Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
Vom Netzwerk:
geworden.« Er lächelte
     Sam an.
    »Und wie sah es aus?«
    »Fürchterlich. Die
     ganze Ausrüstung zertrümmert. Glas und Holz und solche Sachen,
     überall. Mr. Pighee lag auf dem Boden. Ich persönlich dachte ja,
     er wäre tot.«
    »Haben Sie versucht,
     ihm zu helfen oder einen Krankenwagen zu rufen, oder was haben Sie getan?«
    »Ich habe überhaupt
     nichts getan. Ein paar Sekunden nach mir kam auch Dr. Dundree. Er hat sich
     um die ganze Sache gekümmert.«
    »Ist es noch während
     des Tages passiert?«
    »Nein, es war etwa acht
     Uhr abends.«
    »Wie kommt es, daß
     um diese Zeit noch so viele Leute da waren?«
    »In Forschungslabors
     wird zu den merkwürdigsten Stunden gearbeitet. Wahrscheinlich hatten
     sie noch irgend etwas zu tun.«
    »Aber nicht in
     demselben Labor, in dem Sie waren?«
    »Nein. Ich kämpfte
     mich gerade durch einen wahren Dschungel von Meßwerten auf einem
     Spektrometer. Wir machten alle sechs Stunden Messungen.«
    »Was für eine
     Arbeit machte Pighee?«
    »Weiß nicht. Ich
     habe nie im Lagerraum gearbeitet, ’tschuldigung, so nennen wir
     dieses Labor. Was immer da läuft, sie brauchen jedenfalls keine
     Techniker dafür.«
    »Ich hätte doch
     gedacht, daß in einer Firma jeder vom anderen weiß, was er
     tut.«
    »Da drin läuft
     etwas ganz Spezielles. Immer noch. Und sie gehen nicht das Risiko ein, daß
     Industriespione wie ich Hinz und Kunz oder dem Burschen im Drugstore an
     der Ecke was davon erzählen.«
    »Sind Sie ein
     Industriespion?«
    »Ein Spaß, Mann.
     Ein Witz. Diese Leute erzählen mir nicht, was ich ihrer Meinung nach
     nicht wissen soll.«
    »Ich verstehe«,
     sagte ich. »Wie lange arbeiten Sie schon für Loftus?«
    »Dreizehneinhalb sehr
     lange Monate«, sagte er.
    »Gefällt es Ihnen
     nicht?«
    »Sie sind was?«
     fragte er. »Ein Detektiv oder so was?«
    Ich nickte.
    »Tja, wie würde es
     Ihnen denn gefallen, herumzusitzen und die Berichte von anderen Detektiven
     abzutippen und selbst nie eine Chance zu bekommen, in Ihrem Job zu
     arbeiten?«
    »Man strapaziert dabei
     nicht gerade seine Fähigkeiten«, sagte ich.
    »Man braucht doch
     keinen Chemiker, um Reagenzgläser auszuwaschen, oder?«
    »Ich weiß nicht«,
     sagte ich, in dem Versuch, gutmütig zu sein. »Wie schwer ist es
     denn, Reagenzgläser auszuwaschen?«
    »Scheiße«,
     sagte er. »Oh, entschuldigen Sie bitte«, sagte er mit Blick
     auf Sam. »Immer heißt es nur, ich soll geduldig sein. Daß
     ich mich glücklich schätzen könne, überhaupt einen Job
     zu haben.«
    »Ist das wahr?«
    »Ich denke schon.«
    »Viele
     Naturwissenschaftler im Augenblick?«
    »Alles, was Beine hat.
     Ich bin Teil einer Schwemme. Geboren in einem Ghetto, Abschluß
     gemacht in einer Schwemme.«
    »Wenn Leute wie Sie auf
     die kleinste Chance lauern, wie kommt es dann, daß jemand wie John
     Pighee einfach daherspaziert und in einem speziellen Laborprojekt landet,
     von dem nicht einmal die Techniker Genaueres wissen?«
    »Keine Ahnung«,
     sagte er entrüstet.
    »Raymond!« rief
     seine Mutter hinter der Wohnzimmertür. »Zeit für dein
     Essen!«
    »Ja-a«, rief er
     zurück. Rührte sich jedoch nicht von der Stelle. Er sah, daß
     ich ihn beobachtete. »Kein Problem«, meinte er. »Fragen
     Sie nur zu.«
    »Wenn Sie nicht glücklich
     sind bei Loftus, warum bleiben Sie dann?«
    »Eine lange, traurige
     Story«, sagte er. »Selbst wenn ich irgendwo anders etwas
     Besseres finden könnte, ich habe mich verpflichtet, fünf Jahre
     lang in Indy zu bleiben. Mann, sieht so aus, als würden das lange
     Jahre werden.«
    »Verpflichtet?«
    Er wies mit dem Kopf auf die
     Tür. »Der Familie gegenüber«, sagte er. »Und
     so langsam kriege ich Platzangst hier, jawohl; ich weiß nicht, ob
     ich bis zum Ende durchhalte.«
    »Die Tücken des
     Provinzlebens«, sagte ich.
    »He, ja«, sagte
     er. »Mir gefällt es, wie Sie reden. Sie sind ein komischer
     Mann, Mann.« Er hielt inne und wies dann auf Sam. »Ist diese
     kleine Dame… Gehört sie zu Ihnen?«
    »Meine Tochter.«
    »Ist sie genauso
     komisch wie Sie?«
    »Zum Totlachen.«
    »Hätten Sie was
     dagegen, wenn ich, also wenn ich sie mal mit ins Kino nehme oder so? Ich
     brauche unbedingt ein paar Leute, die nicht andauernd von meiner Zukunft
     reden oder darüber, wie sie Sir Jefis Vermögen noch vergrößern
     können. Das Problem ist, daß all diese Mittelklasse-Miezen, mit
     denen meine Mutter mich zu verkuppeln sucht, vollauf damit beschäftigt
    

Weitere Kostenlose Bücher