Der stumme Handlungsreisende
Sicherheitsgebäude
von Loftus. Erst als ich Russell Fincastle dort
sah, kam es mir in den Sinn, daß er in einer anderen Schicht hätte
arbeiten können. Vielleicht war das heute doch mein Glückstag.
»Mr. Samson«,
sagte er fröhlich, als er mich einließ. »Sie kommen
sicher wegen der Liste.«
»Ja.«
»Ich habe für mein
Geld gearbeitet, das kann ich Ihnen sagen. Es gibt ’ne ganze Menge
Leute, die noch spätabends in Forschung Drei arbeiten.« Er zog
mehrere, mit einer großen lockeren Handschrift bedeckte Blätter
hervor.
Ich lächelte und nickte
und zückte meine Brieftasche. Und erinnerte mich an eine fürchterliche
Wahrheit. Das letzte Geld, das ich ausgegeben hatte, waren vier Dollar
achtundneunzig gewesen. »Oh, Jesus«, sagte ich. »Das ist
heute nicht mein Tag.«
»Was ist los?«
»Ich habe kein Geld
mitgebracht. Ich versuche gerade herauszufinden, wie ich dermaßen
dumm sein konnte.«
»Ich lasse mich nicht
gern an der Nase rumführen«, sagte Fincastle, ohne einen
Zweifel daran zu lassen, daß er die zwanzig Dollar bereits
ausgegeben hatte.
»Ich fahre nach Hause
und hole sie«, sagte ich.
Fincastle faltete die Liste
demonstrativ zusammen und steckte sie in seine Tasche.
Kopfschüttelnd ging ich
zu meinem Wagen zurück. Ich fuhr nach Hause.
Das Büro war ein
einziges Chaos.
Ich konnte es nicht glauben.
Überall lag Papier verstreut; die Schubladen herausgezogen. Ich hatte
gar nicht gewußt, daß ich so viel Papier in meinem Büro
hatte. Ich habe dort nicht viel, was von Wert
wäre. Weil es für die Allgemeinheit oifen steht.
Ein paar Minuten lang saß
ich auf meinem Drehstuhl. Es war ein Schock. Obwohl man wirklich sagen mußte,
daß ein Dieb, der mich ausraubte, schon ziemlich knapp bei Kasse
sein mußte.
Knapp bei Kasse erinnerte
mich daran, warum ich hergekommen war. Ich ging ins Wohnzimmer. Alles, was
ich besaß, lag auf dem Boden.
Ich rannte nicht, sondern
ging zivilisiert auf den Kasten mit meinem unantastbaren Notgroschen darin
zu. Jemand hatte ihn angetastet.
Ich setzte mich in meinen Eßzimmersessel
und ruhte mich aus. Sie hatten sogar das Foto meiner Herzdame mitgenommen.
»Daddy!« Zwanzig
Minuten später stürmte Sam herein, dicht gefolgt von Ray
McGonigle. »Daddy, was ist passiert?«
Ich wollte ihr gerade sagen,
daß ich mich zu einem Frühjahrsputz durchgerungen hätte,
aber die Worte wollten mir nicht über die Lippen kommen. Statt dessen
seufzte ich. »Man hat uns ausgeraubt«, sagte ich.
»Wow«, sagte
McGonigle.
24
Ich borgte mir fünfzehn
Dollar von Sam und fünf von McGonigle und ein paar Zehncentstücke
aus der Tasche meiner anderen Hose. Dann fuhr ich zurück zu Russell
Fincastle. Seine Liste war sechs Seiten stark. Ich kaufte sie und fuhr
dann auf direktem Weg wieder nach Hause, wo ich mich wie ein ausgeleierter
Jo-Jo in meinen Sessel fallen ließ.
Sam und Ray hatten meine
durcheinandergebrachten Besitztümer an einer der freien Wände
aufgestapelt, ohne auch nur zu versuchen, sie zu sortieren oder sie an
ihren alten Platz zurückzulegen. Sam war damit beschäftigt, uns
ein Mittagessen zuzubereiten. Ich betrachtete mein Königreich.
Beschloß, es bei den unordentlichen Stapeln zu belassen. Ich würde
ohnehin bald umziehen.
Das Mittagessen bestand aus Gänsepastete
auf heißen Pfannkuchen.
»Essen Sie immer so
komische Sachen hier, Mann?« fragte Ray.
»Ich kaufe nur die
Sorten mit einem Witz auf der Verpackung«, sagte ich. »He,
warum sind Sie nicht bei der Arbeit?«
»Ich habe heute morgen
einen Anruf vom Boss bekommen. Angeblich habe ich zu viele Überstunden
gemacht, und da meinte er, daß ich die kompensieren und diese Woche
Urlaub nehmen sollte.«
»Ist das nicht ein Glücksfall,
Daddy?«
»Also habe ich diese
junge Dame hier angerufen, und sie sagte, sie brauche ein paar Räder,
und da bin ich rübergekommen.«
»Räder?«
»Ich mußte doch
irgendwie ins Krankenhaus kommen, Daddy.«
»Konntest du zu ihr?«
Sams Gesicht wurde traurig.
»Nein. Sie hat geschlafen. Wir haben fast eine Stunde gewartet, aber
sie hat immer noch geschlafen.«
»Hast du rausgefunden,
was mit ihr los ist?«
»Sie machen immer noch
irgendwelche Untersuchungen. Aber sie haben gesagt, daß sie unterernährt
ist. Sie hat ja auch die ganze Zeit hier bei uns kaum was gegessen. Ich
habe wirklich ein schlechtes Gewissen
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