Der stumme Handlungsreisende
Hause war. Ich hatte ganz vergessen, wie väterliche Sorgen sich anfühlen.
Es war lange her, seit ich zuletzt der Vater eines Kindes war, dessen
Vater ich war.
Um Viertel nach eins hörte
ich sie die Treppe heraufspringen.
»Oh!« sagte sie,
als ich ins Wohnzimmer kam. Sie saß auf meinem Eßzimmerstuhl
und wartete darauf, daß die Milch auf dem Herd heiß wurde.
»Ich wollte mir gerade einen Instantkaffee machen«, sagte sie.
»Mit Milch?«
»Halb Milch, halb
Wasser. Wofür ist das Stirnrunzeln?«
»So sieht mein Gesicht
in Ruhestellung immer aus.« Ich zögerte, dann setzte ich mich.
Sie gab einen Löffel
Kaffeepulver in eine Tasse, goß den Inhalt des Topfes darüber
und setzte sich auf ihre Luftmatratze. »Also«, sagte sie,
»wo soll ich anfangen?«
Was Raymond McGonigle von
einer Verabredung mit meiner Tochter erhofft hatte, wußte ich nicht,
aber ihre Seite der Dinge hörte sich so an, als hätten sie die
Stunden mit einem stetigen Frage-und-Antwort-Spiel verbracht. »Zunächst
mal habe ich ihn nach sich selbst gefragt«, sagte sie. »Ich habe
herausgefunden, daß die Leute das mögen.«
»Ach, wirklich?«
»Wußtest du, daß
er drei ältere Schwestern hat und daß er der einzige Junge ist?«
*
Der Unterschied - einer der
Unterschiede - zwischen einem Detektivneuling und einem erfahrenen
Detektiv besteht in der Fähigkeit, aus den verfügbaren
Informationen auszuwählen. Herauszufinden, was wichtig ist und was
nicht. Sam hatte Informationen, das stimmte; aber es war schon nach zwei,
bevor John Pighees Name fiel.
»Aber Ray kannte ihn
nicht gut.«
»Das hat er mir bereits
gesagt.«
»Ich bin sicher, das
hat er nicht. Die sind alle sehr zugeknöpft da. Hört sich an,
als wäre es schrecklich, dort zu arbeiten.«
»Nicht besonders
angenehm, was?«
»Nicht für die
Leute weiter unten, Leute wie Ray. Er haßt es. Nicht seinen Fähigkeiten
entsprechend arbeiten zu können ist schlimm genug, aber die einzigen
Leute, mit denen er zu tun hat, sind andere Techniker. Die unteren
Techniker; es gibt da einen Techniker weiter oben, der Seafield heißt
und sich an Leute wie Dr. Dundree hält.«
»Und an John Pighee.«
»Ja. Habe ich das gut
gemacht, Daddy?«
»Sehr gut, Kind.«
Sie lächelte. Ich
bemerkte, daß sie ganz rote Augen hatte.
»Ich sage dir, was ich
tun werde, Sam. Morgen früh gebe ich dir ein Notizbuch. Ich möchte,
daß du alles über dein Gespräch mit R. McGonigle
aufschreibst. Rauf aufs Papier und raus aus dem Gedächtnis.«
»Ich kann tippen«,
sagte sie.
»Um so besser.«
*
Ich erwachte um halb zehn.
Dafür, daß ich arbeitslos war, fühlte ich mich sehr gut.
Ich klopfte an die Tür zwischen meinem Schlafzimmer und dem
Wohnzimmer.
»Hallo?«
»Schon salonfähig,
Sam?«
»Noch von gestern, Dad?«
»Ja.«
»Na gut. Also dann, ich
bin salonfähig.«
Ich ging ins Wohnzimmer. Sie
lag mit einem Buch auf dem Bett. Salonfähig und angezogen.
»Daddy? Was ist deine
Lebensphilosophie?«
»Toast und Orangensaft.«
»Ich hol’s, ich
hol’s.«
Aber am Ende holte ich es,
weil ich wußte, wie man das Brot über dem Gasbrenner bräunte,
indem man es auf eine Gabel aufspießte.
»Ich kaufe dir einen
elektrischen Toaster, bevor ich gehe«, sagte Sam. »Mami hat
gesagt, ich soll Ausschau halten nach Dingen, die dir fehlen.«
»Wann verschwindest du
eigentlich wieder aus Indianapolis?« Schweigend aßen wir
unseren Toast auf.
»Also, wie machen wir
heute mit unserem Fall weiter?« fragte Sam strahlend, während
sie den Kaffee eingoß.
»Wir schreiben eine
Rechnung für Mrs. Thomas, stecken sie in den Briefkasten, lehnen uns
zurück und warten auf einen neuen Klienten.«
»Wie meinst du das?«
»Ich meine, wir haben
keinen Klienten, also sind wir den Fall los. So ist das Leben in einem
Detektivbüro. Wenn kein Geld reinkommt, läuft man nicht herum
und gibt welches aus. Man kauert sich in eine Ecke und schont seine
Ressourcen.«
Obwohl sie verwirrt war,
wollte sie gerade etwas erwidern, als das Telefon klingelte.
Ich ging dran. »Mr.
Samson, hier ist Linn Pighee.«
»Hallo, Mrs. Pighee.«
»Sie können heute
morgen kommen. Um wieviel Uhr können Sie da sein?«
»Das letzte, was ich
gehört habe, war, daß Sie hierher kommen wollten.«
»Ach, das paßt
mir eigentlich doch nicht. Mir wäre es lieber… viel lieber,
wenn Sie hierher
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