Der stumme Handlungsreisende
mich
zwischen zwei Patienten zu ihm hineinschlüpfen. Ich erklärte ihm
schnell, was ich wollte.
»Himmel Donnerwetter
noch mal!« sagte er. Und ich hatte nicht einmal ein komplettes
Krankheitsbild erfragt. »Der Bursche ist seit sieben Monaten bewußtlos,
und Sie wollen, daß ich seine ganze Fallgeschichte für Sie
rekonstruiere.«
»Nicht die ganze«,
sagte ich. »Nur alles, was Sie können.«
»Der Bursche ist zu
neunundneunzig Prozent ein toter Mann. Geistig, nicht körperlich. Es
müßte schon ein halbes Wunder geschehen, damit er durchkommt.«
»Aber er könnte
vielleicht wieder aufwachen?«
»Das ist nicht
auszuschließen. Im Prinzip. Diesen speziellen Fall kenne ich ja
offensichtlich nicht. Wahrscheinlich könnten seine eigenen Ärzte
Ihnen weiterhelfen.«
»Wenn sie es wollten.
Sagen Sie, ist es normal, so jemand zu isolieren?«
»Isolieren?«
fragte er.
»Könnte es ihm
schaden, wenn jemand an seinem Bett sitzt und zusieht, wie er nicht
aufwacht?«
Mit einer angewiderten Geste
breitete er die Arme aus.
»Wie zum Teufel soll
ich das wissen?« sagte er. »Allerdings ist das ziemlich ungewöhnlich,
es sei denn, es gibt noch weitere Komplikationen«, fuhr er fort.
»Aber…«,
begann ich.
»Ich habe jetzt einfach
keine Zeit mehr, Al«, sagte er verzweifelt. »Ich würde
Ihnen wirklich gerne helfen. Und Hilfe brauchen Sie weiß Gott. Aber
ich habe ein ganzes Wartezimmer voll entzündeter Fußballen.
Kommen Sie morgen früh wieder, wenn es unbedingt sein muß.
Vorher kann ich wirklich nichts für Sie tun.«
Ich konnte ihn nicht weiter
bedrängen. Ein Mann, der sich sieben Monate lang gehalten hatte, würde
sich auch noch einen weiteren Tag lang halten. Die Sache drängte nur
deshalb so, weil ich nicht wußte, ob ich in einem Tag noch an diesem
Fall arbeitete.
So. Ich saß in meinem
Lieferwagen und beschloß, es noch einmal mit den medizinischen
Aspekten der Angelegenheit zu versuchen. Das Mädchen in der
Bibliothek hatte etwas von Soldaten gesagt, die in Irland in die Luft
flogen. Daher kam es mir in den Sinn, daß ein Militärarzt
vielleicht eine Menge mehr Erfahrung mit Explosionen haben mochte als ein
ziviler Arzt. Also fuhr ich nach Nordosten, zum Benjamin Harrison-Fort.
Nicht, daß es dort
einen hölzernen Palisadenzaun um das Gebäude gegeben hätte.
Als ich von der Aultman Avenue auf die Greene Road abbog, kam mir das
Ganze mehr wie ein Collegecampus vor und nicht
wie ein militärischer Vorposten und dessen Lohndepot mit den alten
Backsteingebäuden und den vielen Ahornbäumen.
*
An einem Friedhof hielt ich
einen Soldaten auf, der in Jogginghosen seine Runden zog, und fragte ihn,
wo ich das medizinische Personal finden könne. Er schickte mich in
das Armeekrankenhaus Piawley. »Es ist nach Major General Hawley
benannt, dem Oberbefehlshaber der Feldlazarette in Europa während des
Zweiten Weltkriegs«, sagte er. Ich war fasziniert.
Vom Empfang aus schickte man
mich zu dem Adjutanten, der mich mit dem »Doc« bekanntmachte.
Er war ein ziemlich großer
Mann, dessen zottiges Haar und ungeputzte Schuhe sogar mir auffielen. Und
zeigten, wie schnell ein Besucher sich an Armeenormen gewöhnen kann.
Der Doc war in Wirklichkeit gar nicht groß, aber die wehenden weißen
Mantelschöße betonten seinen Bierbauch … »Captain
Oak sagt, Sie wollten eine kleine Information«, sagte er.
Ich erzählte ihm von
John Pighee.
»Sie verstehen sicher,
daß wir hier mit solchen Fällen nicht viel zu tun haben«,
sagte er und machte ein ziemlich ernstes Gesicht.
»Natürlich«,
sagte ich, »aber ich nahm an, daß ein Arzt, der gleichzeitig
Berufssoldat ist, eher als ein ziviler Arzt eine besondere Ausbildung für
die Behandlung von Verletzungen haben wird.«
»Sollte er jedenfalls«,
sagte er und nickte. »Ich weiß zwar nicht, ob das stimmt, aber
es wäre sinnvoll.« Er kratzte sich am Kinn. »Ihr
Mann ist also seit sieben Monaten bewußtlos, sagen Sie.«
»Genau.«
Er schüttelte den Kopf,
zog die Augenbrauen hoch und schürzte die Lippen.
»Ich frage mich, ob die
aus gutem Grund Besucher von ihm fernhalten oder ob es einfach eine
Bequemlichkeit für die Verwaltung bedeutet. Ist ein solcher Patient
denn anfälliger für Infektionen als andere?«
»Die Widerstandsfähigkeit
gegen eine Infektion«, sagte der Doc, »hängt von der
Leukozytenproduktion des
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