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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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hier sein?«
    »In ein paar Minuten.
     Ich bin in der Stadt.«
    »Ich habe Ihre Adresse«,
     sagte er kühl.
    »Soll ich Ihnen ein
     Sandwich mitbringen?«
    »Das ist nicht nötig«,
     sagte er.
    »Kann ich mitkommen?«
     fragte Sam, als ich aufgehängt hatte.
    »Nicht zu diesem Mann«,
     sagte ich. Sie widersprach nicht. Was auch gut war, denn es hätte
     nichts genützt. Aus irgendeinem Grund hatte John Pighees Name auf der
     Rückseite meiner Karte - ich konnte nicht glauben, daß es
     meiner auf der Vorderseite gewesen war - einen Loflus-Direktor dazu
     bewogen, mich unverzüglich anzurufen.
    Es war nur höflich, daß
     ich ihn ebenfalls unverzüglich aufsuchte. Gesagt, getan. Sam blieb im
     Wagen.
    Die beiden Sekretärinnen
     geleiteten mich persönlich in P. Henry Rushs Büro, und ehe ich
     mich’s versah, stand ich vor ihm.
    »Mr. Samson«,
     sagte er und kam mit ausgestreckter Hand vom Fenster aus auf mich zu. Ein
     guterhaltener, gepflegter Sechziger, mittelgroß, durchschnittlicher
     Körperbau. Er trug einen dunkelblauen Anzug, der gut zu seiner rosa
     Gesichtsfarbe und seinem weißen Haar paßte. Er ließ mich
     in einem der beiden Sessel Platz nehmen, die vor seinem Schreibtisch
     standen. Die Sessel standen einander gegenüber, in der Mitte ein
     kleiner Tisch, auf dem ein kleiner Philodendron prangte. Neben dem Tisch
     stand eine kleine amerikanische Flagge, die jedoch so plaziert war, daß
     sie uns nicht die Sicht versperrte. 
    »John Pighee«,
     sagte er. »Was genau haben Sie nun eigentlich mit ihm zu tun?«
    »Ein Mitglied seiner
     Familie, das sowohl ein humanitäres als auch ein familiäres
     Interesse hat, hat mich engagiert.«
    »Ich verstehe«,
     sagte er langsam. 
    »Lassen Sie mich meine
     Frage so formulieren«, begann ich. »Hat die Versicherung den
     Unfall überhaupt untersucht? Ich habe den Eindruck, nein.«
    »Was bringt Sie darauf?«
    »Man hat mich irrtümlich
     für einen Versicherungsdetektiv gehalten, und keiner von den Leuten,
     mit denen ich gesprochen habe, hat die Existenz eines echten
     Versicherungsberichts erwähnt.«
    »Es hat einen Bericht
     gegeben, basierend auf einer gründlichen Untersuchung aller Umstände
     durch unseren Verwaltungschef der Forschungsabteilung, Dr. Jay Dundree.«       
    »Ich habe mit Dundree
     gesprochen. Er hat nichts von einem Bericht gesagt.«
    »Haben Sie ihn denn
     danach gefragt?«
    »Nicht direkt. Aber er
     hat ein großes Geheimnis daraus gemacht, was eigentlich John Pighee
     zugestoßen ist. Er hatte einen ›Unfall‹; er war
     ›in eine Explosion‹ verwickelt. Das genügt mir nicht
     als Erklärung. Und jetzt sagen Sie, daß es keine unabhängige
     Untersuchung des Unfalls gegeben hat.«
    »Dr. Dundrees Bericht
     war vollständig, gründlich und professionell, das kann ich
     bezeugen. Und die Versicherungsgesellschaft hat ihn ohne weitere Fragen
     akzeptiert.«
    »Aufgrund dieses
     Berichts konnten Sie Ihre Ansprüche geltend machen?«
    »Nun ja«, sagte
     er. »Genaugenommen gibt es da keinen Anspruch gegenüber der
     Versicherungsgesellschaft.«
    »Loftus hat keine
     Forderungen gestellt?«
    »So habe ich das
     eigentlich nicht gemeint.«
    Ich verharrte in Schweigen.
    Rush fuhr fort. »Wir
     haben nicht den Betrag gefordert, den wir unter anderen Umständen
     gefordert hätten. Wenn Pighee zum Beispiel zum Forschungsstab gehört
     hätte und nicht zum Verkaufspersonal.«
    »Wenn John Pighee nicht…«,
     begann ich.
    »Es ist ziemlich
     kompliziert«, sagte er.
    »Sie wollen sagen, wenn
     Pighee stirbt, zahlt die Versicherungsgesellschaft keine Entschädigung?«
    »Nun, ich hoffe, daß
     eine Entschädigung überhaupt nicht nötig wird. Wir alle
     hoffen, daß Mr. Pighee wieder ganz gesund wird.«
    »Aber wenn nicht, wer
     zahlt dann die Entschädigung?«
    Er holte tief Luft. »Abgesehen
     von einem Minimum, das jedem Firmenangehörigen zusteht«, sagte
     er.
    »Aus Ihrem persönlichen
     Vermögen?«
    »Aus meinen persönlichen
     Quellen. Soweit nötig.«
    Ich runzelte die Stirn.
     »Ich verstehe nicht.«
    »Nein«, sagte er
     mit der Andeutung eines Lächelns. »Das überrascht mich
     nicht. Haben Sie die juristischen Unterlagen bezüglich der Entschädigungsfrage
     studiert, Mr. Samson?«
    »Noch nicht«, gab
     ich zu.
    »Wenn Sie es tun,
     werden Sie sehen, daß John Pighee eine Verzichtserklärung
     unterzeichnet hat. Darin steht, daß er auf jeden Schadensersatz
     verzichtet, und zwar zugunsten einer direkten

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