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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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Mitte der Auffahrt, bevor mir klar wurde, daß ich mich möglicherweise
     unbesonnen benahm. Ich war davon aus gegangen, daß niemand zu Hause
     war. Aber wie zum Teufel sollte ich das wissen?
    Ich wurde zurückhaltend.
     Vorsichtig bewegte ich mich an jeglicher vegetativen Deckung entlang, die
     ich finden konnte, und näherte mich langsam dem Haus. Das Garagentor
     hatte kein Fenster, so daß ich nicht sehen konnte, ob ein Auto drin
     war. Ich ging ums Haus herum, von Fenster zu Fenster. Vorsichtig schob ich
     mich an jedem einzelnen Rahmen vorbei. Es gab weder Vorhänge noch
     Rollos. Ich konnte zweifelsfrei erkennen, daß in keinem der Zimmer
     irgend jemand war.
    Aber es blieb immer noch das
     Problem, hineinzukommen.
    Aus Furcht vor irgendwelchen
     Alarmanlagen an den Türen zerbrach ich ein Küchenfenster und
     kletterte über die Spüle ins Haus.
    Dann räumte ich das Glas
     weg, warf es in den Abfallkorb und entfernte sogar die letzten gezackten Ränder
     der zerbrochenen Scheibe. Es war nicht undenkbar, daß ich durch
     dasselbe Loch einen schnellen Abgang machen wollte. Ich war nicht übertrieben
     optimistisch.
    Aber ein vorsichtiger Gang
     durchs Haus zeigte, daß ich tatsächlich allein war. Und in der
     Garage stand kein Wagen.
    Ich ging zurück in die Küche
     und begann, mich nach Dingen umzusehen, die kleiner waren als Menschen.
     Und ich versuchte, ein Gefühl für diesen Mann zu bekommen.
    Der Lebensstil, wie er sich
     in seinen Lebensbedingungen niederschlug, bildete einen scharfen Kontrast
     zu den Wohnungen von Marcia Merom und Lee Seaheld. Diese beiden füllten
     ihre Wohnungen mit kleinen, wertvollen und protzigen Dingen. Die meisten
     von Rushs Besitztümern dagegen waren groß.
    Die Küche verfügte
     über alle notwendigen Vorrichtungen, Arbeitsflächen und Geräte.
     Aber es gab nichts Eßbares. Keine Kochutensilien. Außer einem
     Kasten White-Rock-Limonade und zwei Zweipfundkästen von Mrs. Wiggins’
     Bunter Plätzchenmischung gab es absolut nichts Eßbares. Auf der
     Theke stand ein Becher. Das Haus verfügte über drei
     Schlafzimmer, aber die einzigen Betten waren zwei Einzelbetten in zwei
     verschiedenen Schlafräumen. Beide waren gemacht, aber nur eines sah
     so aus, als würde es jemals benutzt. Darunter lagen Pantoffeln und
     darauf ein Bademantel. Im Schrank hingen einige blaue Anzüge, und auf
     einem Regal lagen zwei Stetson-Hüte. Das war das Zimmer, in dem der
     Mann schlief. Auf einem Tisch neben dem Bett standen einige
     rezeptpflichtige Medizinfläschchen und eine Lampe, aber keine Bücher.
    Das Zimmer mit dem anderen
     Bett schien eher ein Büro zu sein, mit einem Schreibtisch und einem
     Telefon. Ein Aktenschrank. Einige Papiere. Keine Kleider im Schrank.
    Im dritten Schlafzimmer stand
     ein Stapel Pappkartons in der Ecke, ansonsten war es leer.
    Das Wohnzimmer war groß
     und offen angelegt, aber alles, was es an Möbeln dort gab, stand im
     Kreis an einem Ende des Raumes. Ein Fernsehapparat, vier tiefe,
     gepolsterte Armsessel, die einen dicken Läufer über einem
     schlichteren Teppich umringten. Sonst nichts. Kein Tisch, keine
     Stehlampen, keine Zeitungen, keine Bücher.
    Der einzige
     Einrichtungsgegenstand, den ich fand, war eine amerikanische Flagge in
     einem Halter an der Eingangstür.
    Das Haus machte keinen sehr
     bewohnten Eindruck.
    Um darüber nachzudenken,
     was ich als nächstes tun wollte, setzte ich mich in einen der Sessel.
     Er war sehr bequem, Balsam für den Körper, der einen geplagten
     Geist beherbergte. Es war beinahe drei Uhr.
    Ich ging in das Büroschlafzimmer
     und benutzte das Telefon. »Ich hatte gehofft, daß du es bist«,
     sagte Maude. »Ich habe nicht viel heraus gefunden, aber ich habe
     etwas herausgefunden.«
    »Gut«, sagte ich.
    »Was willst du als
     erstes? Rush oder die anderen?«
    »Rush«, sagte
     ich.
    »Er war während
     des Zweiten Weltkriegs beim Geheimdienst. Etwa dreieinhalb Jahre.«
    »Interessant«,
     sagte ich. »Was hat er da gemacht?«
    »Ich habe keine
     Einzelheiten, aber es ging nicht um Codes oder Propaganda oder die
     Auswertung von irgendwelchen Daten. Daraus folgt, daß er irgendwie
     mit der aktiven Vorbereitung von Agenten zu tun hatte.«
    »Tja, hm.«
    »Davon abgesehen hat er
     ziemlich viel mit Freimaurern zu tun. Mit der Veteranenlegion und solchen
     Dingen. Er ist Witwer. Und vor ungefähr zehn Jahren weigerte er sich,
     den Vorstand von Loftus zu verlassen, als die dort so ziemlich alles
     versucht

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