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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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es,
     Sam. Ich fühle, daß es ein perfektes Timing ist. Das möchte
     ich nicht verlieren.«
    »Das Gefühl?«
    »Und die Konzentration.
     Ich hasse es, etwas sausen zu lassen, an dem ich hart gearbeitet habe. Ich
     habe eine Abmachung getroffen wegen einer Angelegenheit, die ich nicht
     verstehe. Einen Tag später bin ich mir vielleicht nicht mehr so
     sicher. Ich will das einfach nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.«
    Sie schwieg eine Weile.
    Das gab mir die Zeit, die ich
     brauchte, um mich selbst davon zu überzeugen, daß ich Linn
     nicht bedrängen würde. Wenn sie wirklich nicht gehen wollte, würde
     ich ihr nicht damit drohen, sie an Händen und Füßen zu
     fesseln und die Treppe hinunterzurollen. Wenn ihr Problem hauptsächlich
     ein psychisches war, würde ihr die Überwindung eines kleinen
     Hindernisses vielleicht dabei helfen, genug Selbstvertrauen aufzubauen, um
     die größeren anzugehen.
    »Du und Mami, ihr müßt
     eine Menge Schwierigkeiten gehabt haben, als ihr noch zusammen wart«,
     sagte Sam.
    »Was?«
    »Ihr müßt
     doch einmal etwas füreinander empfunden haben. Du hättest das
     alles doch nicht grundlos weggeworfen.«
    »Das habe ich auch
     nicht«, sagte ich, als ich nach einer Weile aus längst
     vergangenen Zeiten wieder auftauchte.
    »Und genau genommen war
     auch nicht ich derjenige, der es weggeworfen hat.«
    »Mami sagt das aber.«
    »Ihr sprecht über
     mich?«
    »Natürlich!«
     brach es aus ihr hervor. »Du bist mein Vater. Sie ist meine Mutter.
     Natürlich möchte ich etwas über dich wissen. Ich bin schließlich
     auch neugierig, weißt du?«
    Und endlich wurde mir klar,
     warum ein lebenshungriges Kind sich ein paar Sommerwochen Zeit nahm, um
     mit einem alten Herrn herumzuhängen, den sie kaum jemals gesehen
     hatte, noch dazu in Indianapolis. Der Grund dafür war, daß es
     ihr alter Herr war und daß sie, hilflos in das Leben anderer
     Menschen hineingeworfen, wenig genug besaß, was ihr gehörte,
     ganz ihr gehörte.
    »Wir… deine
     Mutter und ich… wir haben uns sozusagen kennengelernt zu einer
     Zeit, als wir beide dachten, wir wären etwas anderes, als wir waren,
     etwas anderes, als wir sind.«
    »Sie glaubt, daß
     es dumm von dir ist, deine Zeit als Detektiv zu verschwenden.«
    Trotz all der Jahre tat es
     weh.
    »Und ich glaube, daß
     sie dumm ist, sich damit zufriedenzugeben, die Frau eines reichen Mannes
     zu sein. Das alles hat sie schon getan, während sie einfach nur die
     Tochter ihres reichen Vaters war. Sie hatte ’ne Menge drauf, unter
     all der Seide.«
    »Tut es immer noch weh?«
    Ich wollte ihr gegenüber
     nicht zugeben, was ich bereits mir gegenüber zugegeben hatte. »Gebranntes
     Kind…« sagte ich. In dem
     Versuch, mich undurchsichtig zu geben. Aber ich konnte ihr nichts
     vormachen.
    »Das habe ich mir
     gedacht«, sagte sie. Dann, ohne jeglichen logischen Grund fuhr sie
     fort: »Du hast mir tolle Briefe geschrieben, als ich noch klein war.«
    »Wir waren ja auch
     Spielkameraden. Briefspielkameraden. Jetzt bist du mir über den Kopf
     gewachsen.«
    »Daddy, warum bist du
     Privatdetektiv geworden?«
    »Damals kam es mir
     einfach so vor, als wäre es eine gute Idee. Und jetzt - tja, jetzt
     weiß ich viel mehr darüber als am Anfang. Und es wäre doch
     eine Schande, all das schöne Wissen einfach wegzuwerfen. Außerdem
     mag ich diese seltenen Gelegenheiten, alle ein bis zwei Jahre, wenn jemand
     mir etwas Interessantes erzählt.« 
    »Aber warum gibst du
     dir dann nicht mehr Mühe damit? Warum arbeitest du nicht härter
     daran?«
    »Es gibt keine
     Belohnung für harte Arbeit. Nur mehr Geld und weniger Zeit, es zu
     genießen.«
    »Aber…«
    »Und ich verschwende
     nicht gern meine Gedanken und meine Gefühle an Dinge, die nicht
     wirklich interessant sind. Ich hebe sie mir lieber für Situationen
     wie diese auf, so daß ich mein Bestes geben kann, selbst wenn das
     nicht gut genug ist.«
    Die Antwort schien sie zu
     befriedigen. Auch wenn sie mich selbst nicht befriedigte.
    Zumindest stellte sie keine
     weiteren Fragen mehr. Ich sagte: »Ich möchte Linn nicht dazu
     zwingen, heute nachmittag ins Krankenhaus zu fahren. Aber wenn sie dazu
     bereit ist, dann werde ich sie unterstützen.«
    Gelassen akzeptierte Sam
     diese Rückkehr zu unserer Arbeit. »Könntest du nicht noch
     irgend etwas anderes für sie tun?«
    »Irgendwelche Vorschläge?«   
    »Ich weiß nicht«,
     sagte sie. »Ich weiß im Grunde genommen überhaupt

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