Der stumme Handlungsreisende
Kindern gehört.«
»Nun, ich habe auch
keine Kinder mehr, also spielt es keine Rolle.«
»Und ob es eine Rolle
spielt«, sagte ich. Um der Sache die Schärfe zu nehmen.
»Warum?«
»Weil ich nächste
Woche mein einziges Kind zum ersten Mal seit zwölf Jahren Wiedersehen
werde. Sie wollen mir die Sache doch wohl nicht verleiden und mich dazu
bringen, ihr abzusagen, oder?«
»Eine Tochter?«
»Ja.«
»Wie alt?«
»Also, da muß ich
erst nachdenken«, gestand ich. »Siebzehn, achtzehn vielleicht.«
Aber sie hörte meinem
Geständnis gar nicht richtig zu. Statt dessen sagte sie: »Wie
schön. Zwölf Jahre sind eine lange Zeit.«
»Ich weiß.«
»Ich hatte Zwillinge. Mädchen.«
Ich nickte ihr ermutigend zu,
aber sie sprach nicht weiter.
»Ach, verdammt«,
sagte sie und stürzte ihren Drink in einem Zug hinunter. »Sie
sind vor fünf Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen.«
»Alle beide?«
»Ja. Dinny auf der
Stelle. Simmy hat noch ungefähr zwei Wochen durchgehalten, bevor sie
ging. Sie« - betont - »hat das Bewußtsein
nicht mehr wiedererlangt. War auch gut so, denke ich. Wenn die beiden
schon gehen mußten, sind sie wenigstens zusammen gegangen. Abgang
aus dem alten Leben, rein ins neue.«
»Sie haben mehr Unglück
erlebt als die meisten anderen Menschen, Mrs. Pighee.«
»Nennen Sie mich Linn«,
sagte sie. »Bitte.« Eindringlich.
»Linn«, sagte
ich.
»Unglück? Glück?
Was ist Glück? Jeder ist seines Glückes Schmied, sagt John.
Sagte. Ich wünschte einfach nur, es ginge mir besser.«
In der Ferne hörte man
eine Klingel.
»Wurde auch langsam
Zeit.« Sie stand auf. Ich folgte ihr zur Haustür und blieb
hinter ihr stehen, während sie öffnete.
Draußen stand mit einer
braunen Papiertüte ein großer, dünner Teenager. »Hallo,
Linn«, sagte er. Und sah mich. »Hallo, Sie.«
»Ich habe dir deine
Medizin gebracht, Linn«, sagte er und drückte ihr die Tüte
in die Hand.
Sie nahm sie an. »Dougie,
das ist Mr. Albert. Er ist Privatdetektiv. Mr. Albert, das hier ist
Dougie, einer von Beech Groves allerbesten Basketballspielern. Im Sommer
arbeitet er in einem Spirituosengeschäft, und wir machen gerne Witze
über« - sie schüttelte die Tüte - »meine
Medizin.« Dann trat sie zur Seite, lehnte sich gegen die offene Tür
und drängte mich mit ihrer freien Hand hinaus. »Kommen Sie doch
bitte wieder. Dann können wir uns weiter unterhalten. Bitte. Und
bald.«
Ich gab dem Druck nach und
ging hinaus. Die Tür schloß sich hinter mir. Dougie und ich
sahen einander an.
»Ui, Mr. Albert«,
sagte Dougie. »Sind Sie wirklich Privatdetektiv?«
Ich wandte mich der
Verandatreppe zu. »Bist du wirklich Basketballspieler?«
Er holte mich ein. »Sehe
ich nicht aus wie einer?«
Ich gab ihm keine Antwort. Er
ging auf die Straße und sah sich unsicher um, als hätte er mich
verloren. Aber ich folgte ihm nicht auf die Straße. Ich ging ums
Haus herum, um meine Klientin zu besuchen.
7
Mrs. Thomas kam mir an der
Garage entgegen. »Sie waren bei ihr, nicht wahr?«
»Mrs. Pighee? Ja.«
»Warum?«
»Ich dachte, sie könnte
vielleicht helfen…«
»Die würde mir
nicht helfen, selbst wenn - selbst wenn…« Anscheinend gab es
keine Situation, die phantastisch genug war, daß Linn Pighee ihrer
Schwägerin geholfen hätte.
»Davon weiß ich
nichts«, sagte ich. »Aber sie hat eine Erklärung
unterzeichnet, die es den Ärzten gestattet, über Dinge wie das
Besuchsrecht zu entscheiden. Ich hatte gehofft, sie würde mir diese
Erklärung zeigen oder mir wenigstens etwas darüber erzählen.«
»Und, hat sie das?«
»Nein.«
»Ihr ist es egal, ob
John lebt oder stirbt.«
»Das war nicht der
Eindruck, den ich von ihr hatte«, sagte ich. Obwohl ich mir nicht
sicher war, ob ich damit die Wahrheit sagte.
»Eindrücke! Eindrücke!«
sagte Mrs. Thomas. »Ich kenne sie.«
»Viel besser als ich«,
sagte ich. »Ich möchte Ihnen jetzt genau berichten, was ich
heute getan habe, damit Sie entscheiden können, ob ich weitermachen
soll.«
Sie runzelte die Stirn.
»Haben Sie vor aufzuhören?«
»Das hängt ganz
von Ihnen ab.«
Sie führte mich in ihren
Wohnwagen, und wir nahmen da Platz, wo wir schon einmal gesessen hatten.
»Ich habe einer ganzen
Reihe von Leuten Fragen gestellt, aber ich bin nicht sehr weit gekommen,
was Ihren Wunsch betrifft, Ihren Bruder zu
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