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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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Die dritte Schublade des Aktenschrankes
     paßte einfach nicht ins Bild.
    Bis ich darüber
     nachdachte.
    Ich nahm die dicken
     Aktenordner heraus. Auf dem Boden der Schublade befand sich ein dicker,
     blauer Umschlag in einer Plastiktüte. Die Ausschnitte waren einfach
     nur da gewesen, um dort zu liegen und zu verstecken, was darunter war.
    In dem blauen Umschlag
     befanden sich drei Briefe. Alle adressiert an P. Henry Rush. Alle auf
     FBI-Papier. Alle in Briefumschlägen, die in Washington D. C.
     abgeschickt waren. Alle unterschrieben von J. Edgar Hoover.
    Der früheste stammte vom
     7. Mai 1969. Er lautete: 
    »Agent Walker hat
     mir von Ihrem Zögern berichtet, an der Antidrogenoperation, die er
     mit Ihnen diskutiert hat, teilzunehmen. Seien Sie versichert, daß
     dieses Projekt meine vollste Begeisterung genießt und daß Sie
     mit Ihrem Sicherheitshintergrund und Ihrer augenblicklichen Position
     einzigartig qualifiziert sind, um daran teilzunehmen. Wenn Sie Ihre beträchtlichen
     Fähigkeiten dieser Sache zur Verfügung stellen, bedeutet das
     eine größere Erfolgswahrscheinlichkeit. Es handelt sich um eine
     langfristig angelegte Operation und wird Ihr volles Engagement erfordern.
     Ein Erfolg auf diesem Gebiet bedeutet nicht nur eine landesweite
     Verringerung des Drogenaufkommens, sondern auch eine zunehmende Stärkung
     unseres Landes und des FBI gegenüber seinen Feinden und Kritikern.«
     
    Der zweite Brief war neun
     Tage später datiert: 
    »In Erwiderung auf
     Ihre weitergehende Frage sei folgendes gesagt: Es ist nicht wünschenswert,
     mit der örtlichen Polizei zusammenzuarbeiten. Die Sicherheitsmaßnahmen
     der Polizei sind einfach nicht ausreichend zum Schutz eines Projektes von
     diesem Umfang und dieser Dauer. Es stehen Menschenleben auf dem Spiel.
    Sicherheit hat absolute
     Priorität. Falls es für die Sicherstellung Ihrer Kooperation
     jedoch notwendig sein sollte, können Sie den von Ihnen erwähnten
     Polizeivertreter über das Projekt informieren. Ihre Zusammenarbeit
     mit ihm im Zweiten Weltkrieg ist bestätigt worden, und man hat ihn
     überprüft. Aber seine Information muß kurz und allgemein
     sein. Eine Geste der Höflichkeit. Und Agent Walker muß bei dem
     Gespräch anwesend sein. Agent Walker ist Ihr einziger
     Verbindungsmann, und er trägt die völlige Verantwortung für
     die Operation. Er ist nur mir gegenüber verantwortlich.«
     
    Der dritte Brief war zwölf
     Tage später datiert: 
    »Mit großer
     Freude erfahre ich von Agent Walker von Ihrem Einverständnis, dem
     Produktionsbereich des Projekts Bagtag vorzustehen. Der Erfolg dieser
     Operation wird eine neue Ära der Verbrechensbekämpfung einleiten
     und das Ansehen des FBI stärken.«
     
    Diese Briefe weckten kein
     gutes Gefühl in mir. Ich konnte weder an ihnen noch an den
     Unterschriften einen Fehler finden. Aber ich arbeitete auch auf einem
     Gebiet, auf dem ich keinerlei Sachkenntnis besaß.
    Ich faltete die Briefe
     zusammen und steckte sie in meine Jackentasche. Den blauen Umschlag in
     seiner Plastiktüte legte ich wieder auf den Boden der Schublade. Dann
     packte ich die dicken Aktenordner wieder an ihren Platz.
    Anschließend ging ich
     ins Wohnzimmer und setzte mich in einen der tiefen, gepolsterten Sessel.
     Ich war nicht gerade in Ekstase, aber ich war
     auch nicht niedergeschlagen. Ich hatte die greifbaren Objekte, die die
     Dinge ein für allemal klären würden. Ein Gefühl von
     Fatalismus breitete sich in mir aus. Und ich begann die Möglichkeit
     ins Auge zu fassen, daß ich mich geirrt hatte.
    Außerhalb des Hauses hörte
     ich ein Geräusch.
    Ich stand auf.
    Ich ging zur Tür und
     lauschte.
    Nichts.
    Während ich noch
     dastand, drückte auf der anderen Seite der Tür jemand auf die
     Klingel.
    Ich bewegte mich. So leise
     ich konnte.
    Wieder die Klingel.
    Urplötzlich erschien mir
     die Roland Road nur allzu bevölkert. Vorsichtig begab ich mich in die
     Küche. Dort zögerte ich einen Augenblick und statt durchs
     Fenster hindurch zu verschwinden, öffnete ich die Hintertür von
     innen und glitt hindurch.
    »Mr. Rush?«
    »Was?« Und fiel
     einem kurzgeschorenen jungen Mann in einem dunklen Anzug buchstäblich
     in die Arme.
    »FBI, Mr. Rush«,
     sagte er. Er zeigte mir seinen Ausweis. »Mein Kollege und ich hätten
     gern kurz mit Ihnen gesprochen.«
    »Ihr Kollege?«
    »Er ist an der
     Vorderseite des Hauses. Er hat bei Ihnen geklingelt.«
    Die kommen auch immer zu
     zweit.

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