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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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mich
     zwischen zwei Patienten zu ihm hineinschlüpfen. Ich erklärte ihm
     schnell, was ich wollte.
    »Himmel Donnerwetter
     noch mal!« sagte er. Und ich hatte nicht einmal ein komplettes
     Krankheitsbild erfragt. »Der Bursche ist seit sieben Monaten bewußtlos,
     und Sie wollen, daß ich seine ganze Fallgeschichte für Sie
     rekonstruiere.«
    »Nicht die ganze«,
     sagte ich. »Nur alles, was Sie können.«
    »Der Bursche ist zu
     neunundneunzig Prozent ein toter Mann. Geistig, nicht körperlich. Es
     müßte schon ein halbes Wunder geschehen, damit er durchkommt.«
    »Aber er könnte
     vielleicht wieder aufwachen?«
    »Das ist nicht
     auszuschließen. Im Prinzip. Diesen speziellen Fall kenne ich ja
     offensichtlich nicht. Wahrscheinlich könnten seine eigenen Ärzte
     Ihnen weiterhelfen.«
    »Wenn sie es wollten.
     Sagen Sie, ist es normal, so jemand zu isolieren?«
    »Isolieren?«
     fragte er.
    »Könnte es ihm
     schaden, wenn jemand an seinem Bett sitzt und zusieht, wie er nicht
     aufwacht?«
    Mit einer angewiderten Geste
     breitete er die Arme aus.
    »Wie zum Teufel soll
     ich das wissen?« sagte er. »Allerdings ist das ziemlich ungewöhnlich,
     es sei denn, es gibt noch weitere Komplikationen«, fuhr er fort.
    »Aber…«,
     begann ich.
    »Ich habe jetzt einfach
     keine Zeit mehr, Al«, sagte er verzweifelt. »Ich würde
     Ihnen wirklich gerne helfen. Und Hilfe brauchen Sie weiß Gott. Aber
     ich habe ein ganzes Wartezimmer voll entzündeter Fußballen.
     Kommen Sie morgen früh wieder, wenn es unbedingt sein muß.
     Vorher kann ich wirklich nichts für Sie tun.«
    Ich konnte ihn nicht weiter
     bedrängen. Ein Mann, der sich sieben Monate lang gehalten hatte, würde
     sich auch noch einen weiteren Tag lang halten. Die Sache drängte nur
     deshalb so, weil ich nicht wußte, ob ich in einem Tag noch an diesem
     Fall arbeitete.
    So. Ich saß in meinem
     Lieferwagen und beschloß, es noch einmal mit den medizinischen
     Aspekten der Angelegenheit zu versuchen. Das Mädchen in der
     Bibliothek hatte etwas von Soldaten gesagt, die in Irland in die Luft
     flogen. Daher kam es mir in den Sinn, daß ein Militärarzt
     vielleicht eine Menge mehr Erfahrung mit Explosionen haben mochte als ein
     ziviler Arzt. Also fuhr ich nach Nordosten, zum Benjamin Harrison-Fort.
    Nicht, daß es dort
     einen hölzernen Palisadenzaun um das Gebäude gegeben hätte.
     Als ich von der Aultman Avenue auf die Greene Road abbog, kam mir das
     Ganze mehr wie ein Collegecampus vor und nicht
     wie ein militärischer Vorposten und dessen Lohndepot mit den alten
     Backsteingebäuden und den vielen Ahornbäumen.
    *
    An einem Friedhof hielt ich
     einen Soldaten auf, der in Jogginghosen seine Runden zog, und fragte ihn,
     wo ich das medizinische Personal finden könne. Er schickte mich in
     das Armeekrankenhaus Piawley. »Es ist nach Major General Hawley
     benannt, dem Oberbefehlshaber der Feldlazarette in Europa während des
     Zweiten Weltkriegs«, sagte er. Ich war fasziniert. 
    Vom Empfang aus schickte man
     mich zu dem Adjutanten, der mich mit dem »Doc« bekanntmachte.
    Er war ein ziemlich großer
     Mann, dessen zottiges Haar und ungeputzte Schuhe sogar mir auffielen. Und
     zeigten, wie schnell ein Besucher sich an Armeenormen gewöhnen kann.
     Der Doc war in Wirklichkeit gar nicht groß, aber die wehenden weißen
     Mantelschöße betonten seinen Bierbauch … »Captain
     Oak sagt, Sie wollten eine kleine Information«, sagte er.
    Ich erzählte ihm von
     John Pighee.
    »Sie verstehen sicher,
     daß wir hier mit solchen Fällen nicht viel zu tun haben«,
     sagte er und machte ein ziemlich ernstes Gesicht.
    »Natürlich«,
     sagte ich, »aber ich nahm an, daß ein Arzt, der gleichzeitig
     Berufssoldat ist, eher als ein ziviler Arzt eine besondere Ausbildung für
     die Behandlung von Verletzungen haben wird.«
    »Sollte er jedenfalls«,
     sagte er und nickte. »Ich weiß zwar nicht, ob das stimmt, aber
     es wäre sinnvoll.« Er kratzte sich am Kinn. »Ihr
     Mann ist also seit sieben Monaten bewußtlos, sagen Sie.«
    »Genau.«
    Er schüttelte den Kopf,
     zog die Augenbrauen hoch und schürzte die Lippen.
    »Ich frage mich, ob die
     aus gutem Grund Besucher von ihm fernhalten oder ob es einfach eine
     Bequemlichkeit für die Verwaltung bedeutet. Ist ein solcher Patient
     denn anfälliger für Infektionen als andere?«    
    »Die Widerstandsfähigkeit
     gegen eine Infektion«, sagte der Doc, »hängt von der
     Leukozytenproduktion des

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