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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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danke.«
    »Was ist los, trinken
     Sie nicht mit einer Dame, die trinkt?«
    »Ich habe keinen Durst«,
     sagte ich.
    Sie kostete ihre neue
     Mischung und sagte: »Ich dachte, Sie arbeiten für meine
     geliebte Schwägerin.«
    »Das tue ich auch. Aber
     ich habe ihren Auftrag so gut wie erledigt. Es kann jetzt nicht mehr lange
     dauern.«
    »Sie wollte ihn
     besuchen, stimmt’s?«
    »Stimmt.«
    »Verflixt, das sollte
     doch keine große Sache sein.«
    »Da bin ich Ihrer
     Meinung.«
    »Ich hoffe, sie hat Sie
     im voraus bezahlt.«
    Mein Schweigen verriet das
     Gegenteil.
    »Schwester Thomas mit
     dem gebrochenen Herzen. Sie ist die knickerigste Frau in ganz Beech Grove,
     und wenn Sie ihr Kredit geben, sind Sie der letzte aus der Gattung der
     Optimisten.«
    »Bitte sagen Sie nicht
     so was«, sagte ich.
    Sie zuckte die Achseln, aber
     ohne besonderes Mitleid.
    »Wer hat ihr von Johns
     Unfall erzählt?«
    »Ich. Am Tag, nachdem
     dieser Mann hier war. Am Nachmittag. Am Morgen habe ich nicht dran
     gedacht.«
    Ich sagte nichts.
    Plötzlich setzte sie
     sich auf.
    »Was ist los?«
     sagte ich.
    »Ihre Socken.«
    »Was ist damit?«
     Ich warf einen Blick darauf. »Gütiger Gott. Zwei verschiedene.«
    Sie lachte. Ich dachte einen
     Augenblick nach und versuchte mich zu erinnern, was aus dem anderen gelben
     und dem anderen roten geworden war.
    Nachdem ihr Gelächter
     abgeklungen war, sagte ich: »Haben Sie eine Vorstellung davon, was
     Ihr Mann in den Forschungslabors von Loftus tat? Ich habe mehrere Leute
     gefragt, und sie schienen alle nicht zu wissen, was er eigentlich
     vorhatte.«
    »Mit seiner Arbeit,
     meinen Sie?«
    »Ja.«
    »Keine Ahnung.«
    »Und außerhalb
     seiner Arbeit?«
    »Das weiß ich
     auch nicht«, sagte sie, nahm einen tiefen Schluck aus ihrem Glas und
     sah unglücklich aus. Ich wollte gerade etwas sagen, als sie klirrend
     ihr Glas auf den Tisch stellte und bemerkte: »Ihre Socken.«
    »Ich habe…«
    »Sie müssen sich
     ziemlich dumm Vorkommen deswegen. Ich werde Zusehen, daß Sie sich
     wohler fühlen. Ich ziehe jetzt etwas an, damit Sie sich behaglicher fühlen.«
     Sie stand ein wenig unsicher auf und verließ die Veranda. Sie war
     etwa fünf Minuten weg. Ich fühlte mich sehr unbehaglich.
    »Sind Sie fertig?«
     rief sie schließlich von der Tür aus.
    Ich wartete.
    Sie kam auf die Veranda
     herausmarschiert und hielt ihren Morgenmantel hoch, um ein Paar
     knielanger, gestrickter Strümpfe in Kastanienbraun und Orange zu
     zeigen. »Sind die nicht toll?« fragte sie. »Ich habe sie
     gestern in einer Schublade gefunden. Sie haben Simmy gehört, einer
     meiner Töchter. Sie hat sie in einem billigen Warenhaus gekauft, als
     sie sechs war. Sechs! Sie wollte mir nicht erlauben, sie zurückzubringen,
     weil sie in die Strümpfe hineinwachsen wollte. Sind sie nicht einfach
     zum Schreien! Ich habe so gelacht, als ich sie fand. Was Kinder sich alles
     in den Kopf setzen! Haben Sie schon je so was Komisches gesehen? Ich habe
     gelacht und gelacht, bis ich weinen mußte.« Sie lachte und
     fing dann an zu weinen. Ich stand auf und nahm sie in die Arme.
    »Sie wären jetzt
     zwölf geworden. Warum sollte ich John hassen?« fragte sie sich
     selbst. »Er hat doch nur mein Leben ruiniert und mir dann die
     einzige Entschädigung dafür genommen.«
    »Es tut mir leid«,
     sagte ich.
    »Weswegen?« Sie
     trat einen Schritt zurück, und wir sahen einander an.
    »Ich fühle mich
     jetzt wohler«, sagte ich.
    »Nun, Sie könnten
     schlimmer dran sein«, sagte sie. »Spendieren Sie uns eine
     Umarmung, Mr. Albert. Jede gute Frau sollte dreimal am Tag umarmt werden.«
    Ich umarmte sie.
    »Ich bin so müde«,
     sagte sie, »so müde.« Ich bettete sie auf ihr Sofa und
     zupfte den Morgenmantel für sie zurecht. Dann ging ich zurück
     durchs Haus und ins Freie.

 
    13
    Mrs. Thomas war zu Hause.
     Obwohl der Nachmittag klar und freundlich war und draußen auf dem
     Gras Stühle standen, saß sie in ihrem Aluminiumhaus. Ich
     klopfte an die Tür und sah sie durchs Fenster zu mir herausspähen.
    »Hallo, Mr. Samson«,
     sagte sie fröhlich. »Ich sehe, Sie haben gearbeitet.«
    »Ach, das können
     Sie sehen?« sagte ich. Mußte an den Socken liegen.
    »Kommen Sie herein«,
     sagte sie. »Weg von den Moskitos.«
    Wir setzten uns. »Ich
     habe tatsächlich gearbeitet«, sagte ich. »Aber hatten Sie
     etwas Bestimmtes im Sinn?«
    »Ein Mann hat mich
     heute nachmittag besucht«, sagte sie stolz.
    »Aha.«
    »Er

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