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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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seines Milchmanns. Ja.«
    »Und obwohl er einen
     schweren Unfall hatte, wissen Sie nicht genau, was ihm zugestoßen
     ist?«
    Weston holte tief Luft und
     sagte: »Sie kennen John nicht.«
    Das konnte ich nicht
     bestreiten.
    »John war« - er lächelte
     und korrigierte sich - »ist ein Mann mit großem Elan. Und persönlichem
     Ehrgeiz. Er hat im College Chemie studiert, wußten Sie das?«
    »Nein.«
    »Er war seit fünf
     Jahren bei Loftus. Hat einen Job in der Verkaufsabteilung angenommen, weil
     er im wissenschaftlichen Bereich nichts bekommen konnte und weil es ihm
     wichtiger war, im Leben voranzukommen als in der Wissenschaft.«
    »Aber Sie haben sich um
     die rechtliche Seite der Angelegenheit gekümmert?«
    Er zögerte und wählte
     seine Worte sehr vorsichtig. »Ich habe Mrs. Pighees Seite des Entschädigungsarrangements
     geregelt.«
    »Entschädigung?
     Und das alles, bevor Sie wissen, ob der Bursche leben oder sterben wird?«
    »Entschädigung für
     die Verletzung. Mit einer Vielzahl von Zusatzklauseln für alle
     Eventualitäten.«
    »Aber Sie haben für
     die Pighees mit der Versicherungsgesellschaft verhandelt?«
    »Nein. Ich glaube, ich
     nähere mich langsam den Grenzen dessen, was ich Ihnen ohne Mrs.
     Pighees ausdrückliche Erlaubnis erzählen darf, aber ich sagte,
     daß ich ›Mrs. Pighees Seite des Entschädigungsarrangements
     geregelt hätte‹. Es war keine Versicherungsgesellschaft
     beteiligt.«
    »Keine Versicherung?
     Das verstehe ich nicht. Es muß doch irgendeine Versicherung gegeben
     haben.«
    »Wie Loftus letztlich
     mit seinen Haftungsverpflichtungen umgeht, ist nicht mein Problem.«
    »Aber das heißt
     ja, daß es keine Nachforschungen seitens einer Versicherung gegeben
     hat.«
    »Wie ich Ihnen bereits
     sagte…«
    »Aber Sie haben
     jedenfalls nie das Ergebnis irgendwelcher Versicherungsermittlungen zu
     Gesicht bekommen?«
    »Mr. Samson. Die
     angebotenen Bedingungen sowie die finanziellen Einzelheiten für alle
     Eventualitäten sind akzeptiert worden. Und sie sind den Umständen
     angemessen. Aber es ist nicht meine Aufgabe, Sie in die entsprechenden
     Überlegungen einzuweihen. Die gehen Sie entschieden nichts an.«
    Er hatte mich wieder auf den
     Teppich geholt. Ich sagte: »Schon gut, aber können Sie mir
     nicht klipp und klar sagen, warum seine Schwester nicht einen Blick auf
     John Pighee werfen darf, wenn sie das möchte?«
    »Weil das Besuchsrecht
     vollständig in den Händen von Loftus liegt und weil deren Arzte
     vermutlich glauben, daß es für John besser ist, wenn er keinen
     Besuch bekommt. Wie auch immer, Mrs. Pighee war einverstanden, alles
     Medizinische der Gesellschaft zu überlassen. Dasselbe sollten Sie
     auch tun. Es ist keine rechtliche Frage.« Er machte deutlich, daß
     seine Bereitschaft, mit mir zu reden, sich ihrem Ende neigte.
    »Nur noch eine Frage«,
     sagte ich. »Sie sagen, Sie wüßten nicht, was John Pighee
     tat, als es zu dem Unfall kam. Ist es möglich, daß er sich
     dabei infiziert hat - wahrscheinlich mit etwas, woran im Labor gearbeitet
     wurde -und daß er immer noch ansteckend ist und aus diesem Grund
     keinen Besuch haben darf?«
    Zum ersten Mal schien Weston
     sich über irgend etwas zumindest ansatzweise Gedanken zu machen.
     »Das wäre denkbar«, sagte er kühl.
    »Aber Sie machen sich
     keine Sorgen deswegen?«
    »Sie haben Ihre Frage
     gestellt«, sagte er. »Und wenn es so wäre, wäre das
     doch wohl ein ziemlich guter Grund, niemanden zu ihm zu lassen, oder?«

 
    6
    »Eine Woche!«
     sagte meine Mutter. »Was für eine Vorwarnzeit ist eine Woche?«
    »Das mußt du
     nicht mich fragen«, sagte ich.
    »Aber ich frage dich.«
     Dann nickte sie wissend. »Du mußt es ihnen gesagt haben. Klipp
     und klar mußt du ihnen gesagt haben, daß sie ruhig kurzfristig
     Bescheid geben können. Genau das hast du doch getan, oder?«
    Mom betreibt eine Imbißstube
     namens Bud’s Dugout auf der Virginia Avenue. Im Südosten von
     Indianapolis, kein großer Umweg auf der Fahrt von Walter Weston nach
     Beech Grove zu meiner Klientin. Die Mitteilung, daß ich meine
     Tochter Marianne erwartete, schien mir nicht mehr und nicht weniger als
     Sohnespflicht zu sein. Marianne war zwar nicht ihr einziges Enkelkind,
     aber dasjenige, das sie am wenigsten zu Gesicht bekam.
    »Wie lange bleibt sie?«
    »Ich weiß nicht«,
     sagte ich. »Davon hat sie nichts geschrieben.«
    »Kann nicht sehr lange
     sein«, sinnierte Mom. »Sie muß im

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