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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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Telefon und hörte zu, wie Ray im Nebenzimmer meine Tür
     zu Sägespänen verarbeitete. Zwanzig Minuten lang passierte gar
     nichts. Also machte ich mir etwas zu essen. Bohnen und Kaviar, was das
     einzige zu sein schien, was wir neben Bier im Hause hatten.
    Um zwanzig nach sechs kam Sam
     herein und verkündete: »Die Tür hängt wieder.«
     Gleichzeitig klingelte das Telefon.
    »Ja?« sagte ich.
    »Ich habe Kontakt zu
     einem der Sicherheitsbeamten vom Haupttor. Er hat jetzt Dienst.
     Sein Freund sagt, daß er ihn anrufen würde, daß du aber
     hinfahren müßtest und daß du, was immer du vorhast, auf
     dem Gelände der Firma erledigen müßtest. Du kannst keine
     Dienstbücher mitnehmen. Ist das in Ordnung?«
    »Ich fahre sofort hin«,
     sagte ich.
    »Der Name des Burschen
     ist Russell Fincastle. Deinen Namen wird er bereits kennen.«
    »Okay. Danke, Jerry.«
    »Morgen«, sagte
     er fest. »Morgen.«
    Ich steckte mein Notizbuch
     ein und machte mich auf den Weg in die Außenwelt.
    »Wie gefällt es
     dir, Daddy?« fragte Sam, nicht übermäßig
     zuversichtlich. Die Tür war wieder an ihrem Platz. Mit einer zwei
     Zoll breiten Spalte an der Unterseite. Ich warf ihrem
     Wissenschaftlerfreund einen kurzen Blick zu. Dann öffnete ich die Tür.
     Es ging ohne Schwierigkeiten. Man mußte lediglich den Griff nach
     unten drücken und ziehen.
    »Wenigstens klemmt sie
     jetzt nicht mehr«, sagte ich. Und ging. Ich zog die Tür hinter
     mir zu. Sie knallte gegen den Rahmen und flog wieder auf.
    »Man kann sie zumachen,
     Daddy«, beeilte sich Sam mir zu versichern. »Wenn du sie
     hochhebst und vorsichtig ziehst.«
    Russell Fincastle war klein
     und mager und jung. Ich stellte mich vor, und wir schüttelten
     einander die Hand - die linke. Er zeigte mir zwei dickverbundene Finger an
     seiner rechten Hand.
    »Harter Job hier, was?«
     fragte ich.
    Er lachte bescheiden. »Hab
     sie mir beim Ballspiel gebrochen.«
    »Ball?«
    »Basketball. Dachte,
     ich hätte sie mir nur verstaucht, wie das schon mal vorkommt. Hab den
     Ball nur mit den Fingerspitzen getroffen. Und die beiden Biester waren
     gleich hinüber.«
    »Pech. Wo spielen Sie?«
    »Im Sommer im Park. Im
     Winter in der Industrieliga. Semipro. Und ein bißchen Kleingeld von
     denen wird mir bestimmt nicht weh tun.« Er sah mich kühl an.
    »Ah«, sagte ich,
     »ein bißchen Kleingeld. Wie ist denn der Kurs für einen
     Blick in Ihre Dienstbücher? Sind fünf genug?«
    »Zehn wären besser«,
     sagte er.
    »Ganz bestimmt, und
     zwanzig wären noch besser, aber fünf sind mein Limit.«
    Er nickte nur. Ich zog meine
     Brieftasche heraus. Fand vier Scheine darin. Fischte in meinen Taschen und
     bekam noch mal achtundneunzig Cent zusammen.
    Er lachte. »Scheint
     mein Glückstag zu sein, heute«, sagte er. Und zeigte mir das
     laufende Dienstbuch.
    »Ich interessiere mich
     für den Januar.«
    »Januar?«
    »Ja. Sie bewahren Ihre
     Bücher doch so lange auf, oder?«
    »Hm, ja. Ach zum
     Teufel, das wird schon in Ordnung sein, denke ich.« Er zog unter dem
     Tisch am Fenster ein großes Buch hervor.
    »Wer genau muß
     sich in diese Dinger eintragen?«
    »Jeder, der nach sechs
     Uhr kommt oder geht oder irgendwann an Feiertagen oder am Wochenende.«
    »Jeder? Es gibt keine
     anderen Eingänge auf dem Gelände, durch die die Leute ein und
     aus gehen können?«
    »Nicht nach sechs.«
    »Würde Sir Jeff
     sich hier auch eintragen müssen?« fragte ich.
    »Wenn ich Dienst hätte,
     schon«, sagte er.
    Ich begann mit dem 1. Januar,
     da ich nicht genau wußte, an welchem Tag John Pighees Unfall
     stattgefunden hatte. Alle sagten übereinstimmend, daß es sieben
     Monate her sei, und das hieß Januar.
    Ich fand John Pighees Namen,
     eingetragen um ein Uhr fünfzehn und wieder ausgetragen um sechs Uhr
     dreißig am 1. Januar. Es standen nur acht weitere Namen für den
     1. Januar in dem Buch. Was mir ziemlich viel erschien für einen
     Neujahrstag, der schließlich der Tag nach Silvester ist. Aber am 1.
     Januar gab es sogar einunddreißig Namen. Der von Pighee war nicht
     dabei.
    »Eine Menge Leute gehen
     hier zu den seltsamsten Stunden ein und aus«, sagte ich zu
     Fincastle.
    »Genau deshalb sitze
     ich ja hier«, sagte er.
    »Gibt es eine Möglichkeit
     herauszufinden, wo genau innerhalb der Sicherheitsgrenze sie sich
     aufgehalten haben?«
    Er zeigte mir eine Spalte mit
     Schnörkeln, der man entnehmen konnte, wo die Leute nach ihren eigenen
     Angaben gewesen waren. F 3

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