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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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Kindern gehört.«
    »Nun, ich habe auch
     keine Kinder mehr, also spielt es keine Rolle.«
    »Und ob es eine Rolle
     spielt«, sagte ich. Um der Sache die Schärfe zu nehmen.
    »Warum?«
    »Weil ich nächste
     Woche mein einziges Kind zum ersten Mal seit zwölf Jahren Wiedersehen
     werde. Sie wollen mir die Sache doch wohl nicht verleiden und mich dazu
     bringen, ihr abzusagen, oder?«
    »Eine Tochter?«
    »Ja.«
    »Wie alt?«
    »Also, da muß ich
     erst nachdenken«, gestand ich. »Siebzehn, achtzehn vielleicht.«
    Aber sie hörte meinem
     Geständnis gar nicht richtig zu. Statt dessen sagte sie: »Wie
     schön. Zwölf Jahre sind eine lange Zeit.«
    »Ich weiß.«
    »Ich hatte Zwillinge. Mädchen.«
    Ich nickte ihr ermutigend zu,
     aber sie sprach nicht weiter.
    »Ach, verdammt«,
     sagte sie und stürzte ihren Drink in einem Zug hinunter. »Sie
     sind vor fünf Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen.«
    »Alle beide?«
    »Ja. Dinny auf der
     Stelle. Simmy hat noch ungefähr zwei Wochen durchgehalten, bevor sie
     ging. Sie« - betont - »hat das Bewußtsein
     nicht mehr wiedererlangt. War auch gut so, denke ich. Wenn die beiden
     schon gehen mußten, sind sie wenigstens zusammen gegangen. Abgang
     aus dem alten Leben, rein ins neue.«
    »Sie haben mehr Unglück
     erlebt als die meisten anderen Menschen, Mrs. Pighee.«
    »Nennen Sie mich Linn«,
     sagte sie. »Bitte.« Eindringlich.
    »Linn«, sagte
     ich.
    »Unglück? Glück?
     Was ist Glück? Jeder ist seines Glückes Schmied, sagt John.
     Sagte. Ich wünschte einfach nur, es ginge mir besser.«
    In der Ferne hörte man
     eine Klingel.
    »Wurde auch langsam
     Zeit.« Sie stand auf. Ich folgte ihr zur Haustür und blieb
     hinter ihr stehen, während sie öffnete.
    Draußen stand mit einer
     braunen Papiertüte ein großer, dünner Teenager. »Hallo,
     Linn«, sagte er. Und sah mich. »Hallo, Sie.«
    »Ich habe dir deine
     Medizin gebracht, Linn«, sagte er und drückte ihr die Tüte
     in die Hand.
    Sie nahm sie an. »Dougie,
     das ist Mr. Albert. Er ist Privatdetektiv. Mr. Albert, das hier ist
     Dougie, einer von Beech Groves allerbesten Basketballspielern. Im Sommer
     arbeitet er in einem Spirituosengeschäft, und wir machen gerne Witze
     über« - sie schüttelte die Tüte - »meine
     Medizin.« Dann trat sie zur Seite, lehnte sich gegen die offene Tür
     und drängte mich mit ihrer freien Hand hinaus. »Kommen Sie doch
     bitte wieder. Dann können wir uns weiter unterhalten. Bitte. Und
     bald.«
    Ich gab dem Druck nach und
     ging hinaus. Die Tür schloß sich hinter mir. Dougie und ich
     sahen einander an.
    »Ui, Mr. Albert«,
     sagte Dougie. »Sind Sie wirklich Privatdetektiv?«
    Ich wandte mich der
     Verandatreppe zu. »Bist du wirklich Basketballspieler?«
    Er holte mich ein. »Sehe
     ich nicht aus wie einer?«
    Ich gab ihm keine Antwort. Er
     ging auf die Straße und sah sich unsicher um, als hätte er mich
     verloren. Aber ich folgte ihm nicht auf die Straße. Ich ging ums
     Haus herum, um meine Klientin zu besuchen.

 
    7
    Mrs. Thomas kam mir an der
     Garage entgegen. »Sie waren bei ihr, nicht wahr?« 
    »Mrs. Pighee? Ja.«
    »Warum?«
    »Ich dachte, sie könnte
     vielleicht helfen…«
    »Die würde mir
     nicht helfen, selbst wenn - selbst wenn…« Anscheinend gab es
     keine Situation, die phantastisch genug war, daß Linn Pighee ihrer
     Schwägerin geholfen hätte.
    »Davon weiß ich
     nichts«, sagte ich. »Aber sie hat eine Erklärung
     unterzeichnet, die es den Ärzten gestattet, über Dinge wie das
     Besuchsrecht zu entscheiden. Ich hatte gehofft, sie würde mir diese
     Erklärung zeigen oder mir wenigstens etwas darüber erzählen.«    
    »Und, hat sie das?«
    »Nein.«
    »Ihr ist es egal, ob
     John lebt oder stirbt.«
    »Das war nicht der
     Eindruck, den ich von ihr hatte«, sagte ich. Obwohl ich mir nicht
     sicher war, ob ich damit die Wahrheit sagte.   
    »Eindrücke! Eindrücke!«
     sagte Mrs. Thomas. »Ich kenne sie.«
    »Viel besser als ich«,
     sagte ich. »Ich möchte Ihnen jetzt genau berichten, was ich
     heute getan habe, damit Sie entscheiden können, ob ich weitermachen
     soll.«
    Sie runzelte die Stirn.
     »Haben Sie vor aufzuhören?«
    »Das hängt ganz
     von Ihnen ab.«
    Sie führte mich in ihren
     Wohnwagen, und wir nahmen da Platz, wo wir schon einmal gesessen hatten.
    »Ich habe einer ganzen
     Reihe von Leuten Fragen gestellt, aber ich bin nicht sehr weit gekommen,
     was Ihren Wunsch betrifft, Ihren Bruder zu

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