Der stumme Handlungsreisende
Kaiser
von China«, sagte er.
»Hör zu«,
sagte ich, »meine Tochter ist verschwunden. Ich habe Angst, daß
Seafield sie hat.«
Er schwieg nur.
»Verstehst du, was ich
sage? Ich habe Angst, daß er sie vielleicht gekidnappt hat, weil er
an mich herankommen will.«
Gelassen, aber ohne Mitleid
sagte Miller: »Wie lange ist sie schon verschwunden?«
»Ich bin mir nicht ganz
sicher. Aber wahrscheinlich seit zwei oder drei Stunden. Sie ist nicht in
meinem Büro.«
»Also weißt du
nicht einmal, ob sie einkaufen gegangen ist oder so etwas. Hast du
irgendeinen vernünftigen Grund zu glauben, daß dieser
Seafield-Bursche sie hat?«
»Nicht direkt. Aber ich
habe ihm einige Schwierigkeiten gemacht, und er ist ziemlich impulsiv und
gewalttätig, und er ist weder bei der Arbeit noch zu Hause.«
»Und bist du in deinem
Büro oder zu Hause? Du bist auch ziemlich impulsiv.«
Er schien mich nicht ernst zu
nehmen.
»Und Linn Pighee ist
letzte Nacht im Krankenhaus gestorben.« Er antwortete nicht sofort.
»Gestorben… oder ermordet…«
»Du hörst dich an,
als hättest du langsam die Kontrolle über das Spiel verloren,
Albert. Warum kommst du nicht her, entspannst dich ein wenig, und wir
reden darüber, was los ist und was wir in der Angelegenheit tun können.«
So fürchterlich hörte
ich mich in meinen eigenen Ohren gar nicht an. Sei’s drum. »Da
Seafield und die Merom heute nicht gekommen sind, um ihre Story zu
wiederholen, heißt das, daß deine Leute nicht mehr nach mir
suchen?«
»Ich hätte die
Sache abgeblasen, aber Captain Gartland will dich auch sehen, und zwar
ziemlich dringend.«
Ich legte auf. Und versuchte,
mich zu entspannen. Nach allem, was ich wußte, versuchten sie jetzt,
den Telefonanruf zurückzuverfolgen.
Ich war nicht übermäßig
vernünftig. Aber wie sollte man auch, wenn man seine eigene Tochter
der Gefahr einer Entführung ausgesetzt hat.
Ich rief meine Mutter an.
»Albert?«
»Sam ist nicht zufällig
bei dir, oder, Mom?«
»Nein. Du klingst
aufgeregt, Albert. Was ist los? Bist du in Schwierigkeiten?«
»Nein, nein«,
sagte ich, »nicht mehr als gewöhnlich. Ich versuche nur
herauszufinden, wo Sam abgeblieben ist. Ich… ich habe eine Aufgabe
für sie. Sie ist wahrscheinlich einkaufen gegangen oder so etwas. Könntest
du wohl ab und zu mal in meinem Büro anrufen und sie bitten, mich
anzurufen?« Ich gab ihr Rushs Nummer. »Das heißt, wenn
es in der nächsten Stunde oder so ist. Ansonsten werde ich dich oder
sie anrufen.«
»Wo ist sie, Albert?«
Drängend.
»Das kann ich so aus
dem Stand nicht sagen«, sagte ich so aus dem Stand, um sie zu
beruhigen.
»In was für
Schwierigkeiten hast du sie gebracht?«
»Ich muß jetzt
los, Mom. Und noch eins, falls irgend jemand anderes als ich hier ans
Telefon geht, soll sie sofort auflegen, okay?«
Ich legte auf.
Ich ging in die Küche.
Dort spülte ich mir das Gesicht mit kaltem Wasser ab. Ein Versuch,
mich mit einem Schock wieder in den Bereich der Vernunft zu bringen. Das
Wasser war nicht kalt genug dafür, denn es war nicht annähernd
so kalt, wie ich mich fühlte.
Ich nahm zwei Kekse aus der
Bunten Plätzchenmischung. Dann ging ich zurück ins Büroschlafzimmer.
Ich war hergekommen, um nach greifbaren Beweisen zu suchen; ich brauchte
sie.
Das Haus war konventionell
gebaut, ursprünglich wahrscheinlich nicht für Rush selbst. Ich
glaubte nicht, daß er irgendwelche versteckten Safes hatte einbauen
lassen.
Die Alternativtheorie
lautete, daß ein gutes Versteck besser ist als ein stark
verteidigtes Versteck.
Und es war immer noch die
Frage, was da eigentlich so dringend ein Versteck brauchte.
Die Operation war mit einem
Minimum an Papierkram verbunden. Aber Rush hatte Marcia Merom Bevollmächtigungsbriefe
gezeigt. Die mußte er hier irgendwo haben.
Ich brauchte mehr als eine
Stunde. Zunächst sah ich mir den Schreibtisch an, dann die Aktenschränke.
Nichts davon war das, was ich suchte. Vor allem nicht das in der dritten
Schublade des Aktenschranks. Diese Schublade war vollgepackt mit
Aktenordnern, die Zeitungsausschnitte enthielten. Die Ausschnitte schienen
mit nichts so recht etwas zu tun zu haben. Willkürliche
Sportberichte, Comic Strips, Briefe an den Herausgeber. Der Rest seiner
Arbeit hatte mit komplizierten finanziellen Dingen zu tun und der
Geschichte des Zweiten Weltkriegs.
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