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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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mir, er sei nicht im Hause und werde heute vielleicht auch gar nicht
     kommen; von wem sie etwas ausrichten dürfe.
    »Vielleicht«,
     soufflierte ich, »muß er heute noch verreisen.«
    »Ja«, sagte sie.
    »Mein Name ist Albert
     Samson«, sagte ich. »Ich rufe wegen John Austin Pighee an. Ich
     möchte, daß er mich vor zehn zurückruft, weil ich dann nämlich
     zur Polizei gehe.«
    Scheinbar ungerührt
     wiederholte sie mir die Nachricht und hängte auf.
    »Das klang ja
     knallhart, Daddy«, sagte Sam mit weitaufgerissenen Augen. »Gehst
     du wirklich zur Polizei? Wenn er nicht zurückruft, meine ich?«
    »Ich glaube nicht, daß
     es soweit kommt«, sagte ich.
    Und das kam es auch nicht. Um
     zehn vor zehn klingelte das Telefon. P. Henry Rush.
    »Ich bin gerade
     hereingekommen, und meine Sekretärin hat mir Ihre seltsame Botschaft
     ausgerichtet, Samson. Ich weiß nicht, worum es geht, aber in meinen
     Ohren klingt das nach einer ziemlich dünn verschleierten Drohung.
     Vielleicht sollte ich derjenige sein, der von Polizei spricht.«
    »Gehen wir zusammen
     hin, ja?«
    »Was soll das Ganze?«
     Er versteifte sich merklich.
    »Es geht um den Zutritt
     zu John Pighee«, sagte ich.
    »Ich dachte, das hätten
     wir schon hinter uns gebracht. Letzten… Freitag. Um die
     Mittagszeit, nicht wahr? Ich habe in der Klinik angerufen und Anweisung
     gegeben, Besuche der Familie zu gestatten. Hat man Ihre Klientin erneut
     abgewiesen?«
    »Nein.«
    »Und?«
    »Meine Klientin von
     Freitag war Pighees Schwester. Eine Stunde nachdem ich mit Ihnen
     gesprochen hatte, kreuzte Dr. Jay Dundree bei der Dame auf und kaufte sie.«
    »Kaufte sie?« Es
     klang so, als habe diese Ausdrucksweise einen üblen Beigeschmack für
     ihn.
    »Er hat ihr ihren ausdrücklichen
     und heftigen Wunsch, ihren Bruder zu besuchen, ausgeredet und ihr Geld
     gegeben.«
    »Also haben Sie keine
     Klientin mehr«, sagte er. »Ich verstehe.«
    »Ich habe eine neue
     Klientin«, sagte ich. »Mrs. Pighee. Und sie will ihren Mann
     sehen.«
    »Sie haben… ?«
     sagte er. »Sie will… ?«
    »Genau. Heute.«
    »Ich verstehe, daß
     es Ihnen möglicherweise mißfällt, daß Dr. Dundree
     Ihre Klientin davon überzeugt hat, daß sie Ihre Dienste nicht
     weiter benötigt. Aber Sie hören sich an, als hätten Sie das
     Ganze ziemlich persönlich genommen. Wollen Sie vielleicht andeuten,
     daß ich etwas mit Dr. Dundrees Vorgehen zu tun habe?«
    »Wer weiß«,
     sagte ich. »Ja, es ist mir durch den Sinn gegangen.«
    »Stimmt aber nicht. Während
     Dr. Dundree sich von seinen Pflichten befreit hat, um die Schwester eines
     verletzten Kollegen zu besuchen, habe ich alles arrangiert, damit sie
     ihren Bruder besuchen kann, sofern sie das will. Erst später habe ich
     herausgefunden, daß er mein Einschreiten unnötig gemacht hat.
     Aber wir haben eindeutig getrennt gehandelt. Ich glaube, Sie haben ihn
     Freitag morgen aufgesucht und ihm von den Sorgen der Schwester erzählt.
     Sein weiteres Vorgehen war eine Reaktion auf Ihren Besuch. Er wußte
     nicht, daß Sie mich im Zusammenhang mit derselben Angelegenheit
     ebenfalls aufgesucht hatten.«
    Es klang überzeugend.
     »Sie sind hoffentlich nicht beleidigt«, sagte ich, »wenn
     ich Ihnen nicht unbedingt glaube.«
    »Was ich sage, ist die
     Wahrheit, Samson. Außerdem ist es bereits passé. Sie sagen,
     Sie haben eine neue Klientin, die John Pighee sehen möchte?«
    »Seine Frau, ja. Sie möchte
     ihn heute sehen.«
    »Aus heiterem Himmel?
     Nach sieben Monaten?«
    »Heute«, sagte
     ich.
    »Ich weiß nicht,
     welche Befriedigung sie sich von dem Besuch bei einem Mann erhofft, der im
     Koma liegt.«
    »Ich bin sicher, daß
     Sie das nicht wissen«, sagte ich.
    »Kennt sie die
     medizinischen Risiken, denen sie ihren Mann vielleicht aussetzt?«
    »Die alte Leier«,
     sagte ich. »Wir sind um vier im Krankenhaus, und wir erwarten, daß
     man uns John Pighee sehen läßt. Wenn man uns davon abhält,
     können Sie zumindest mit gerichtlichen Schritten und Zeitungsartikeln rechnen. Und aller
     Wahrscheinlichkeit nach auch mit polizeilichen Nachforschungen.«
    »Sie erwähnten die
     Polizei in Ihrer Nachricht«, sagte Rush. »Ich dachte, das sei
     nur ein billiger Trick gewesen, um meine Aufmerksamkeit zu erzwingen.«
    »Ich bin nicht gerade
     teuer«, sagte ich, »aber ich bin auch nicht billig.«
    »Wollen Sie allen
     Ernstes die Polizei in diese Angelegenheit hineinziehen? Denn man
     verschwendet nicht leichtfertig Zeit

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