Der stumme Handlungsreisende
Ich sah nach. Meine
Herzdame war noch immer da, wo sie hingehörte.
Sam zog die Augenbrauen hoch
und legte die Kassette zurück auf den Schreibtisch, wo ich sie hatte
stehenlassen.
»Du mußt übrigens
nicht die ganze Zeit hierbleiben.«
»Du meinst, jetzt, wo
ich deine Angestellte bin, kann ich mit dir kommen?«
»Also, so hab’
ich das eigentlich nicht gemeint. Ich habe einen Telefondienst. Du mußt
nicht hierbleiben und dir wegen irgendwelcher Nachrichten oder solcher
Sachen Gedanken machen. Solange die Innentür verschlossen ist, kannst
du ausgehen, einkaufen und tun, was du willst.«
»Aber kann ich nicht
mitkommen?«
»Manchmal. Kommt drauf
an.«
»Was hast du heute
morgen gemacht?«
»Ich habe einem
leitenden Angestellten eines Pharmaunternehmens eine Lektion in
Motivationstechnik erteilt.«
»Du hast was?«
»Ich hatte ein Problem
wegen einer Klientin, das er lösen konnte, wenn er nur wollte. Also
war es nicht mehr mein Job, das Problem selbst zu lösen, sondern ihn
dazu zu bringen, das für mich zu übernehmen.«
»Und hast du es
geschafft?«
»Ich glaube, ja. Ich
habe versucht, ihm klarzumachen, daß er mehr Ärger bekommt,
wenn er nicht tut, was wir wollen, als wenn er es tut.«
»Und hat er’s
getan?«
»Er wird.«
»Und wie hast du ihn
dazu gebracht?«
»Ich habe mit einem lästigen
Prozeß gedroht und damit, mich an die Presse zu wenden.«
»Hört sich toll
an!«
»Jetzt wird er also mit
jemandem reden, und alles kommt ins Lot.«
»Ist das meine erste
Lektion als Privatdetektiv? Daß man den Leuten auf den Fersen bleibt
und sie ordentlich aufscheucht?«
»Tja«, sagte ich.
»Darauf läuft es ziemlich oft hinaus.«
»Was soll ich als
erstes lernen, Daddy?«
»Wenn es irgend etwas
gibt«, sagte ich, »dann solltest du, glaube ich, lernen, daß
man nichts unüberprüft läßt. Wenn du kannst, sieh zu,
daß du alles nachprüfst, was die Leute dir sagen. Bevor du
irgendwelche Schlüsse ziehst.«
»Aha«, sagte sie.
»Und jetzt erklär mir am Beispiel des Falles, an dem du gerade
arbeitest, wie du das alles in die Praxis umsetzt.«
»Hat dir deine Mutter
nicht beigebracht, ›bitte‹ zu sagen?«
»Müssen all deine
Angestellten ›bitte‹ sagen?«
»Ja.« Noch nie
einen Angestellten gehabt.
»Bitte.«
Während ich mögliche
Zutaten für einen Lunch zusammenkratzte, erzählte ich ihr, wie
ich aus dem Fall Thomas einen Job für mich gemacht hatte. Da nicht
genug Eßbares im Haus war, beschlossen wir, einkaufen zu gehen. Und
ich erklärte ihr die Technik, wie man im Supermarkt Rabattmarken für
Dinge bekam, die man gar nicht gekauft hatte. Das bringt jedesmal, wenn es
funktioniert, ein, zwei Dollar.
»Aber ich habe Unmengen
Geld, Daddy.«
»Nun, wenn du es so
siehst…«, setzte ich an.
Das Telefon klingelte. Sam
nahm sofort den Hörer ab. »Albert Samson, Privatdetektei«,
sagte sie. »Kann ich Ihnen helfen?« Dann: »Für
dich, Daddy.«
»Wer ist dran?«
»Wer spricht, bitte?«
Pause. »Es ist ein Mr. Rush.«
»Rush?«
»War das Mr. Rush?«
fragte sie. »Ja, Mr. Rush«, sagte sie.
Ich nahm den Hörer
entgegen.
»Mr. Samson?«
Eine kraftvolle Stimme mit einem leicht schleppenden Tonfall. Er hörte
sich wie ein großer Mann an mit einem weißen, breitrandigen
Cowboyhut. »Ich höre, Sie waren heute morgen in meinem Büro,
um mit mir über unseren John Pighee zu sprechen.«
»Das stimmt, Mr. Rush.
Wie war Ihre Reise?«
»Reise?«
»Die Sekretärin
Ihrer Sekretärin sagte, Sie seien außer Landes. Wie stehen die
Angelegenheiten außer Landes?«
»Gut, gut. Bin früher
als geplant zurückgekommen. Ich habe eben erst Ihre Nachricht
vorgefunden und wollte Sie unbedingt sofort anrufen, um zu erfahren, was
Sie mit dem armen John zu tun haben und weswegen Sie mich sprechen
wollten.«
»Man hat mich engagiert«,
sagte ich, »um herauszufinden, was ihm zugestoßen ist.«
»Hm, er hatte einen
Unfall. Einen überaus unglücklichen Unfall.«
»So sieht es aus«,
sagte ich. »Aber da gibt es noch eine Menge ungeklärter Fragen.«
»Wirklich«, sagte
er. Aber es klang eher wie eine Feststellung.
»Sie sind ein vielbeschäftigter
Mann, Mr. Rush, aber…«
»Ich kann Sie jetzt
empfangen«, sagte er. »Ich verzichte aufs Mittagessen, wenn
Ihr Anliegen wirklich so wichtig ist.«
»Es ist wichtig für
meine Klientin.«
»Wann können Sie
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