Der stumme Handlungsreisende
es,
Sam. Ich fühle, daß es ein perfektes Timing ist. Das möchte
ich nicht verlieren.«
»Das Gefühl?«
»Und die Konzentration.
Ich hasse es, etwas sausen zu lassen, an dem ich hart gearbeitet habe. Ich
habe eine Abmachung getroffen wegen einer Angelegenheit, die ich nicht
verstehe. Einen Tag später bin ich mir vielleicht nicht mehr so
sicher. Ich will das einfach nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.«
Sie schwieg eine Weile.
Das gab mir die Zeit, die ich
brauchte, um mich selbst davon zu überzeugen, daß ich Linn
nicht bedrängen würde. Wenn sie wirklich nicht gehen wollte, würde
ich ihr nicht damit drohen, sie an Händen und Füßen zu
fesseln und die Treppe hinunterzurollen. Wenn ihr Problem hauptsächlich
ein psychisches war, würde ihr die Überwindung eines kleinen
Hindernisses vielleicht dabei helfen, genug Selbstvertrauen aufzubauen, um
die größeren anzugehen.
»Du und Mami, ihr müßt
eine Menge Schwierigkeiten gehabt haben, als ihr noch zusammen wart«,
sagte Sam.
»Was?«
»Ihr müßt
doch einmal etwas füreinander empfunden haben. Du hättest das
alles doch nicht grundlos weggeworfen.«
»Das habe ich auch
nicht«, sagte ich, als ich nach einer Weile aus längst
vergangenen Zeiten wieder auftauchte.
»Und genau genommen war
auch nicht ich derjenige, der es weggeworfen hat.«
»Mami sagt das aber.«
»Ihr sprecht über
mich?«
»Natürlich!«
brach es aus ihr hervor. »Du bist mein Vater. Sie ist meine Mutter.
Natürlich möchte ich etwas über dich wissen. Ich bin schließlich
auch neugierig, weißt du?«
Und endlich wurde mir klar,
warum ein lebenshungriges Kind sich ein paar Sommerwochen Zeit nahm, um
mit einem alten Herrn herumzuhängen, den sie kaum jemals gesehen
hatte, noch dazu in Indianapolis. Der Grund dafür war, daß es
ihr alter Herr war und daß sie, hilflos in das Leben anderer
Menschen hineingeworfen, wenig genug besaß, was ihr gehörte,
ganz ihr gehörte.
»Wir… deine
Mutter und ich… wir haben uns sozusagen kennengelernt zu einer
Zeit, als wir beide dachten, wir wären etwas anderes, als wir waren,
etwas anderes, als wir sind.«
»Sie glaubt, daß
es dumm von dir ist, deine Zeit als Detektiv zu verschwenden.«
Trotz all der Jahre tat es
weh.
»Und ich glaube, daß
sie dumm ist, sich damit zufriedenzugeben, die Frau eines reichen Mannes
zu sein. Das alles hat sie schon getan, während sie einfach nur die
Tochter ihres reichen Vaters war. Sie hatte ’ne Menge drauf, unter
all der Seide.«
»Tut es immer noch weh?«
Ich wollte ihr gegenüber
nicht zugeben, was ich bereits mir gegenüber zugegeben hatte. »Gebranntes
Kind…« sagte ich. In dem
Versuch, mich undurchsichtig zu geben. Aber ich konnte ihr nichts
vormachen.
»Das habe ich mir
gedacht«, sagte sie. Dann, ohne jeglichen logischen Grund fuhr sie
fort: »Du hast mir tolle Briefe geschrieben, als ich noch klein war.«
»Wir waren ja auch
Spielkameraden. Briefspielkameraden. Jetzt bist du mir über den Kopf
gewachsen.«
»Daddy, warum bist du
Privatdetektiv geworden?«
»Damals kam es mir
einfach so vor, als wäre es eine gute Idee. Und jetzt - tja, jetzt
weiß ich viel mehr darüber als am Anfang. Und es wäre doch
eine Schande, all das schöne Wissen einfach wegzuwerfen. Außerdem
mag ich diese seltenen Gelegenheiten, alle ein bis zwei Jahre, wenn jemand
mir etwas Interessantes erzählt.«
»Aber warum gibst du
dir dann nicht mehr Mühe damit? Warum arbeitest du nicht härter
daran?«
»Es gibt keine
Belohnung für harte Arbeit. Nur mehr Geld und weniger Zeit, es zu
genießen.«
»Aber…«
»Und ich verschwende
nicht gern meine Gedanken und meine Gefühle an Dinge, die nicht
wirklich interessant sind. Ich hebe sie mir lieber für Situationen
wie diese auf, so daß ich mein Bestes geben kann, selbst wenn das
nicht gut genug ist.«
Die Antwort schien sie zu
befriedigen. Auch wenn sie mich selbst nicht befriedigte.
Zumindest stellte sie keine
weiteren Fragen mehr. Ich sagte: »Ich möchte Linn nicht dazu
zwingen, heute nachmittag ins Krankenhaus zu fahren. Aber wenn sie dazu
bereit ist, dann werde ich sie unterstützen.«
Gelassen akzeptierte Sam
diese Rückkehr zu unserer Arbeit. »Könntest du nicht noch
irgend etwas anderes für sie tun?«
»Irgendwelche Vorschläge?«
»Ich weiß nicht«,
sagte sie. »Ich weiß im Grunde genommen überhaupt
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