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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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nur um eine einmalige Abfindung. Der größte
     Teil besteht aus einer Einkommensregelung, die wiederum von der Höhe
     meines eigenen Einkommens abhängt.«
    »Welchem Einkommen? Was
     ist, wenn Sie sterben oder arbeitslos werden, wenn der Vorstand Ihnen auf
     die Schliche kommt? Daß Sie mit Personal jonglieren und den
     notwendigen Versicherungsschutz umgehen, um sich Ihren persönlichen
     Wunsch, Menschenleben zu manipulieren, zu erfüllen? Als Ausgleich dafür,
     daß Sie selbst nicht in die Wissenschaft gegangen sind, als Sie jung
     genug dazu waren?«
    Der Ton meiner Frage gefiel
     ihm nicht, aber er beantwortete sie trotzdem. »Mrs. Pighees Ansprüche
     hängen in hohem Maße davon ab, daß ich meine Position
     hier behalte, das stimmt.«
    »Aha. Mrs. Pighee
     bekommt also keine Entschädigung, wenn einer nicht dicht hält
     und Sie rausgeworfen werden.«
    »Einige Leute könnten
     das von John Pighee Unterzeichnete Arrangement bezüglich eines
     eventuellen Unfalls in diesem Sinne interpretieren.«
    »Sie wollen also sagen:
     Seien Sie kooperativ, oder Mrs. Pighee verliert ihre Entschädigungsansprüche
     für den Fall, daß ihr Mann stirbt.«
    »So ungefähr könnten
     die Dinge sich entwickeln. Und als Repräsentant der Interessen Ihrer
     Klientin kann ich Ihnen versichern, daß
     es in Mrs. Pighees Interesse liegt, daß ich meine Position hier
     behalte.«
    »Das mag ja sein«,
     sagte ich, »aber Mrs. Pighee ist nicht meine Klientin.«
    »Sie ist es nicht?«
    »Nein.«
    »Aber Sie sagten doch,
     Familie.«
    »Seine Schwester«,
     sagte ich. »Mrs. Dorothea Thomas.«
    »Was zum Teufel geht
     sie das an?«
    »Sie hat mich
     engagiert, weil die Leute in der Klinik sie nicht zu ihrem Bruder lassen.«
    »Ist das alles?«
    »Das ist genug. Man hat
     sie seit dem Unfall von ihm ferngehalten. Das sind jetzt sieben Monate.«
    »Wenn das alles ist,
     was Sie wollen«, sagte Rush, »das kann ich für Sie
     regeln.«

 
    12
    Zwei Durchbrüche in
     weniger als einem halben Tag. Ich ging zurück zu Sam, die geduldig in
     meinem Wagen gewartet hatte.
    »Ich habe die Leute
     beobachtet, die vorbeigegangen sind«, sagte sie. »Warum machst
     du so ein unglückliches Gesicht?«
    »Weil ich meinen Job
     gemacht habe. Wieder einmal«, sagte ich.
    »Ist das nicht gut?«
    »Es sind da ein paar
     Sachen ans Tageslicht gekommen.«
    »Wie bitte?«
    Ich erklärte ihr die
     offenkundige Eigenartigkeit der finanziellen Situation der Pighees, während
     ich mir gleichzeitig Notizen über mein Gespräch mit P. Henry
     Rush machte.
    Aber Sam interessierte sich
     weniger für die Frage der Abfindung als für die Notizen. »Dauert
     es nicht furchtbar lange, wenn du das für jedes deiner Gespräche
     machst?«
    »Doch«, sagte
     ich.
    Als ich fertig war, fuhr ich
     fort: »Aber sie helfen mir beim Nachdenken. Wenn ich meine Notizen
     schon sehr bald nach einem Gespräch mache, erinnere ich mich beinahe
     an alles, was gesagt wurde, und manchmal, wenn ich sie mir später
     noch einmal durchlese, sehe ich die Dinge klarer als während des
     Gesprächs selbst.«
    »Oh«, sagte Sam.
     Nicht übermäßig beeindruckt. Den wenigsten Kindern
     imponiert es, wenn man erst auf Umwegen ans Ziel kommt.
    »Haben wir schon
     gegessen?« 
    »Nein«, sagte
     sie.
    »Willst du irgendwo
     essen gehen?«
    Es lag ihr offensichtlich auf
     der Zunge zu fragen, ob ich es mir leisten konnte, aber sie sagte: »Okay.«
    Ich nahm sie mit zu Bud’s
     Dugout. Während Mom sich ihren Weg durch das Ende des Mittagsansturms
     bahnte, spielten wir Flipper. Ein Flipper für jeden, und als wir
     unsere ersten Freispiele bekamen, sagte Sam: »Das macht Spaß.«
     In dem Tonfall eines Kindes, das sich über solcherlei Zerstreuung
     eigentlich erhaben fühlt. Eben eine Schülerin von Madame
     Graumier.
    »Natürlich tut es
     das«, sagte ich herablassend. »Und es trägt zum Unterhalt
     deiner Großmutter bei. Du kannst deiner Mutter erzählen, daß
     ich regelmäßige Beiträge zum Unterhalt deiner Großmutter
     leiste.«
    »Paß auf, du hättest
     beinahe deinen Ball verloren.«       
    Ich verlor ihn tatsächlich.
    »Oh, Daddy! Laß
     mich allein spielen!«
    *
    Nach dem Mittagessen ließ
     ich Sam bei Mom, damit sie ihr beim Abwaschen half, und fuhr selbst nach
     Beech Grove. Gegen halb vier kam ich dort an.
    Ich beschloß jedoch,
     zuerst einen Besuch bei Mrs. Pighee zu machen, bevor ich zu meiner
     Klientin ging. Ich klingelte am Haus. Keine Reaktion, also

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