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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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mir das Haus. Lee Seafield hielt mich fest, und nachdem die anderen aus
     meinem überaus beschränkten Gesichtsfeld verschwunden waren,
     beschimpfte er mich wüst. »Bei Gott, Samson«, sagte er,
     »Sie werden Ihr Fett kriegen.«
    Ich hatte das Gefühl, daß
     ich es gar nicht wollte.
    Sein Griff verhärtete
     sich, als eine Stimme aus dem Haus laut wurde: »Bring ihn rein, Lee.
     Und tu ihm nicht weh.«
    »Sie brauchen mir nur
     einen Anlaß zu geben«, flüsterte Seafield mir ins Ohr, flüsterte
     es mir in mein ganzes Wesen. Dann zog er mich ins Wohnzimmer.
    Henry Rush saß in einem
     der schweren, gemütlichen Sessel. Der andere Mann stand am
     Lichtschalter. »Was für ein Tag«, sagte Rush klagend.
     »Nichts als Ärger.«
    »Der da macht keinen
     Ärger mehr«, sagte Seafield aggressiv.
    Rush betrachtete mich
     eingehend, während der andere Mann sich setzte. »Ich glaube, da
     hast du recht. Die Polizei sucht ihn. Sie können ihn haben. Er wird
     so lange kein Tageslicht mehr zu Gesicht bekommen, bis die Dinge unter
     Dach und Fach gebracht sind.«
    Der dritte Mann sagte:
     »Durchsuch ihn, Lee.«
    Seafield legte einen Fuß
     um meine Knöchel und gab mir einen Stoß. Meine Nase schlug mit
     einem gewaltigen Plumps auf dem Fußboden auf, dicht gefolgt von
     einhundertneunzig Pfund nur allzu festen Fleisches. Von Seafield
     durchsucht zu werden, war kein sanfter Vorgang. Aber er suchte nach einer
     Waffe, daher übersah er die Briefe aus Rushs Akten, die ich noch in
     der Tasche hatte.
    Seafield schien überrascht,
     berichten zu müssen, daß ich keine Waffe bei mir trug. Der
     dritte Mann schnaubte verächtlich. »Diese Burschen haben immer
     irgendwelche Waffen. Das ist es doch, was ihnen das Gefühl gibt, sie
     wären wunders was für Kerle.«
    Seafield zog mich hoch und drückte
     mich gegen die Wand. »Er hat wahrscheinlich eine von diesen kleinen.«
    Der dritte Mann schnaubte verächtlich.
     »Eine Weiberpistole, wie? Hinter seiner Gürtelschnalle oder so.«
    »Ja«, sagte
     Seafield. Dann drehte er sich wieder zu mir um. »Machen Sie Ihren Gürtel
     auf.«
    Ich machte meinen Gürtel
     auf.
    Seafield zog mir die Hosen
     bis auf die Knöchel herunter.
    »Ist das wirklich nötig?«
     fragte Rush müde.
    »Du willst doch nicht,
     daß er hier alles zusammenschießt, oder, Henry?« fragte
     der dritte Mann beiläufig.
    Widerwillig sagte Seafield:
     »Ich glaube nicht, daß er eine Waffe hat, Tommy. Ich glaube,
     er hat wirklich keine.«
    »Sie haben recht«,
     sagte ich. »Ich habe keine.«
    Sie hörten nicht auf
     mich.
    »Was hatte er hier zu
     suchen, Henry?« Der dritte Mann, bei dem es sich um Thomas Jefferson
     Walker junior handeln mußte, sah Rush stirnrunzelnd an.
    Rush schüttelte den
     Kopf. »Was wollten Sie in meinem Haus, Samson?«
    Ich bückte mich, um
     meine Hose wieder hochzuziehen, aber Seafield schlug mir gegen die Arme
     und sagte: »Nein!« Er hatte eindeutig eine Schwäche für
     geflickte Boxershorts.
    »Was hatten Sie hier zu
     suchen, Samson?« fragte Rush noch einmal.
    »Ich wollte einen
     Flohmarkt in der Garage abhalten«, sagte ich.
    Seafield drehte mich mit der
     rechten Hand ein wenig zu sich und versetzte mir mit der linken einen kräftigen
     Schlag auf meinen Flicken. Jedenfalls glaube ich, daß er das tat.
     Ich kann mich kaum noch erinnern an die Ereignisse zwischen dem Punkt, an
     dem die große Faust auf mich zugerast kam, und meinem Erwachen,
     nachdem ich bis siebenundachtzig ausgezählt worden war.
    Es ist gar nicht so
     unerfreulich, k. o. geschlagen zu werden; besser als viele Dinge, an die
     ich mich erinnern kann.
    Ich erwachte mit den Worten:
     »Wo ist meine Tochter?«
    »Was?«
    »Wo habt ihr Mistkerle
     meine Tochter hingeschleppt?«
    Es herrschte eine Weile
     Stille. Während dieser Zeit setzte ich mich an die Wand gelehnt auf
     und versuchte, wieder klarzusehen.
    »Was für eine
     Tochter?« fragte mich Rush schließlich.
    »Meine Tochter ist
     verschwunden. Einer von euch… Kriminellen hat sie gekidnappt.«
    Sie wollten alle gerade etwas
     sagen, als das Telefon klingelte. Und alle zögerten.
    »Besser, du gehst ran,
     Henry«, sagte Tommy Walker. Er war ein untersetzter Mann mit einem
     sehr dicken Nacken.
    Rush ging zu einem Apparat
     ganz in seiner Nähe. »Hallo«, sagte er. Und dann: »Nein,
     Ma’am.« Anschließend hielt er den Hörer von seinem
     Ohr weg und machte ein verwirrtes Gesicht. »Aufgelegt«, sagte
     er.
    Walkers Wangen glühten.
    

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