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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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Linn
     Pighees Auto. Die arme, alte Linn. Ich dachte darüber nach, ob ich
     vielleicht Zeit hätte, sie zu besuchen.
    Ich saß in der
     Telefonzelle und versuchte nachzudenken. Ich sah, wie der Mann hinter der
     Theke im Drugstore mich beobachtete. Ich öffnete die Tür und
     rief ihm zu: »Ich bin in einer Minute draußen, aber im
     Augenblick nagt gerade eine Ratte an meinem Fuß.« Dann schloß
     ich die Tür wieder.
    Jede Menge Zehncentstücke
     und eine Telefonzelle, die funktionierte. Gemessen an modernem Standard
     wahre Reichtümer. Ich rief noch einmal in meinem Büro an, auf
     die unwahrscheinliche Chance hin, daß Sam mittlerweile zurückgekommen
     war. Aber Dorrie nahm nach viermaligem Klingeln das Gespräch
     entgegen. Diesmal sprach ich mit ihr.
    »Hallo, Mr. Samson. Ich
     habe eine Nachricht für Sie«, sagte sie. »Na ja,
     sozusagen.«
    »Von meiner Tochter?«
    »Nein, von einem Mann.
     Er… er hörte sich ziemlich wütend an. Um genau zu sein,
     er war wütend. Er sagte, Sie wären in Schwierigkeiten, wenn er
     Sie erwischt.«
    »Hat er Ihnen seinen
     Namen gesagt?«
    »Nein. Wahrscheinlich
     hat er gedacht, Sie würden es wissen.«
    »Es ist nur so, daß
     im Augenblick so viele Leute wütend auf mich sind, daß mir die
     Wahl schwerfällt.«
    »Ach, du liebe Güte«,
     sagte sie. »Ich habe eine schlimme Woche mit meinem Rod hinter mir,
     aber so schlimm war es nun doch nicht.«
    »Klang dieser Mann wie
     ein Polizist?«
    »Oje. Ich weiß
     nicht. Wirklich nicht.«
    »Nun, das engt die Möglichkeiten
     auf etwa hundert ein.«
    Ich benutzte ein weiteres
     Zehn-Cent-Stück, um im Entropist Hospital anzurufen. Es bestand
     immerhin die Chance, daß ich dort vielleicht Sam antreffen würde,
     bei ihrem Besuch bei Linn Pighee. Ich kam zur Stationsschwester durch, die
     sehr hilfsbereit war.
    »Ich versuche, meine
     Tochter zu erreichen«, sagte ich. »Sie ist möglicherweise
     zu Besuch bei Mrs. Linn Pighee. Meine Tochter ist knapp achtzehn Jahre
     alt, mit rot-braunem Haar, braunen Augen und Sommersprossen. Normale Größe.
     Langes Haar. Wie ein Junge eben.«
    Die Krankenschwester wußte
     sofort, wen ich meinte. »Ja, die junge Dame war hier. Aber sie ist
     wieder gegangen«, sagte sie. »Direkt, nachdem ich ihr erzählt
     hatte, daß Mrs. Pighee in der Nacht gestorben ist.«

 
    38
    Ich brachte mehr als zwei
     Stunden im Entropist Hospital zu. Aber ich fand keine Befriedigung. Linn
     war unerwartet gestorben. Sie wußten noch nicht genau, warum, und
     man hatte alles für eine Autopsie in die Wege geleitet, um es
     herauszufinden. Ich verbrachte eine Menge Zeit damit, die
     Krankenschwestern nach der Möglichkeit unbefugter Besucher zu fragen,
     danach, ob irgend jemand die Chance gehabt hätte, in das Zimmer zu
     kommen, um… 
    Um was? Ich hatte
     Schwierigkeiten, ihnen meinen Verdacht zu erklären. Anschließend
     ging ich in ihre Kantine, um einen Kaffee zu trinken, und ich hatte selbst
     Mühe, meinen Verdacht zu begreifen.
    Es ging auf ein Uhr zu.
    Die Kaffeepause machte mich
     etwas ruhiger, aber meine Verwirrung blieb unverändert. Ich befand
     mich entweder auf einem zwanghaften Kurs der Selbstzerstörung, oder
     ich war nur ein Mann, der sah, was vor sich ging. Ich hatte keine andere
     Wahl, als weiterzumachen. Die Zeit für Diskretion war vorbei.
    Ich fuhr hinaus in die Roland
     Road.
    Und hatte einige
     Schwierigkeiten, Rushs Haus zu finden. Nicht, weil die Adresse falsch war,
     sondern weil das Haus ziemlich abgelegen war, um es gelinde auszudrücken.
     Es gab hohe, ungepflegte Hecken, und das einzige Straßenschild war
     ein ungekennzeichneter Briefkasten zwischen den Kästen für die Häuser
     Roland Road Nr. 88 und Nr. 92.       
    Ich ließ Linn Pighees
     Wagen etwa dreißig Meter von den Briefkästen entfernt stehen
     und ging zurück zu dem Einfahrtsweg durch die Hecken. Es war keine ländliche
     Gegend. Nur eine halbe Meile entfernt von der Kreuzung der Bundesstraße
     65 mit der 38. Straße. Die Bundesstraße 65 ist eine
     Schnellstraße, die von Nordwesten aus in die Stadt hinein führt;
     die 38. Straße ist zum größten Teil ebenfalls eine
     Schnellstraße und verläuft durch den Norden der Stadt.
    Hinter dem Stacheldrahtzaun
     lag ein ranchartiges Haus. Auf den ersten Blick nichts Besonderes. Der
     Zaun ging um das ganze Grundstück herum.
    Abgeschiedenheit hatte ich
     eigentlich nicht erwartet, aber ich wußte sie zu schätzen.
    Ich befand mich bereits in
     der

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