Der stumme Handlungsreisende
Mitte der Auffahrt, bevor mir klar wurde, daß ich mich möglicherweise
unbesonnen benahm. Ich war davon aus gegangen, daß niemand zu Hause
war. Aber wie zum Teufel sollte ich das wissen?
Ich wurde zurückhaltend.
Vorsichtig bewegte ich mich an jeglicher vegetativen Deckung entlang, die
ich finden konnte, und näherte mich langsam dem Haus. Das Garagentor
hatte kein Fenster, so daß ich nicht sehen konnte, ob ein Auto drin
war. Ich ging ums Haus herum, von Fenster zu Fenster. Vorsichtig schob ich
mich an jedem einzelnen Rahmen vorbei. Es gab weder Vorhänge noch
Rollos. Ich konnte zweifelsfrei erkennen, daß in keinem der Zimmer
irgend jemand war.
Aber es blieb immer noch das
Problem, hineinzukommen.
Aus Furcht vor irgendwelchen
Alarmanlagen an den Türen zerbrach ich ein Küchenfenster und
kletterte über die Spüle ins Haus.
Dann räumte ich das Glas
weg, warf es in den Abfallkorb und entfernte sogar die letzten gezackten Ränder
der zerbrochenen Scheibe. Es war nicht undenkbar, daß ich durch
dasselbe Loch einen schnellen Abgang machen wollte. Ich war nicht übertrieben
optimistisch.
Aber ein vorsichtiger Gang
durchs Haus zeigte, daß ich tatsächlich allein war. Und in der
Garage stand kein Wagen.
Ich ging zurück in die Küche
und begann, mich nach Dingen umzusehen, die kleiner waren als Menschen.
Und ich versuchte, ein Gefühl für diesen Mann zu bekommen.
Der Lebensstil, wie er sich
in seinen Lebensbedingungen niederschlug, bildete einen scharfen Kontrast
zu den Wohnungen von Marcia Merom und Lee Seaheld. Diese beiden füllten
ihre Wohnungen mit kleinen, wertvollen und protzigen Dingen. Die meisten
von Rushs Besitztümern dagegen waren groß.
Die Küche verfügte
über alle notwendigen Vorrichtungen, Arbeitsflächen und Geräte.
Aber es gab nichts Eßbares. Keine Kochutensilien. Außer einem
Kasten White-Rock-Limonade und zwei Zweipfundkästen von Mrs. Wiggins’
Bunter Plätzchenmischung gab es absolut nichts Eßbares. Auf der
Theke stand ein Becher. Das Haus verfügte über drei
Schlafzimmer, aber die einzigen Betten waren zwei Einzelbetten in zwei
verschiedenen Schlafräumen. Beide waren gemacht, aber nur eines sah
so aus, als würde es jemals benutzt. Darunter lagen Pantoffeln und
darauf ein Bademantel. Im Schrank hingen einige blaue Anzüge, und auf
einem Regal lagen zwei Stetson-Hüte. Das war das Zimmer, in dem der
Mann schlief. Auf einem Tisch neben dem Bett standen einige
rezeptpflichtige Medizinfläschchen und eine Lampe, aber keine Bücher.
Das Zimmer mit dem anderen
Bett schien eher ein Büro zu sein, mit einem Schreibtisch und einem
Telefon. Ein Aktenschrank. Einige Papiere. Keine Kleider im Schrank.
Im dritten Schlafzimmer stand
ein Stapel Pappkartons in der Ecke, ansonsten war es leer.
Das Wohnzimmer war groß
und offen angelegt, aber alles, was es an Möbeln dort gab, stand im
Kreis an einem Ende des Raumes. Ein Fernsehapparat, vier tiefe,
gepolsterte Armsessel, die einen dicken Läufer über einem
schlichteren Teppich umringten. Sonst nichts. Kein Tisch, keine
Stehlampen, keine Zeitungen, keine Bücher.
Der einzige
Einrichtungsgegenstand, den ich fand, war eine amerikanische Flagge in
einem Halter an der Eingangstür.
Das Haus machte keinen sehr
bewohnten Eindruck.
Um darüber nachzudenken,
was ich als nächstes tun wollte, setzte ich mich in einen der Sessel.
Er war sehr bequem, Balsam für den Körper, der einen geplagten
Geist beherbergte. Es war beinahe drei Uhr.
Ich ging in das Büroschlafzimmer
und benutzte das Telefon. »Ich hatte gehofft, daß du es bist«,
sagte Maude. »Ich habe nicht viel heraus gefunden, aber ich habe
etwas herausgefunden.«
»Gut«, sagte ich.
»Was willst du als
erstes? Rush oder die anderen?«
»Rush«, sagte
ich.
»Er war während
des Zweiten Weltkriegs beim Geheimdienst. Etwa dreieinhalb Jahre.«
»Interessant«,
sagte ich. »Was hat er da gemacht?«
»Ich habe keine
Einzelheiten, aber es ging nicht um Codes oder Propaganda oder die
Auswertung von irgendwelchen Daten. Daraus folgt, daß er irgendwie
mit der aktiven Vorbereitung von Agenten zu tun hatte.«
»Tja, hm.«
»Davon abgesehen hat er
ziemlich viel mit Freimaurern zu tun. Mit der Veteranenlegion und solchen
Dingen. Er ist Witwer. Und vor ungefähr zehn Jahren weigerte er sich,
den Vorstand von Loftus zu verlassen, als die dort so ziemlich alles
versucht
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