
     gewalttätig, und er ist weder bei der Arbeit noch zu Hause.«
    »Und bist du in deinem
     Büro oder zu Hause? Du bist auch ziemlich impulsiv.«       
    Er schien mich nicht ernst zu
     nehmen.
    »Und Linn Pighee ist
     letzte Nacht im Krankenhaus gestorben.« Er antwortete nicht sofort.
     »Gestorben… oder ermordet…«
    »Du hörst dich an,
     als hättest du langsam die Kontrolle über das Spiel verloren,
     Albert. Warum kommst du nicht her, entspannst dich ein wenig, und wir
     reden darüber, was los ist und was wir in der Angelegenheit tun können.«
    So fürchterlich hörte
     ich mich in meinen eigenen Ohren gar nicht an. Sei’s drum. »Da
     Seafield und die Merom heute nicht gekommen sind, um ihre Story zu
     wiederholen, heißt das, daß deine Leute nicht mehr nach mir
     suchen?«
    »Ich hätte die
     Sache abgeblasen, aber Captain Gartland will dich auch sehen, und zwar
     ziemlich dringend.«
    Ich legte auf. Und versuchte,
     mich zu entspannen. Nach allem, was ich wußte, versuchten sie jetzt,
     den Telefonanruf zurückzuverfolgen.
    Ich war nicht übermäßig
     vernünftig. Aber wie sollte man auch, wenn man seine eigene Tochter
     der Gefahr einer Entführung ausgesetzt hat.
    Ich rief meine Mutter an.
    »Albert?«
    »Sam ist nicht zufällig
     bei dir, oder, Mom?«
    »Nein. Du klingst
     aufgeregt, Albert. Was ist los? Bist du in Schwierigkeiten?«
    »Nein, nein«,
     sagte ich, »nicht mehr als gewöhnlich. Ich versuche nur
     herauszufinden, wo Sam abgeblieben ist. Ich… ich habe eine Aufgabe
     für sie. Sie ist wahrscheinlich einkaufen gegangen oder so etwas. Könntest
     du wohl ab und zu mal in meinem Büro anrufen und sie bitten, mich
     anzurufen?« Ich gab ihr Rushs Nummer. »Das heißt, wenn
     es in der nächsten Stunde oder so ist. Ansonsten werde ich dich oder
     sie anrufen.«
    »Wo ist sie, Albert?«
     Drängend.
    »Das kann ich so aus
     dem Stand nicht sagen«, sagte ich so aus dem Stand, um sie zu
     beruhigen.
    »In was für
     Schwierigkeiten hast du sie gebracht?«
    »Ich muß jetzt
     los, Mom. Und noch eins, falls irgend jemand anderes als ich hier ans
     Telefon geht, soll sie sofort auflegen, okay?«
    Ich legte auf.
    Ich ging in die Küche.
     Dort spülte ich mir das Gesicht mit kaltem Wasser ab. Ein Versuch,
     mich mit einem Schock wieder in den Bereich der Vernunft zu bringen. Das
     Wasser war nicht kalt genug dafür, denn es war nicht annähernd
     so kalt, wie ich mich fühlte.
    Ich nahm zwei Kekse aus der
     Bunten Plätzchenmischung. Dann ging ich zurück ins Büroschlafzimmer.
     Ich war hergekommen, um nach greifbaren Beweisen zu suchen; ich brauchte
     sie.
    Das Haus war konventionell
     gebaut, ursprünglich wahrscheinlich nicht für Rush selbst. Ich
     glaubte nicht, daß er irgendwelche versteckten Safes hatte einbauen
     lassen.
    Die Alternativtheorie
     lautete, daß ein gutes Versteck besser ist als ein stark
     verteidigtes Versteck.
    Und es war immer noch die
     Frage, was da eigentlich so dringend ein Versteck brauchte.
    Die Operation war mit einem
     Minimum an Papierkram verbunden. Aber Rush hatte Marcia Merom Bevollmächtigungsbriefe
     gezeigt. Die mußte er hier irgendwo haben.
    Ich brauchte mehr als eine
     Stunde. Zunächst sah ich mir den Schreibtisch an, dann die Aktenschränke.
     Nichts davon war das, was ich suchte. Vor allem nicht das in der dritten
     Schublade des Aktenschranks. Diese Schublade war vollgepackt mit
     Aktenordnern, die Zeitungsausschnitte enthielten. Die Ausschnitte schienen
     mit nichts so recht etwas zu tun zu haben. Willkürliche
     Sportberichte, Comic Strips, Briefe an den Herausgeber. Der Rest seiner
     Arbeit hatte mit komplizierten finanziellen Dingen zu tun und der
     Geschichte des Zweiten Weltkriegs.

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