Der stumme Handlungsreisende
hielt ich an einer Telefonzelle und rief Pighees Anwalt, Walter
Weston, an. In der unbestimmten Hoffnung, daß er noch in seinem Büro
war.
Was zutraf. Ich erklärte
ihm, daß ich zu ihm kommen wollte, um einen Blick auf die Papiere zu
werfen, die John Pighees finanzielle Arrangements mit Loftus betrafen.
»Ich kann sie Ihnen
nicht zeigen«, sagte er gereizt.
»Ich habe Mrs. Pighees
Erlaubnis«, sagte ich.
»Schriftlich?«
»Nein. Aber sie wird es
Ihnen am Telefon bestätigen, wenn Sie so freundlich sein wollen, sie
anzurufen, während ich mich auf den Weg zu Ihnen mache.«
»Ich muß das
schriftlich haben«, sagte er. Ich sah ihn buchstäblich vor mir,
wie er an seinem Schreibtisch saß und sein schwarzes Haar von einer
Seite zur anderen schüttelte.
»Warum?«
»Weil ich nicht damit
einverstanden bin. Und wenn John wieder gesund wird und wissen will, warum
ich einem Fremden erlaubt habe, seine Papiere einzusehen, möchte ich
in der Lage sein, ihm zu beweisen, daß Linn darauf bestanden hat.
Sollen die beiden das doch unter sich ausmachen.«
Ich rief Linn Pighee zu Hause
an. Ich hatte sie praktisch schlafend verlassen, und ich wollte sie
eigentlich nicht wecken. Aber es war mein letzter Tag an dem Fall. Das
rechtfertigte den Anruf - in meinen Augen wenigstens.
Aber sie schien vollkommen
wach zu sein, als sie ans Telefon ging. »Mr. Albert! Du lieber
Himmel, da will ein Mädchen mal ein kleines Schläfchen machen,
und plötzlich ist Tag der offenen Tür.«
»Tatsächlich?«
»Ich schlief, und es
klingelte an der Tür, und es war meine Medizin, und dann klingelte
auch noch das Telefon. Ich scheine langsam in Mode zu kommen.«
Ich erklärte ihr, daß
ich noch einmal zu ihr rauskommen wollte, um eine unterschriebene
Vollmacht zu bekommen, die es mir ermöglichen sollte, die Papiere
ihres Mannes einzusehen.
»Sie können jetzt
nicht kommen«, sagte sie.
»Es dauert nur eine
Minute.«
»Nein!« sagte sie
und klang plötzlich sehr schrill. »Wenn Sie kommen, dann werde
ich Ihnen nicht die Tür aufmachen.«
»Warum nicht?«
fragte ich gereizt, weil meine Wut auf Mrs. Thomas noch nicht verraucht
war.
»Ich möchte
einfach heute abend niemand mehr sehen. Das ist alles. Und ich muß
auch nicht, wenn ich nicht will. Kommen Sie morgen früh wieder, ja?«
Ich dachte, ich hätte
neben ihrer Stimme noch ein anderes, tieferes Geräusch gehört,
aber es kam nicht wieder. Ich sagte: »Aber ich bin jetzt praktisch
in Beech Grove. Morgen habe ich keine Zeit, um vormittags rauszukommen.«
»Sie können nicht
kommen«, sagte sie. »Ich… ich werde… ich werde
selbst in die Stadt kommen, wenn es so wichtig ist.«
Ich seufzte. »In meinem
Büro. Gegen elf«, sagte ich und legte einfach auf.
Dann rief ich Weston wieder
an, um ihm mitzuteilen, daß ich im Augenblick keine Zeit hätte,
nach Beech Grove zu fahren, daß ich jedoch Mrs. Pighee am nächsten
Morgen treffen und bei ihm am Nachmittag vorbeischauen würde.
Bevor ich den Rest des Weges
vom Telefon zu Bud’s Dugout in Angriff nahm, brachte ich mein
Notizbuch auf den neuesten Stand. Keine angenehme Aufgabe. Ich hasse unbeantwortete Fragen, vor allem,
wenn ich mir erst einmal die Mühe gemacht habe, sie zu stellen. Und
ich hasse käufliche Klienten. Was nützt einem Detektiv die schönste
Unbestechlichkeit, wenn sein Klient so leicht umkippt?
Und ich war mehr als nur wütend.
Ganz abgesehen davon, daß Linn Pighee mir zugunsten ihrer Medizin
einen Korb gegeben hatte, war ich mittlerweile argwöhnisch geworden.
Rush hatte sich nicht so verhalten, als sei es eine große Sache,
Besucher von John Pighee fernzuhalten, und doch hatte Dundree alle
Register gezogen, um Mrs. Thomas einen Besuch auszureden. Es schien
legitim zu fragen, warum. Ich wünschte, außer mir würde
sich noch jemand dafür interessieren.
Sam tat es. Ich segnete sie
dafür.
»Gott segne dich, Sam.«
»Sieht so aus, als würden
die da was vertuschen, hm, Daddy?« So ausgedrückt, begann ich
plötzlich, die andere Seite zu sehen.
»Na ja… sie könnten
auch durchaus ganz und gar ehrliche Gründe haben.«
»Nein«, sagte
Sam. »Die würden sie dir sagen, einfach, damit du ihnen nicht länger
auf die Nerven gehst. Irgend jemand vertuscht da was.«
»Es hört sich so
einfältig an, wie du das sagst«, sagte ich mitleidlos.
»Das stimmt nicht. Ich
bin sehr
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