Der stumme Handlungsreisende
September wieder in
die Schule.«
»Woher sollen wir
wissen, wann in der Schweiz die Schule anfängt? Das einzige, was ich
weiß, ist, daß sie den Sommer dieses Jahr in irgendeinem
Fischerdorf an der Küste von Connecticut verbringen. Und daß
sie in einer Woche kommt.«
»Ein Fischerdorf«,
sagte Mom. »Ein Kind in einem Fischerdorf! Du liebe Güte.«
»Ich gebe dir die
Adresse, dann kannst du ihnen direkt schreiben. Aus irgendeinem Grund
wollen sie ihr erlauben, mich zu besuchen, und ich habe nicht vor, sie
abzuweisen, nur weil sie mir nicht ewig Zeit gibt.«
Mom nickte. »Du bist
ein guter Sohn, Albert«, sagte sie, womit sie meinte: ein guter
Vater. Wieviel an beidem dran war… Aber ich wollte die Sache im
Zweifelsfalle zu ihren Gunsten auslegen.
»Bleibst du zum
Abendessen?«
»Ich muß nach
Beech Grove. Ich hab einen Klienten.«
Sie schwieg einen Augenblick
lang. »Ich habe deine Annonce in der Zeitung gesehen.«
»Ach?«
»Demütigend«,
sagte sie.
Ich ließ es ihr
durchgehen.
»Aber wenigstens hast
du jetzt Arbeit«, sagte sie.
»Ja.«
»Das ist schließlich
die Hauptsache.«
Ich erzählte ihr nicht,
daß ich die allerbesten Aussichten hatte, keine Arbeit mehr zu
haben, noch bevor ich wieder zu Hause war. Vor solchen Dingen muß
man Mütter beschützen.
*
Es war etwa halb sechs, als
ich vor dem Haus der Pighees in Beech Grove hielt. Ich stieg aus und
machte einen Schritt auf die Einfahrt von Mrs. Thomas’ Heim zu.
Aber dann hielt ich inne.
Drehte mich um und ging -sei’s drum - zum Haus.
Ich drückte zweimal auf
die Klingel. Keine Reaktion. Ich klingelte wieder und wollte gerade gehen,
als eine Stimme hinter der Tür sagte: »Ist da jemand?«
»Ja«, rief ich.
»Ich erwarte niemanden«,
sagte sie, machte sich jedoch daran, aufzuschließen.
Linn Pighee war eine Frau von
Ende zwanzig, die wußte, wie man sich mit einem vollen Glas in der
Hand bewegte. Sie hatte langes, schwarzes Haar, glasige braune Augen und
ließ Fremde in ihr Haus.
»Es macht Ihnen doch
nichts aus, wenn wir nicht ins Wohnzimmer gehen, um herauszufinden, was
Sie wollen, oder?« fragte sie. »Draußen auf der Veranda
ist es kühler.«
Ich folgte ihr zur Veranda,
wo sie die Kuhle eines Liegesofas ausfüllte, das neben einer
fahrbaren Bar stand. »Machen Sie es sich bequem«, sagte sie,
bot mir dazu jedoch keine weiteren Hilfsmittel als einen Stuhl an.
»Ich habe einen
schrecklichen Tag hinter mir«, sagte sie. »Ich fühle mich
so furchtbar schwach! Es sieht so aus, als könnte ich überhaupt
nichts mehr tun.«
»Das tut mir leid«,
sagte ich.
Sie lachte. Dann nippte sie
an ihrem Glas, verzog aber das Gesicht, so als schmecke das, was sie
trank, nicht besonders gut. »Und wie war Ihr Tag?«
»So, als hätte ich
versucht, den Deckel einer Dose voller Würmer mit bloßen Händen
aufzubekommen«, sagte ich. »Ich kriege ihn hoch genug, um zu
sehen, daß die Würmer dadrin sind. Aber ohne Öffner habe
ich keine Chance.«
»Huch, das ist ja
furchtbar.« Sie legte eine überraschend echte Anteilnahme an den Tag.
»Kann ich irgend etwas für Sie tun?«
»Sie können«,
sagte ich. »Aber wahrscheinlich wollen Sie nicht.«
Sie lachte wieder, führte
das Glas an die Lippen, nahm aber nur einen Eiswürfel, den sie
anschließend zerkaute. »Der ehrgeizige, positive,
zuversichtliche Typ«, sagte sie.
»Übermäßigen
Ehrgeiz wirft man mir eigentlich nur selten vor.«
»Spricht für Sie«,
sagte sie. »Ich mag keine ehrgeizigen Menschen.« Sie holte
tief Luft. »Also, was wollen Sie?«
»Daß Sie nichts
dagegen haben, mir zu erzählen, welche Arrangements Sie mit Loftus
haben, Ihren Mann betreffend.«
Sie konnte es zuerst gar
nicht glauben. »Sie interessieren sich für John, ja?«
fragte sie und trank einen Zentimeter aus ihrem Glas. »Ich nehme an,
ich sollte Sie fragen, was Sie das angeht.«
»An Ihrer Stelle täte
ich das.«
»An meiner Stelle ist
kaum Platz für zwei.« Sie drehte sich auf ihrer Chaiselongue um
und angelte eine Packung Zigaretten hinter den Flaschen auf der Bar
hervor. Sie zog eine heraus, zündete sie an, sog tief und zufrieden
daran und drückte sie aus. Dann machte sie es sich wieder bequem.
»John hatte einen Unfall. Ich nehme an, Sie wissen das.«
Ich nickte.
»Etwas Ernstes. Es war
eine Art Explosion oder… so. Jedenfalls wäre er wohl
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