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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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Hause war. Ich hatte ganz vergessen, wie väterliche Sorgen sich anfühlen.
     Es war lange her, seit ich zuletzt der Vater eines Kindes war, dessen
     Vater ich war. 
    Um Viertel nach eins hörte
     ich sie die Treppe heraufspringen.
    »Oh!« sagte sie,
     als ich ins Wohnzimmer kam. Sie saß auf meinem Eßzimmerstuhl
     und wartete darauf, daß die Milch auf dem Herd heiß wurde.
     »Ich wollte mir gerade einen Instantkaffee machen«, sagte sie.
    »Mit Milch?«
    »Halb Milch, halb
     Wasser. Wofür ist das Stirnrunzeln?«
    »So sieht mein Gesicht
     in Ruhestellung immer aus.« Ich zögerte, dann setzte ich mich.
    Sie gab einen Löffel
     Kaffeepulver in eine Tasse, goß den Inhalt des Topfes darüber
     und setzte sich auf ihre Luftmatratze. »Also«, sagte sie,
     »wo soll ich anfangen?«       
    Was Raymond McGonigle von
     einer Verabredung mit meiner Tochter erhofft hatte, wußte ich nicht,
     aber ihre Seite der Dinge hörte sich so an, als hätten sie die
     Stunden mit einem stetigen Frage-und-Antwort-Spiel verbracht. »Zunächst
     mal habe ich ihn nach sich selbst gefragt«, sagte sie. »Ich habe
     herausgefunden, daß die Leute das mögen.«
    »Ach, wirklich?«
    »Wußtest du, daß
     er drei ältere Schwestern hat und daß er der einzige Junge ist?«
    *
    Der Unterschied - einer der
     Unterschiede - zwischen einem Detektivneuling und einem erfahrenen
     Detektiv besteht in der Fähigkeit, aus den verfügbaren
     Informationen auszuwählen. Herauszufinden, was wichtig ist und was
     nicht. Sam hatte Informationen, das stimmte; aber es war schon nach zwei,
     bevor John Pighees Name fiel.
    »Aber Ray kannte ihn
     nicht gut.«
    »Das hat er mir bereits
     gesagt.«
    »Ich bin sicher, das
     hat er nicht. Die sind alle sehr zugeknöpft da. Hört sich an,
     als wäre es schrecklich, dort zu arbeiten.«
    »Nicht besonders
     angenehm, was?«
    »Nicht für die
     Leute weiter unten, Leute wie Ray. Er haßt es. Nicht seinen Fähigkeiten
     entsprechend arbeiten zu können ist schlimm genug, aber die einzigen
     Leute, mit denen er zu tun hat, sind andere Techniker. Die unteren
     Techniker; es gibt da einen Techniker weiter oben, der Seafield heißt
     und sich an Leute wie Dr. Dundree hält.«
    »Und an John Pighee.«
    »Ja. Habe ich das gut
     gemacht, Daddy?«
    »Sehr gut, Kind.«
    Sie lächelte. Ich
     bemerkte, daß sie ganz rote Augen hatte.
    »Ich sage dir, was ich
     tun werde, Sam. Morgen früh gebe ich dir ein Notizbuch. Ich möchte,
     daß du alles über dein Gespräch mit R. McGonigle
     aufschreibst. Rauf aufs Papier und raus aus dem Gedächtnis.«
    »Ich kann tippen«,
     sagte sie.
    »Um so besser.«
    *
    Ich erwachte um halb zehn.
     Dafür, daß ich arbeitslos war, fühlte ich mich sehr gut.
     Ich klopfte an die Tür zwischen meinem Schlafzimmer und dem
     Wohnzimmer.
    »Hallo?«
    »Schon salonfähig,
     Sam?«
    »Noch von gestern, Dad?«
    »Ja.«
    »Na gut. Also dann, ich
     bin salonfähig.«
    Ich ging ins Wohnzimmer. Sie
     lag mit einem Buch auf dem Bett. Salonfähig und angezogen.
    »Daddy? Was ist deine
     Lebensphilosophie?«
    »Toast und Orangensaft.«
    »Ich hol’s, ich
     hol’s.«
    Aber am Ende holte ich es,
     weil ich wußte, wie man das Brot über dem Gasbrenner bräunte,
     indem man es auf eine Gabel aufspießte.
    »Ich kaufe dir einen
     elektrischen Toaster, bevor ich gehe«, sagte Sam. »Mami hat
     gesagt, ich soll Ausschau halten nach Dingen, die dir fehlen.«
    »Wann verschwindest du
     eigentlich wieder aus Indianapolis?« Schweigend aßen wir
     unseren Toast auf.
    »Also, wie machen wir
     heute mit unserem Fall weiter?« fragte Sam strahlend, während
     sie den Kaffee eingoß.
    »Wir schreiben eine
     Rechnung für Mrs. Thomas, stecken sie in den Briefkasten, lehnen uns
     zurück und warten auf einen neuen Klienten.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich meine, wir haben
     keinen Klienten, also sind wir den Fall los. So ist das Leben in einem
     Detektivbüro. Wenn kein Geld reinkommt, läuft man nicht herum
     und gibt welches aus. Man kauert sich in eine Ecke und schont seine
     Ressourcen.«
    Obwohl sie verwirrt war,
     wollte sie gerade etwas erwidern, als das Telefon klingelte.
    Ich ging dran. »Mr.
     Samson, hier ist Linn Pighee.«
    »Hallo, Mrs. Pighee.«
    »Sie können heute
     morgen kommen. Um wieviel Uhr können Sie da sein?«
    »Das letzte, was ich
     gehört habe, war, daß Sie hierher kommen wollten.«
    »Ach, das paßt
     mir eigentlich doch nicht. Mir wäre es lieber… viel lieber,
     wenn Sie hierher

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