Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
Vom Netzwerk:
hat mir die Sache
     mit John erklärt. Sein Zustand, und wie leid es ihm tut, daß
     ich ihn bisher nicht besuchen durfte.«
    Späte Einsicht. Aber
     besser spät als nie.
    »Er sagte, daß er
     ganz außer sich sei, daß ich mir die Mühe und die
     Unkosten machen mußte, einen Privatdetektiv zu engagieren, um etwas
     herauszufinden, was zu wissen ich als Johns Schwester jedes Recht hätte.
     Dann hat er noch sehr nette Sachen über John gesagt. Mir war ja gar
     nicht klar, daß sie ihn dort so zu schätzen wußten.«
    Sie schwelgte in der
     Aufmerksamkeit, die man ihr erwiesen hatte. Was nicht weiter verwunderlich
     erschien in einem Leben, das nach dem, was ich davon zu sehen bekommen
     hatte, einen ziemlich einsamen Eindruck machte. »Wenn sie sich
     solche Sorgen wegen Ihrer Unkosten machen, können sie sie ja übernehmen.« 
    »Das hat er auch getan.«
    »Er hat Ihnen Geld
     gegeben? Wieviel?«
    »Nun, das möchte
     ich Ihnen lieber nicht sagen, für den Fall, daß Sie Ihre
     Rechnung der Summe angleichen.«
    Ich seufzte hörbar, aber
     sie wußte ja nicht, wie schrecklich ehrlich ich bin. Na schön.
    »Es war nicht sehr viel«,
     fügte sie hastig hinzu. »Nur eine Geste.«
    Ich glaubte ihr nicht. Ich
     dachte, daß sie eine ganze Menge bekommen hatte. Und zögerte.
     Zuckte die Achseln. »Also dann«, sagte ich, »wenigstens
     können Sie jetzt Ihren Bruder besuchen.«
    Sie sagte nichts.       
    »Wann werden Sie zu ihm
     gehen?« fragte ich.
    »Ich weiß das,
     was Sie für mich getan haben, wirklich zu schätzen«, sagte
     sie. »Glauben Sie nicht, daß ich das nicht täte. Aber Sie
     haben wohl nicht ganz richtig verstanden, was ich eigentlich wollte.«
    »Sie wollten Ihren
     Bruder im Krankenhaus besuchen dürfen. Das können Sie doch jetzt
     sicher.«
    »Ich wollte zumindest
     die Gründe dafür wissen, warum man mich von John fernhielt. Und
     der Mann, der hier war, hat mir klipp und klar erklärt, warum ein
     Besuch für John nicht gut wäre. Das verstehe ich jetzt. Ich bin nicht mehr so durcheinander wie
     vorher. Danke für Ihre Hilfe.« Sie stand auf. »Wenn Sie
     mir Ihre Rechnung schicken«, sagte sie, »werde ich mich darum
     kümmern, sobald ich kann.«
    »Augenblick mal, Mrs.
     Thomas«, sagte ich.
    »Stimmt etwas nicht,
     Mr. Samson?«
    »Ich möchte diese
     Sache nur geklärt haben. Ein Mann ist hierhergekommen, hat Ihnen
     ausgeredet, Ihren Bruder besuchen zu wollen, und Ihnen etwas Geld für
     Ihre Mühe gegeben.«
    »Nur eine Geste«,
     sagte sie. »Eigentlich fast gar nichts, wirklich.«
    »Und jetzt wollen Sie
     Ihren Bruder plötzlich nicht mehr besuchen.«
    Sie setzte sich wieder hin.
     »Natürlich möchte ich das«, sagte sie scharf.
     »Aber es wäre nicht gut für ihn. Es besteht die Gefahr
     einer Infektion. Und er würde ja nicht einmal wissen, daß ich
     da bin, also könnte ich ihn kaum trösten, oder? Und wenn ich mir
     meinen Weg an sein Bett erzwingen würde, dann würde es nur mir
     besser gehen, nicht John. Und es wäre wirklich nicht recht, wenn ich
     ihn nur um meinetwillen einem zusätzlichen Risiko aussetzen würde.«
    »Und damit lassen Sie
     sich abspeisen?«
    »Ich benötige Ihre
     Dienste nicht weiter«, sagte sie.
    »Zwei Dinge wüßte
     ich noch gern. Wer der Mann war, der hierher gekommen ist, und wann genau
     er mit Ihnen gesprochen hat.«
    »Ehem«, sagte sie
     und überlegte, wie sie mich abwimmeln könnte.
    »War es Henry Rush?«
    »Nein, ein Mr. Dundree,
     Dr. Dundree. Ein promovierter Naturwissenschaftler, so wie John es hätte
     werden können, aber er hatte einfach nicht die Zeit dazu. Und es war
     kurz nach Mittag.«
    »Wann genau? Ein Uhr?
     Halb zwei?«
    Sie nickte.
    Ich stand auf. »Ich bin
     sehr froh, daß Ihre Sehnsucht nach Ihrem Bruder jetzt etwas erträglicher
     geworden ist, Mrs. Thomas«, sagte ich, als ich ging. Aber ich denke
     nicht, daß sie mir glaubte. Scharfsinnig von ihr, denn ich hatte
     gelogen.
    Ich fuhr weg, ohne etwas in
     mein Notizbuch zu schreiben. Dafür war später noch genug Zeit.
     Jay Dundree hatte meine Klientin gekauft, obwohl er mir gegenüber
     hatte durchblicken lassen, daß er ihrem Wunsch entsprechen würde.
     Oder wenigstens dem, was sie mir als Ihren Wunsch aufgetischt hatte.
    Ich fühlte mich hinters
     Licht geführt. Ich kochte vor Wut. Auch wenn unschlüssige
     Klienten mit einer verschwommenen Vorstellung von ihren Zielen in meiner
     Branche ein Berufsrisiko sind.
    In der Nähe von Bud’s
     Dugout

Weitere Kostenlose Bücher